Metaller einigen sich
Mehr Geld, eine lange Laufzeit und ein Kompromiss in der umstrittenen Arbeitszeitfrage: Nach einem Verhandlungsmarathon haben sich die Tarifparteien der Metall- und Elektrobranche verständigt. Die Regelungen werden wohl auch in Bayern Geltung finden.
Arbeitskampf

Metaller einigen sich

Mehr Geld, eine lange Laufzeit und ein Kompromiss in der umstrittenen Arbeitszeitfrage: Nach einem Verhandlungsmarathon haben sich die Tarifparteien der Metall- und Elektrobranche verständigt. Die Regelungen werden wohl auch in Bayern Geltung finden.

Das zähe Ringen bis zur sechsten Verhandlungsrunde hatte seinen Grund: Angesichts der zahlreichen geforderten Neuerungen mussten die Vertreter des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall und der IG Metall Baden-Württemberg an vielen Stellschrauben drehen, um schließlich jeweils mit Kompromissen leben zu können. „Ich glaube, das neue Tarifsystem ist vernünftig ausbalanciert“, sagte Südwestmetall-Chef Stefan Wolf im Anschluss an die Verhandlungen. Allerdings werde nicht nur die Höhe des Abschlusses, sondern auch seine Komplexität für viele Betriebe schwer zu tragen sein. Immerhin habe man aber mit der langen Laufzeit von 27 Monaten für Planungssicherheit gesorgt.

Modernes, flexibles Arbeitszeitsystem

Die Beschäftigten erhalten zusätzlich zur Entgelt-Erhöhung von 4,3 Prozent ab April 2018 für die Monate Januar bis März 2018 eine Einmalzahlung von 100 Euro. Sie können darüber hinaus künftig für bis zu zwei Jahre ihre Wochenarbeitszeit auf 28 Stunden absenken. Im Gegenzug dürfen Betriebe dann mit mehr Beschäftigten als bisher 40-Stunden-Verträge abschließen. Außerdem gibt es von 2019 an jährlich ein neues tarifliches Zusatzgeld von 27,5 Prozent eines Monatseinkommens sowie einen Festbetrag von 400 Euro. Letzterer kann in wirtschaftlich schweren Zeiten gesenkt oder gestrichen werden.

Positiv hervorzuheben ist die lange Laufzeit von 27 Monaten und die dauerhaft vereinbarte Differenzierung. Diese erlaubt es, bei schwierigen Wirtschaftslagen die Belastung zu reduzieren.

Bertram Brossardt, vbm

Einigung wurde auch im hart umkämpften Bereich der Arbeitszeit erzielt – mit dem Ergebnis, dass beide Parteien diesen Faktor künftig flexibler handhaben können. Auch ein besonders strittiger Punkt wurde schließlich geklärt: die Forderung der IG Metall, dass bestimmte Gruppen wie Schichtarbeiter, pflegende Angehörige oder Eltern junger Kinder im Falle solch einer Arbeitszeitreduzierung einen Zuschuss für entgangenen Lohn erhalten sollen. Sie können nun statt dem für alle vereinbarten tariflichen Zusatzgeld von 27,5 Prozent eines Monatsgehalts acht freie Tage wählen. „Wir haben heute den Grundstein für ein flexibles Arbeitszeitsystem für das 21. Jahrhundert gelegt“, sagte Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger.

Auch IG-Metall-Chef Jörg Hofmann sah den Tarifabschluss als einen „Meilenstein auf dem Weg zu einer modernen, selbstbestimmten Arbeitswelt“. Viel zu lange sei Flexibilität bei der Arbeitszeit ein Privileg der Arbeitgeber gewesen. Wie sich der Tarifabschluss in der Praxis bewährt, wollen die Tarifparteien in zwei Jahren prüfen, weil bisher nicht klar ist, wie viele Beschäftigte beispielsweise eine reduzierte Arbeitszeit von 28 Stunden oder Verträge über 40 Wochenstunden in Anspruch nehmen.

Vorlage für Bayern?

Der bayerische Arbeitgeberverband begrüßte den Tarifabschluss grundsätzlich, er dokumentiere die derzeit gute wirtschaftliche Lage der Metall- und Elektro-Industrie. „Er geht aber sehr deutlich an die Belastungsgrenze und für nicht wenige Unternehmen sogar darüber hinaus“, monierte der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie (vbm), Bertram Brossardt. Zudem hätte man sich einen „weniger komplexen“ Tarifvertrag gewünscht. „Der vbm begrüßt die neu geschaffenen tariflichen Möglichkeiten für eine erhebliche Ausweitung des Arbeitszeitvolumens“, sagte Brossardt in München.

Gleichzeitig ist es gelungen, vernünftige Grenzen für die Absenkung von Arbeitszeiten zu erzielen. Damit wird der bereits heute bestehende Fachkräftemangel nicht noch weiter verschärft.

Bertram Brossardt, vbm

Die Einigung in Baden-Württemberg gilt als Pilotabschluss für die deutschlandweit rund 3,9 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie. Der Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie sprach sich für eine Übernahme des Vertrags auch in Bayern aus. Dort beginnen die Verhandlungen an diesem Donnerstag.