Winzer Peter Hornstein mit seiner Auszeichnung für den "Besten Baden Württemberger Weißwein der Jahres 2009". Bild: P. Hornstein
Erfolgreicher Mittelstand

Geduld und Hightech im Weinkeller

Etwa 20 bayerische Winzer gibt es am Bodensee. Weinrechtlich gehören sie zum Anbaugebiet Württemberg. „Württemberg – Bereich Bayerischer Bodensee“ steht auf den Etiketten ihrer Weine. Peter Hornstein in Nonnenhorn ist einer von ihnen.

Die riesige alte hölzerne Weinpresse in der verführerisch nach Flammkuchen duftenden Rädlewirtschaft von Bodensee-Winzer Peter Hornstein in Nonnenhorn erzählt etwas über die Güte heutiger Weine. 15 Tonnen wiegt sie und nimmt in der kapellengroßen Wirtschaft fast den halben Raum ein. Hornsteins Vater hat das Museumsstück 1972 erworben. Die alte Weinpresse, Torkel sagt man im südwestdeutschen Raum dazu, wurde 1602 gebaut – und bis 1956 benutzt. Unglaublich, aber wahr: Über 350 Jahre lang wurde mit der Technologie von 1602 Wein gepresst. Doch mit dem technologischen Stillstand im Weinbau ist es lange vorbei, in Deutschland und weltweit, erläutert Hornstein und schenkt von seinem trockenen, in Wien mit einer Silbermedaille ausgezeichneten 2011er Sauvignon blanc (8,50 Euro) ein: „Wir haben hier jetzt seit 1970 schon die siebte Presse in Betrieb.“

Die Qualität entsteht im Weinberg – aber im Keller kann man sehr viel falsch machen

Kellertechnik wird bei Hornstein groß geschrieben. Seit 20 Jahren verkauft der Winzer als Vertriebspartner mehrerer Hersteller Kellereitechnik in den süddeutschen Raum, in die Ostschweiz und nach Vorarlberg. Natürlich steht in seiner eigenen Kellerei stets die neueste Technik, die übrigens zu 80 Prozent aus Norditalien kommt. Auch mit der schönsten Hightech kann man im Keller natürlich nicht zaubern, sagt Hornstein: „Die Qualität entsteht im Weinberg.“ Aber im Keller kann man eben auch mit dem besten Lesegut sehr viel falsch machen. Die neue Technik hilft dem Winzer nur, im Keller so schonend und so präzise wie möglich zu arbeiten, so Hornstein und fasst sein Keller-Credo zusammen: „Technik, soviel wie möglich – Weinbehandlung, so wenig wie möglich.“ Das schmeckt man dann: Mit seinen Weinen hat Hornstein in den letzten Jahren viele Preise gewonnen. Die tolle Technik im Keller hilft ihm, seine Weine perfekt auszubauen, und seine guten Weine werben dann für die Technik.

Der Winzer hat einen langen Weg hinter sich. 1978 hat er Nonnenhorn verlassen, um in Würzburg und Sommerhausen Weinbau zu lernen. Von dort ging es in die weitere Weinwelt: Mezzocorona im Trentino, die Kellerei Kaltern in Südtirol, zwei Jahre in Bozen und ein halbes Jahr im Elsaß. In Bad Kreuznach an der Nahe bestand er die Winzermeisterprüfung und sattelte noch den Weinbautechniker oben drauf.

Nach neun Jahren kehrte er nach Nonnenhorn zurück und teilte sich dann mit dem Vater die Arbeit: Der Senior kümmerte sich um Brennerei und Lokal, der Rückkehrer übernahm Weinbau und Keller. Zehn Jahre später erhielt er die Alleinverantwortung. 3,5 Hektar Wein- und 1,5 Hektar Obstbau maß das Weingut damals. Seither hat sich die Anbaufläche verdreifacht: zehn Hektar Wein- und acht Hektar Obstbau. 4000 Flaschen Obstbrand und etwa 60.000 Flaschen Wein entstehen da­raus. Hornstein will Qualität und reduziert die Ernteerträge kon­sequent. Seine Weine bleiben trotzdem bezahlbar: Zwi­schen sieben und zehn Euro liegen die meisten Flaschen. Vollausgestattete großzügige Ferienappartments (ab 60 Euro) laden ein zu Ferien beim Winzer – in Nonnenhorn am Bodensee ein besonders verlockendes Angebot.

Winzer in Nonnenhorn – und in Vorarlberg

16 Rebsorten stehen auf seiner Verkaufsliste – und der Besucher stutzt: Auch ein trockener Grüner Veltliner (8,50 Euro) ist dabei, die österreichischen Farben zieren die Verschlusskapsel. Kein Irrtum, denn neben den Lagen am bayerischen Bodensee – Nonnenhorner Sonnenbichl, Wasserburger Weinhalde, Lindauer Seegarten – gehören auch ein Hektar im benachbarten württembergischen Kressbronn und eben die Lage Bregenzer Sonnenufer in Vorarlberg zu seinem kleinen Weinreich. Mit dem Wein aus Österreich muss Hornstein allerdings besonders verfahren: Das Lesegut von der Bregenzer Lage wird in Nonnenhorn gepresst und vorgeklärt. Dann geht der Traubensaft retour nach Österreich. Denn österreichischer Wein muss in Österreich vergoren werden, sagt das europäische Weingesetz. Sonst kann man ihn nur als „Tafelwein aus EU-Ländern“ anbieten für das unterste Weinregal im Discounter. Der weitere Weinausbau des spritzigen Grünen Veltliners darf dann wieder in Nonnenhorn stattfinden.

