Zum Auftakt des Dialogprozesses veranstalteten die Christsozialen einen hochkarätig besetzten Zukunftskongress. Dort wurde deutlich: In einer sich dank Digitalisierung und Globalisierung wandelnden Welt ist die Rückbesinnung auf Heimat und Werte besonders wichtig.
Rasante Veränderungen der Gesellschaft durch Integration
„Wir wollen der Frage nachgehen: Welche gesellschaftlichen Kräfte wirken im Moment? Wo verändert sich die Welt derzeit rasch? Wie können wir sicherstellen, dass alle Menschen sagen: Bayern ist eine gute Heimat, ist unsere Heimat“ – mit diesen Worten eröffnete der CSU-Landtagsabgeordnete Markus Blume den Zukunftskongress. Zusammen mit dem österreichischen Außenminister Sebastian Kurz, dem Soziologen Armin Nassehi von der LMU-München, dem Intendanten des Münchner Volkstheaters Christian Stückl und Ivona Papak vom Bayerischen Integrationsrat diskutierte Blume über das weitreichende Thema „Gesellschaft“, deren rasante Veränderungen durch Integration, Digitalisierung und Globalisierung, und die Antworten, die die CSU mit ihrem neuen Grundsatzprogramm auf all diese Herausforderungen geben will.
Im Lichte großer Flüchtlingsströme und der Debatte um die Rolle des Islam in Deutschland spielte die Integration eine große Rolle in der Diskussion. Österreichs Außenminister Sebastian Kurz – seines Zeichens auch Integrationsminister seines Landes – betonte dabei, wie wichtig es sei, dass neue Bürger die deutsche Sprache beherrschten. „Wirkliche Integration kann nur durch Spracherwerb, Beteiligung und den Respekt für die Grundwerte der Gesellschaft erzielt werden“, stellte Kurz fest. Ein Beispiel für gelungene Integration saß gleich neben Kurz auf der Bühne: Ivona Papak, die mit 15 Jahren als sogenannter unbegleiteter Flüchtling nach Deutschland kam und heute als Erzieherin im Sozialbereich arbeitet, sagte: „Ich bin in Bosnien geboren, aber ich komme aus Franken.“ Die Tatsache, dass sie als Mitglied des Bayerischen Ingetrationsrates heute hier auf der Bühne sitze, zeige für sie die erfolgreiche Integrationspolitik Bayerns und der CSU.
Eine weltoffene Gesellschaft funktioniert nicht ohne Bindekräfte und gemeinsame Bezugspunkte.
Markus Blume
Markus Blume bekräftigte, Deutschland müsse eine offene Gesellschaft bleiben. Dabei sollten aber auch christliche Werte und der Begriff der Heimat wieder eine stärkere Rolle spielen. „Eine weltoffene Gesellschaft funktioniert nicht ohne Bindekräfte und gemeinsame Bezugspunkte“, so Blume. Wichtig sei hier, die eigene Gesellschaft kritisch zu reflektieren. Mit Blick auf die Diskussionen um Mohammed-Karikaturen müsse man sich fragen, wie weit Meinungsfreiheit gehen dürfe und müsse. Die Debatte um das Karlsruher Kopftuch-Urteil werfe die Frage auf, wie man den Begriff Religionsfreiheit auslege. „Eine offene Gesellschaft ist bedroht, wenn sie die falschen Freunde hat“, so Blume. Viele derer, die im Namen der offenen Gesellschaft unterwegs sind, seien eigentlich ihre Feinde. „Dazu zählen für mich die Aktivisten von Blockupy genauso wie alle, die für das Kopftuch streiten, aber eigentlich eine andere, nicht freiheitliche Gesellschaftsordnung wollen“. Denn die großen gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahre, von zunehmender Individualisierung, neuer Jugendkultur und veränderten Lebenswirklichkeiten bis hin zu Migration und Integration, werfen viele Fragen auf. „Die offene Gesellschaft darf nicht mit Beliebigkeit verwechselt werden“, befand Blume.
Integration betriff alle – nicht nur die Migranten
Ins gleiche Horn stieß Armin Nassehi: „Wir tun immer so, als ob Integration nur Migranten betreffen würde. Sie betrifft aber uns alle“, betonte der Münchner Soziologie-Professor. Es sei unheimlich schwer, seinen Platz in der Gesellschaft zu finden. „Überlegen Sie sich einmal, was sich allein in den letzten 50 Jahren bewegt hat. Diese Veränderung wird in den kommenden Jahren rasant an Fahrt gewinnen“, stellte Nassehi fest.
Gerade da sei ein stabiles Wertefundament wichtig, befand Ivona Papak. „Es ist schwer, sich in eine Gesellschaft zu integrieren, die keine klaren Konturen hat, die keine klaren Erwartungen definiert, die zu wenige Vorbilder liefert“, sagte sie. Gerade weil sich Bayerns Gesellschaft verändere, müsse Bayern Heimat bleiben.
Ein Problem sahen die Teilnehmer auch in einer ihrer Meinung nach „falsch verstandenen Toleranz“. Markus Blume kritisierte etwa die Entscheidung, Sankt-Martins-Umzüge in Lichterfeste umzubenennen. „Diese Veränderungen sind nicht von muslimischer Seite betrieben worden, sondern von Menschen, die denken, die Preisgabe eigener Traditionen sei gelebte Toleranz.“ Das jüngst verabschiedete österreichische Islamgesetz erfuhr Zuspruch. Die österreichische Regierung hätte mit dem Gesetz grundlegende Spielregeln auch für den Islam bestimmt, befand etwa Armin Nassehi – mit Rechten, aber auch mit Pflichten.
Für Reformierung des Religionsunterrichts
Christian Stückl erzählte unterhaltsam, wie er seine ganz persönliche Integrationsgeschichte bei den Passionsspielen in Oberammergau erlebte, als er beispielsweise vor Jahren den ersten evangelischen Darsteller im Ort vorschlug. Zudem stieß der Intendant des Münchner Volkstheaters eine Debatte zum Religionsunterricht an, der in seiner derzeitigen Form die Kinder und Jugendlichen im Schulalltag eher voneinander trenne, anstatt die Gemeinschaft zu fördern: „Ich bin klar für den Religionsunterricht an unseren Schulen, nicht dass wir uns hier falsch verstehen. Aber vielleicht sollten wir darüber nachdenken, diesen zu reformieren. Ich habe festgestellt, dass gerade die jungen Menschen viel zu wenig über ihre eigene Religion wissen und noch viel weniger über die anderen.“
Die Grundsatzkommission setzt den Dialog mit drei weiteren Terminen in den kommenden Monaten fort. Dabei stehen stets andere Schwerpunkte im Mittelpunkt der Debatte, bevor die Ergebnisse auf dem Parteitag der CSU im November beraten werden sollen.