Kommen zu einen insgesamt positiven Ergebnis: Professor Michael Seidel (li.) und seine Studenten befragten für die Studie Menschen, die nach Hochfranken gezogen sind. Bild: OP
Unternehmensgründungen

Immer mehr wollen bleiben

Eine neue Studie der Hochschule Hof beweist: Der Norden Oberfrankens, die so genannte Region Hochfranken, wird immer attraktiver. Junge Leute sehen hier berufliche Perspektiven, schätzen die Lebensqualität und loben die Familienfreundlichkeit. Die dortigen Politiker und Medien allerdings bleiben skeptisch.

Die Unternehmensgründungen in den großen westdeutschen Flächenstaaten sind in den vergangenen Jahren, abgesehen von zwei kurzen Zwischenhochs, zurückgegangen. Das sagt eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Bayern zeige sich demnach von diesem Trend weniger stark betroffen und liegt bei Gründungsaktivitäten vorne. Als Gründungsschwerpunkte erwiesen sich die Region südlich von München und Oberfranken, vornehmlich um die Städte Bamberg, Coburg und Hof. Oberfranken nimmt laut ZEW seit 2009 die Spitzenposition bei den Gründungsintensitäten der forschungsintensiven Industrie ein.

Die Studie attestiert Bayern eine moderne Branchenstruktur der Neugründungen. Letztere resultiert unter anderem daraus, dass Bayern bei einem Vergleich der Gründungsintensitäten (Anzahl aller Gründungen pro Jahr pro 10000 Erwerbsfähige) in den forschungs- und wissensintensiven Branchen einen herausgehobenen Platz unter den westdeutschen Flächenländern einnimmt. So liegt die jährliche Anzahl von Gründungen in den Branchen der Industrieunternehmen, die Forschung und Entwicklung betreiben, seit dem Jahr 2000 an zweiter Stelle hinter der Gründungsintensität von Baden-Württemberg. In den Branchen der wissensintensiven Dienstleistungen weist Bayern in diesem Zeitraum sogar durchgängig deutlich höhere Gründungsintensitäten auf als die Vergleichsländer.

Wer kommt nach Hochfranken?

Eine andere Untersuchung kam zu ebenfalls positiven Ergebnissen für den nördlichsten Teil Oberfrankens, Hochfranken. Der Lehrstuhl für Wirtschaft der Hochschule Hof unter Leitung von Professor Michael Seidel befragte für die Studie Menschen, die nach Hochfranken zugezogen sind. Das waren über 300 Studierende, mehr als 200 kürzlich zugezogene Fach- und Führungskräfte, annähernd 100 Regionalpolitiker, acht Inhaber und Geschäftsführer. Außerdem wurden die beiden regionalen Tageszeitungen Nordbayerischer Kurier und Frankenpost ausgewertet. Anschließend wurden die Umfrageergebnisse statistisch erfasst und mit der Erhebung von 2008 verglichen.

Das Ergebnis: Junge Leute sehen in der Region berufliche Perspektiven, schätzen die Lebensqualität und loben die Familienfreundlichkeit. Allerdings müsste die Wohnungssituation verbessert, der öffentliche Nahverkehr ausgebaut und das Nachtleben attraktiver werden.

Die Quote derer, die sich vorstellen können, nach dem Studium in der Region zu bleiben, hat sich demnach von 2008 auf heute um die Hälfte erhöht. Ein oft angekreuztes Argument: „Die Region Hochfranken ist besser als ihr Ruf.“ Vor vier Jahren war die Bezeichnung Hochfranken unter den Studierenden weit weniger bekannt als heute.

Bei den neu in der Region lebenden Führungskräften war es genau umgekehrt: 2008 lag der Bekanntheitsgrad bei 80 Prozent, heute dagegen nur bei 50 Prozent. „Da ist Handlungsbedarf. Da müssen wir mehr Medienpräsenz schaffen“, mahnt Professor Seidel. Ein positiver Trend bei den Zuzüglern ist die deutliche Verjüngung: War 2008 ein Drittel unter 30 Jahre alt, so ist es heuer bereits über die Hälfte. Der Anteil der Hochschulabsolventen an den Zugezogenen liegt bei 77 Prozent. Ihre Einstellung hat sich im Vergleich zu 2008 deutlich verbessert: Jetzt schätzen nahezu drei Viertel der Befragten die Lebensqualität, die Landschaft, die Ruhe und die Familienfreundlichkeit in Hochfranken und würden auch anderen empfehlen, hierher zu ziehen. Verbesserungen fordern die Führungskräfte beim öffentlichen Nahverkehr, am Wohnungsmarkt und bei den Freizeitangeboten – genannt wurden hier zum Beispiel After-Work-Partys und Indoor-Angebote.

Die Klagen der Politiker

Nicht so positiv gestimmt wie die jungen Menschen, die hierher kommen, um zu studieren oder zu arbeiten, sind offenbar die Politiker, die sie regieren. Sie betonen in der Umfrage vor allem das Problem der Abwanderung und Überalterung und klagen über das bayern- und deutschlandweite schlechte Image von Hochfranken – eine Klage, die sich mit den übrigen Untersuchungsergebnissen nicht deckt.

Sie wird nur wieder aufgegriffen von der in Bayreuth erscheinenden Tageszeitung Nordbayerischer Kurier. Eine der die Studie durchführenden Arbeitsgruppen von Studenten hatte vier Monate lang jede Ausgabe analysiert und insgesamt über 1000 Artikel herausgefiltert, die mit Hochfranken zu tun hatten. Das Ergebnis der Analyse ist erschütternd: Die Region, allen voran Hof und Wunsiedel, wird in den düstersten Farben dargestellt – ein Hort der Kriminalität, Wohnungsnot und Armut. Lediglich einige Unternehmen sind positiv hervorgehoben. Das war 2008 so und ist heute nicht anders.

Die von der letzten Arbeitsgruppe untersuchte Frankenpost hat hier eine ganz andere Entwicklung genommen. Überwog noch vor vier Jahren Skepsis in der Berichterstattung, so wird heute ein auffallend positives Bild vermittelt, fanden die Studenten. Die Frankenpost präsentiere die Region als „abwechslungsreich und aufgeschlossen, als international erfolgreichen Arbeitgeber mit zahlreichen kulturellen Highlights und stolzer Bevölkerung“ und spreche ihr eine „kulturelle, wirtschaftliche und soziale Standortattraktivität“ zu.

Professor Seidel kommt zu dem Schluss: „Die von den Politikern und Firmenchefs genannte demographische Entwicklung ist unser größtes Problem. Dem müssen wir weiterhin entgegensteuern.“ Die von allen Befragten angesprochene schlechte Wohnungssituation sei zu beheben, wenn der Sanierungsrückstau bei den Hofer Wohnungen endlich behoben werde. „In unserem hohen Wohnraumpotenzial sollten wir die Chance sehen, die darin steckt: Es ist doch ein Alleinstellungsmerkmal – man denke nur an die leer stehenden Bauernhöfe im Umland, die für so manchen Städter attraktiv sein könnten.“