Im Stadtzentrum von Rehau wird künftig Eugen Gomringers Gedicht zu sehen sein. (Montage: Stadt Rehau)
Poesie

Sinn für das Schöne

Nachdem eine Berliner Hochschule beschlossen hat, ein Gedicht des Lyrikers Eugen Gomringer wegen angeblich sexistischen Inhalts zu übermalen, hat nun seine fränkische Heimatstadt Rehau entschieden, das Kunstwerk im Ortszentrum zu zeigen.

Nach dem Wirbel um ein angeblich sexistisches Gedicht des Lyrikers Eugen Gomringer an der Fassade der Berliner Alice-Salomon-Hochschule sollen die Zeilen bald eine Hauswand in Gomringers Wohnort Rehau schmücken. An einem Museum in der oberfränkischen Stadt wird künftig großflächig das auf Spanisch verfasste Gedicht „avenidas“ zu sehen sein. Eine große Mehrheit im Rehauer Stadtrat hat am Mittwoch beschlossen, das Gedicht im Stadtzentrum zu zeigen.

Zeichen der Solidarität

„Damit stehen die Vertreter der Rehauer Bevölkerung hinter Eugen Gomringer, dem Begründer der konkreten Poesie, und setzen sich für ihn ein“, erklärte Bürgermeister Michael Abraham (CSU). In Rehau werde das Gedicht nicht als sexistisch beurteilt, wohlwissend, dass es immer mehrere Interpretationsmöglichkeiten gebe. „Wir haben in Rehau unseren schönen Maxplatz im Zentrum der Stadt, die geraden Straßen mit den angelegten Baumreihen, das sind die Alleen. Auch bei uns gibt es Blumen und auch Frauen sind in unserer Innenstadt unterwegs“, so Abraham weiter. „Für das Schöne in Rehau gibt es sicherlich auch den einen oder anderen Bewunderer, weshalb es nur richtig ist, dieses Gedicht in der Mitte unserer Stadt zu präsentieren.“

Diese Gendersprache und politische Korrektheit, das hat eigentlich mit diesem Gedicht, meine ich, gar nichts zu tun.

Eugen Gomringer, Dichter

In der vergangenen Woche hatte der Akademische Senat der Alice Salomon Hochschule beschlossen, das aus dem Jahr 1951 stammende Gedicht übermalen zu lassen. Die Studentenvertretung der Hochschule hatte moniert, „avenidas“ könne Frauen gegenüber als diskriminierend aufgefasst werden. Dabei geht es vor allem um den Satz: „Alleen und Blumen und Frauen und ein Bewunderer“. Damit würden Frauen, so die Kritiker, zum Objekt männlicher Bewunderung degradiert. Von dem Gedicht fühlten sich die Studenten zudem „unangenehm an sexuelle Belästigung“ erinnert, der Frauen alltäglich ausgesetzt seien.

Kulturelle Barbarei

Sowohl international als auch in Deutschland war diese Entscheidung heftig kritisiert worden. Der Deutsche Kulturrat, Spitzenorganisation von 250 Bundeskulturverbänden, reagierte „erschüttert“. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sprach von einem „erschreckenden Akt der Kulturbarbarei“, und erklärte, durch die Entscheidung der Hochschule, das Gedicht übermalen zu lassen, gehe es mittlerweile „um unser Verhältnis zur Kunst insgesamt: um die Frage, wo jene Diktatur des Zeigbaren beginnt, die die Kunst zur politischen Erfüllungsgehilfin degradiert“.

Gomringer selbst hatte die Entscheidung der Berliner Hochschule ebenfalls kritisiert. „Das ist ein Eingriff in die Freiheit von Kunst und Poesie“, sagte der 93-Jährige. Es komme ihm vor, als wolle man eine ganze Lyrikreihe und Kunst „wegsäubern“ und ein Stück Freiheit wegnehmen. Er habe den Eindruck gewonnen, dass hier eine gewisse Dummheit eine Rolle spiele. „Diese Gendersprache und politische Korrektheit, das hat eigentlich mit diesem Gedicht, meine ich, gar nichts zu tun.“

Heimat in Franken

Die Idee, das Gedicht in Rehau großflächig anbringen zu lassen, sei kürzlich auf dem 93. Geburtstag Gomringers entstanden, er habe sich mit dem Dichter eng abgestimmt, sagte Rehaus Bürgermeister Abraham. Im Frühjahr sollen die Arbeiten an der Fassade des Museums beginnen. Wenn dann das Gedicht an der Mauer prangt, will der Bürgermeister auch zu einer kleinen Feierstunde bitten.

Der in Bolivien geborene Gomringer lebt seit 1976 in Rehau (Landkreis Hof) und gründete dort im Jahr 2000 das Institut für Konstruktive Kunst und Konkrete Poesie (IKKP). Im Jahr 1997 wurde die Arbeit von Eugen Gomringer mit dem Kulturpreis der Stadt Rehau gewürdigt und im Jahr 2008 erhielt er den Bayerischen Verdienstorden. Die Alice-Salomon-Hochschule Berlin vergab im Jahr 2011 den Alice-Salomon-Poetik-Preis an Eugen Gomringer. Sein Gedicht „avenidas“ wurde aus diesem Anlass an einer Fassade der Hochschule angebracht.

An dem Gedicht „avenidas“ entzündete sich die „Sexismus“-Debatte um Eugen Gomringer. Hier der Text in deutscher Übersetzung:

„Alleen / Alleen und Blumen / Blumen / Blumen und Frauen / Alleen / Alleen und Frauen / Alleen und Blumen und Frauen und ein Bewunderer“.