Beschließt die EU die sogenannte NEC-Richtlinie, müsste jede achte Milchkuh in Bayern weg. Foto: imago/chromorange
Agrarpolitik

Klarer Nachteil für Bayern

Der Freistaat Bayern wäre ohne seine vielfältige Landwirtschaft nicht vorstellbar. Die Arbeit der Landwirte ist eine enorm wichtiger Wirtschaftsfaktor und ein stabiles Rückgrat für den ländlichen Raum. Doch immer wieder wird ihre Arbeit durch Beschlüsse der EU erschwert. Wie aktuell durch die Neufassung der Richtlinie über nationale Emissionshöchstgrenzen.

Ohne seine Landwirtschaft wäre Bayern nicht das, was es heute ist. Der Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen macht einen großen Teil des wirtschaftlichen Erfolges aus, denn Produkte aus Bayern stehen seit jeher für Qualität, Regionalität und erfüllen höchste Standards. Zudem trägt die historisch gewachsene Landwirtschaft auch zur Landschaftspflege bei und ist eine Bereicherung mit Blick auf die Kultur. Man denke nur an den Viehscheid im Allgäu, der jedes Jahr tausende Besucher in die Region bringt.

Natürlich muss ein Wirtschaftszweig wie die Landwirtschaft entsprechende geregelt sein. Mit Verordnungen, Richtlinien und Gesetzen – auch auf europäischer Ebene.

Bayern trifft es oft am härtesten

Die Zahl an EU-Richtlinien würde ohne Probleme die Regale einer ganzen Bibliothek füllen: Über 20.000 Richtlinien, übersetzt in 24 Amtssprachen. Pro Jahr kostet deren Umsetzung europaweit über 120 Milliarden Euro. Die meisten Richtlinien haben durchaus ihren Sinn und erleichtern den Handel innerhalb der Mitgliedsstaaten enorm. Auch beim Thema Agrarpolitik.

Doch manche Entscheidungen aus Brüssel oder Straßburg sprengen den Rahmen und benachteiligen bayrische Landwirte auf ungerechtfertigte Weise. Ein Beispiel aus dem Jahr 2011. Damals sollten die Rahmenbedingungen für die Ausgleichszahlungen an Landwirte in sogenannten benachteiligten Gebieten neu geregelt werden.

Das Ergebnis hätte weniger Geld für die bayerischen Landwirte bedeutet. Fatal, denn 65 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe im Freistaat liegt in einem solchen Gebiet. Für viele Betriebe hätt dies das Aus bedeutet.

Durch die geplanten Vorgaben würden wohl gerade kleine Betriebe verschwinden, die unsere bäuerliche Landwirtschaft prägen und das Grünland im Voralpenland erhalten.

Walter Heidl, Präsident des Bayerischen Bauernverbandes

Spielball der Politik

Durch die Ukrainekrise und das russische Embargo westlicher Waren sind die Absatzzahlen rückläufig. Die Landwirte fordern hier von Brüssel und Berlin, die Auswirkungen auf ihren Wirtschaftszweig abzubauen. Die Außenpolitik dürfe nicht auf ihrem Rücken ausgetragen werden.

Zudem macht den Landwirten im Freistaat aktuell die Neufassung der Richtlinie über nationale Emissionshöchstmengen (NEC-Richtlinie) Sorgen. Dabei geht es um die Reduzierung von Luftschadstoffen wie Schwefeldioxid, Stickoxide, Methan, Feinstaub, Ammoniak oder flüchtige organische Verbindungen. An sich ja eine gute Sache. Doch ein erster Entwurf hätte für die bayerischen Landwirte mit Tierbestand eine Katastrophe bedeutet.

Nach der Planung des Umweltausschusses des EU-Parlamentes sollte Deutschland zum Schutz des Klimas den Ausstoß von Methan bis 2030 um 39 Prozent senken, den von Ammoniak um 46 Prozent bis 2025.

Zum Vergleich: In Lettland solle der Ammoniak-Ausstoß um ein Prozent, in Irland um sieben Prozent gesenkt werden.

Die Umsetzung der NEC-Richtlinie hätte gerade für die bayerische Landwirtschaft herbe Folgen gehabt. Nach einer Rechnung des Bayerischen Bauernverbandes hätte jedes zweite Rind, jede achte Milchkuh und jedes achte Schwein abgeschafft werden müssen.