Hornstein nimmt den Umstand gerne auf sich. Die Bregenzer Lage ist ihm wichtig. Vorarlberg ist ein reiches Bundesland mit vielen Firmen. Da ist er gerne präsent. Seine österreichischen Weine – 6000 Flaschen – dienen ihm sozusagen als Türöffner für seine anderen Nonnenhorner Produkte. Außerdem gedeiht sein Müller-Thurgau (8,50 Euro) in der um etwa 30-40 Meter höheren Bregenzer Lage sogar besser als in Nonnenhorn. Die zusätzlichen Höhenmeter sorgen für extremere Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht. Den Trauben tut das gut. Sie können länger am Rebstock hängen und werden dabei aromatischer.

Der Riesling findet am Bodensee bessere klimatische Bedingungen vor als an der Mosel

Hornstein hat viel bewegt, im eigenen Betrieb – und beim Nonnenhorner Wein. In den Jahren seiner önologischen Wanderschaft hat er viel gesehen und andere Produkte gekostet. Einige davon wollte er auch am Bodensee heimisch machen. Es war nicht einfach. Der Vater war vom alten Winzerschlag und schwor auf die traditionellen heimischen Sorten: Müller-Thurgau, Elbling, Spätburgunder: „Das wird gepflanzt, nichts anderes.“ Im Hause Hornstein hat es heftige Diskussionen gegeben. Doch der Sohn hat sich durchgesetzt. Er hat in der Region den ersten Riesling, den ersten Sauvignon blanc sowie Weiß- und Grauburgunder angepflanzt. Die Winzerkollegen in Nonnenhorn sind ihm gefolgt. Kein Wunder, denn etwa der Riesling findet am Bodensee bessere klimatische Bedingungen vor als an der Mosel, meint Hornstein.
„Schonend“ ist ein häufiges Wort, wenn Hornstein seinen Weinbau und Weinausbau beschreibt. Die Trauben lässt er lange hängen, wenn möglich sogar bis Anfang November. Der schon erwähnten Temperaturschwankungen wegen, die hier erst im Oktober richtig einsetzen und für die Trauben so wichtig sind. Gelesen wird von Hand. Innerhalb von 48 Stunden soll die Gärung einsetzen bei kontrollierten 18 Grad, die Hornstein dann bei 16 Grad gerne zwei bis drei Wochen dauern lässt.

Auch beim weiteren Ausbau geht er behutsam vor: „Man muss dem Wein im Keller Zeit geben.“ Im fast zum Wohnzimmer ausgebauten Barrique-Keller zapft er für den Gast ein Glas vom 2011er Carbenet Mitos vom 3000-Liter-Fass. Hornstein ist in der Region der einzige Winzer, der die Rebsorte anbaut. Mit schönem Erfolg: Wer bei dem Tropfen an einen Südtiroler Spitzenwein denkt, liegt nicht ganz falsch: Der Bodensee-Winzer ist Mitglied des Südtiroler Kellermeisterverbandes. Der Gast glaubt, es zu schmecken. „Der Cabernet braucht halt im Keller zwei Jahre“, sagt Hornstein. „Er kann auch mal sechs Jahre im Keller sein“. In den Barriquefässern reift gerade der 2009er. Abgefüllt und zum Verkauf bereit ist der mehrfach prämierte 2008er Cabernet Mitos (14,50 Euro).

Hornsteins Geduld im Keller hat nicht nur dem Wein geholfen, sondern am 10. Juli 2012 auch dem Winzer selber: An dem Tag hat ihm Hagel zwei Drittel der Ernte weggeschlagen. Zum Glück war sein Keller noch mit älteren Jahrgängen halbwegs gefüllt, so dass er den bitteren Verlust leichter verschmerzen konnte. Hornstein versucht, sich mit seinen Weinen „oben zu etablieren“. Der Hagel hat ihn dabei nicht aufhalten können: Noch nie habe er bei der amtlichen Qualitätsweinprüfung in Würzburg so gute Bewertungen erhalten wie für seine 2012er Weine, erzählt er. Peter Hornstein will nicht der Beste sein, aber einer der Besten, sagt er: „90 Prozent reichen mir – aber über Jahrzehnte.“

Immens viel junges önologisches Know-How am Bayerischen Bodensee

Mit seinem Ehrgeiz ist er nicht alleine. Das ganze kleine Anbaugebiet strebt nach oben. Die Aussichten sind gut, meint der Winzer und verweist auf einen vielversprechenden Trend: 350 Hektar Obstbau gibt es am Bayerischen Bodensee, nur knapp 50 Hektar Weinbau. Trotzdem gehen die jungen Leute fast ausnahmslos in den Weinbau. Von Hornsteins vier Kindern wollen drei dem Vater folgen. Die älteste Tochter steht kurz vor dem Abschluss zur Weinbautechnikerin und will dann in Südafrika weitere önologische Erfahrung sammeln. In dem kleinen Anbaugebiet am Bayerischen Bodensee habe sich so „immens viel junges önologisches Know-how versammelt, Meister, Techniker, Ingenieure“, überlegt der Winzer: „Hier wird was passieren.“ Die vielen Jungwinzer werden sich gegenseitig schöne Konkurrenz machen.

Den Weinfreunden nah und fern kann der Qualitätswettbewerb am Bayerischen Bodensee, der längst eingesetzt hat, nur recht sein. Zumal die idyllische Weinlandschaft an Bayerns äußerstem südwestlichen Zipfel dem übrigen Freistaat so nahgerückt ist: Über die neue Lindauer Autobahn ist Hornsteins Weingut etwa für Münchner Gäste genauso leicht und so schnell zu erreichen wie Nürnberg. Und tatsächlich: Die neue Kundschaft aus der Hauptstadt macht sich in Nonnenhorn zusehends bemerkbar.

www.peter-hornstein.de