In der Werbung schreien die Kunden vor Freude, wenn das Päckchen kommt. Die Zalando-Aktionäre dürften in diesen Tagen andere Gefühle hegen. Bild: Imago/Steinach
Zalando-Verlust

Aufschrei an der Börse

Der Umsatz steigt und mit ihm der Verlust: Europas führender Online-Mode-Händler Zalando arbeitete zuletzt nicht profitabel. Nach Bekanntwerden der vorläufigen Quartalszahlen wurde er heute an der Börse kräftig abgewatscht. Verluste machte der Konzern jüngst auch, weil er Flüchtlinge belieferte, die nicht zahlten.

Fälle wie diese dürften den Zalando-Aktionären die Zornesröte ins Gesicht treiben: Wie das Handelsblatt jüngst berichtete, hatte der Online-Händler angeblich ein ganzes Jahr lang Pakete mit Kleidung in ein saarländisches Flüchtlingslager geliefert, obwohl die Rechnungen nicht bezahlt wurden. Von Juni 2014 bis Juni 2015 wurden demnach unter anderem hochwertige Schuhe, Kleidung und auch Koffer in den Ort Lembach geschickt – stets mit Rechnungen, die die Asylbewerber offensichtlich nicht weiter interessierten.

„Kunden“ haben sich zurück auf den Balkan verabschiedet

Der Online-Händler erstattete Anzeige, die Polizei hat jetzt alle Hände voll zu tun. Immerhin hat sie laut Bericht schon herausgefunden, dass 41 der Verdächtigen, die überwiegend vom Balkan kommen, noch in Lembach leben. Sie sollen 365 Bestellungen abgegeben haben und sind noch mehr als 60.000 Euro schuldig. 59 Zalando-„Kunden“ haben sich dagegen bereits wieder in Richtung Balkan verabschiedet – mit ihnen Waren im Wert von rund 50.000 Euro. Weitere 335 Bestellungen konnten noch nicht verifiziert werden. Der ermittelnde Staatsanwalt vermutet, dass die Namen der Besteller erfunden oder die Personen gar nicht registriert sind.

Zalando: Lage hat sich wieder deutlich beruhigt

Bei der heutigen Veröffentlichung der vorläufigen Quartalszahlen Zalandos war der Schamassel von Lembach freilich kein Thema. Vorstand Rubin Ritter machte keine nähere Angaben zu den Betrugsfällen im ersten Halbjahr, wies aber darauf hin, dass sich die Lage im dritten Quartal wieder deutlich beruhigt habe. Und überhaupt: Bei einem Geschäft in der Dimension von Zalando könne man auch bei relativ niedrigen Betrugsquoten auf Millionen-Beträge kommen, betonte er.

Zalando-Aktie gibt um bis zu fünf Prozent nach

Mit der Zalando-Aktie ging es heute um bis zu fünf Prozent abwärts. Grund ist ein für viele überraschender Verlust im dritten Quartal, den das Unternehmen mit 18 bis 32 Millionen Euro beziffert. Mit dem Konzernumsatz ging es dagegen kräftig bergauf: Vorläufigen Zahlen zufolge sei er im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 41 bis 43 Prozent auf 707 bis 717 Millionen Euro gestiegen, hieß es. In den ersten neun Monaten des Jahres lag er bei 2,084 bis 2,094 Milliarden Euro, das entspricht einem Wachstum von 35 Prozent. Der Gewinn von Januar bis September lag immerhin bei 27 bis 41 Millionen Euro.

Wir sind gewillt, kurzfristige Einbußen bei der Profitabilität in Kauf zu nehmen, um Wachstum zu beschleunigen und Marktanteile zu gewinnen.

Zalando-Vorstandsmitglied Rubin Ritter

Der Vorstand zeigte sich von dem jüngsten Verlust nicht überrascht: „Unser Ergebnis im dritten Quartal deckt sich mit unserer Strategie, in langfristiges Wachstum zu investieren“, sagte Rubin Ritter. Als Gründe für den Verlust nannte das Unternehmen neben Betrugsfällen unter anderem auch signifikante Technologieinvestitionen im Logistikbereich sowie erhöhte Kosten für das Marketing. Die stören Zalando aber nicht weiter: „Wir sind gewillt, kurzfristige Einbußen bei der Profitabilität in Kauf zu nehmen, um Wachstum zu beschleunigen und Marktanteile zu gewinnen“, so Ritter.

Geschäftsmodell bleibt spannend

Analysten rieten den Aktionären heute, nicht in Panik zu verfallen. Das Geschäftsmodell von Zalando bleibe „zweifelsfrei sehr spannend“, hieß es.