Die für Deutschland geforderten Minderungsziele wären nur mit sehr weitgehenden Eingriffen und zugleich einer erheblichen Abstockung des Tierbestandes zu realisieren.

Helmut Brunner, bayerischer Landwirtschaftsminister

Die Tiere müssten zum Schlachter

Dabei leisten die Bauern bereits einen großen Beitrag zum Klimaschutz. Nach Angaben des Umweltbundesamtes haben die deutschen Bauern die Methan- und Ammoniakemissionen zwischen 1990 und 2010 bereits um 23 Prozent reduziert. Dies geschah vor allem durch technische Verbesserungen im Stall und bei der Arbeit auf den Feldern.

Bayern fördere schon seit vielen Jahren im Rahmen eines Kulturlandschaftsprogrammes eine besonders emissionsarme Ausbringung von Wirtschaftsdüngern, um den Landwirten den Umstieg auf neuere Gülleausbringungstechniken zu erleichtern, erläutert Helmut Brunner gegenüber dem BAYERNKURIER.

Ziel unserer Bauern ist es, auch in Zukunft die Effizienz von Düngung und Fütterung weiter zu verbessern.

Walter Heidl, Präsident des Bayerischen Bauernverbandes

Das Problem: Die technischen Möglichkeiten sind weitgehend erschöpft. Die von der EU geforderten Grenzwerte könnten nur dann erreicht werden, wenn viele Landwirte ihre Tierhaltung aufgeben und die Tiere zum Schlachter bringen.

Zudem würde die geforderte Senkung der Ammoniakemission um 46 Prozent der Weiterentwicklung der tiergerechten Haltungsverfahren in der Schweine- und Milchviehhaltung entgegen stehen. Anstatt offener und luftiger Ställe müssten die Landwirte diese hermetische abriegeln.

Während andere Länder nur geringe Einsparungsvorgaben bekommen haben, würde NEC-Richtlinie für viele, gerade familiengeführte Betriebe in Bayern, das Aus bedeuten.

Nach Brunners Ansicht, sei die „Notwendigkeit für eine Abstockung des Viehbestandes kaum vermittelbar“ und aus seiner Sicht auch nicht zielführend.

 Schließlich dient die Rinderhaltung in weiten Teilen Bayerns auch dem Erhalt unserer Kulturlandschaft, denn Grünland kann nur von Wiederkäuern sinnvoll verwertet werden.

Helmut Brunner, bayerischer Landwirtschaftsminister

Parlament schraubt am Kommissions-Entwurf

Am 28. Oktober war die NEC-Richtlinie Thema beim Europäischen Parlament in Straßburg. Dort wurde noch einmal an den Grenzlinien geschraubt. Das Ergebnis: Die Verpflichtung der Verringerung des Methanausstoßes wurde aus der Neufassung gestrichen.

Die Streichung der von den Tieren direkt emittierten Methangase aus den Minderungsverpflichtungen ist zumindest ein gutes Zeichen. Das Europaparlament hat damit deutlich gemacht, dass es den Kommissions-Entwurf nicht unverändert übernehmen kann.

Helmut Brunner, bayerischer Landwirtschaftsminister

Brunner verweist zudem darauf, dass die Streichung auch deshalb zu befürworten ist, da man die im Rindermagen ablaufenden Prozesse nur begrenzt beeinflussen kann, ohne die tiergerechte Fütterung zu beeinträchtigen.

Selbstverständlich ist es auch uns ein Anliegen, Emissionen zu vermeiden, soweit dies machbar und sinnvoll ist.

Helmut Brunner, bayerischer Landwirtschaftsminister

Die Verminderung der Emissionswerte für Ammoniak wurde zwar nicht aus dem Papier gestrichen, aber zumindest herabgesetzt – wenn auch nur geringfügig. Statt der vom Umweltausschuss geforderten 46 Prozent soll die Bundesrepublik die Emission „nur“ um 39 Prozent senken.

Die weiteren Diskussionen nur Neufassung der NEC-Richtlinie sollen nun von bayerischer Seite genau beobachten werden. Man wolle im Rahmen der Möglichkeiten auf sinnvolle Lösungen hinwirken.