Auch über den Einsatz der Bundeswehr im Inland muss neu verhandelt werden. Foto: imago/Christian Mang
Sicherheitspolitik

„Wir müssen die Rolle der Bundeswehr neu bestimmen!“

Gastbeitrag Deutschland wird in der internationalen Sicherheitspolitik mehr Verantwortung übernehmen müssen. Auch im Inland ist die Bundeswehr zunehmend gefordert, wir müssen ihre Rolle neu bestimmen. Unser Militär muss gestärkt, technische sowie personelle Lücken schnellstmöglich geschlossen werden. Zu diesem Ergebnis kommt Florian Hahn. Aus dem Bayernkurier-Magazin.

Am 12. November 2015 feierte der Bundestag das Jubiläum seiner Parlamentsarmee. Die Trommeln des großen Zapfenstreichs klangen noch nach, als im Bundestag wenige Tage später das Mandat zum Syrien-Einsatz im verkürzten Verfahren innerhalb einer Woche verabschiedet wurde. Bis zu 1.200 Soldatinnen und Soldaten werden Frankreich zusätzlich im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat unterstützen. Der Einsatz zeigt uns, dass Deutschland 60 Jahre nach Gründung der Bundeswehr auf immer neue sicherheitspolitische Herausforderungen immer schneller reagieren muss.

Neue Herausforderungen

Nicht nur der Siegeszug der IS-Terrorbanden übt einen nachhaltigen Veränderungsdruck auf die westliche Bündnisgemeinschaft aus. Friedrich II. hat Diplomatie ohne Waffen einst als Musik ohne Instrumente verspottet. In Europa hat man diese Wahrheit, die sich spätestens seit der Ukraine-Krise wieder Geltung zu verschaffen sucht, lange vergessen oder verdrängt. Die Konstellationen im Syrien-Konflikt verdeutlichen uns nun leider zu genau, dass für andere Länder der Befund des Preußenkönigs ein fester Baustein ihrer außenpolitischen DNA ist.

Wir müssen das Verständnis einer ausschließlich reaktiven Rolle, die Deutschland über Jahre des Kalten Krieges verinnerlicht hatte, endlich abschütteln. Die Bundeswehr ist ein elementarer Garant unserer Sicherheit.

Florian Hahn

Militärische Macht ist damit wieder vermehrt Bestandteil der internationalen Politik. Für uns heißt das: Wir müssen das Verständnis einer ausschließlich reaktiven Rolle, die Deutschland über Jahre des Kalten Krieges verinnerlicht hatte, endlich abschütteln. Trotz der Zeit der großen Out-of-Area Einsätze ist dieses noch immer präsent in der deutschen Politik. Das derzeit größte Einsatzmandat in Syrien sollte daher als Weckruf gesehen werden. Die Bundeswehr ist, immer eingebettet zwischen zivilen und politischen Instrumenten im Sinne des vernetzten Ansatzes, ein elementarer Garant unserer Sicherheit. Eine zu reaktive Verwendung militärischer Mittel kann, wie der brutale Vormarsch der IS-Miliz zeigt, auch zur Verschärfung der Lage beitragen. Die Einordnung von Franz Josef Strauß in der Diskussion um die Wiederbewaffnung gilt noch immer: Als „Verantwortungspazifist“ muss man immer auch bereit sein, im äußersten Fall militärisch zu handeln, um Frieden zu garantieren.

Dabei muss Deutschland im Rahmen seiner Bündnisse zu einer seiner Größe und Wirtschaftskraft entsprechende stärkeren Übernahmen von Verantwortung in der Sicherheitspolitik bereit sein. Risiken und Bedrohungen sind im Sinne der vernetzten Sicherheit dort zu begegnen, wo diese entstehen. Die politische, diplomatische und entwicklungspolitische Prävention zur Verhinderung und Ausbreitung von Konflikten gilt es noch viel stärker als bisher zu nutzen. Diese umfassenden sicherheitspolitischen Aufgaben können nur von einer dafür technisch und auch personell voll einsatzfähigen Bundeswehr sichergestellt werden. Darüber hinaus brauchen wir die Fähigkeiten der Bundeswehr auch weiterhin für die Katastrophen- und Amtshilfeeinsätze im Inland, beispielsweise bei Überschwemmungen oder aktuell zur Versorgung von Flüchtlingen.

Deutschland muss zu einer stärkeren Übernahme von Verantwortung in der Sicherheitspolitik bereit sein. Diese Aufgaben können nur von einer dafür technisch und auch personell voll einsatzfähigen Bundeswehr sichergestellt werden.

Florian Hahn

Vor diesem Hintergrund müssen wir die Rolle des Militärs neu bestimmen, das gilt auch für den Einsatz im Inneren. Die Einsatzrealitäten erfordern zudem nicht nur eine kurzzeitig einsetzbare sicherheitspolitische Strategie, sondern klare nationale Festlegungen. Mit der Entscheidung, ein neues Weißbuch zu erstellen, gehen wir diese Aufgabe entschlossen an. Eine regelmäßigere Überprüfung dieser Richtlinien wäre zukünftig allerdings sicherlich zweckmäßig. So würde die Legitimation außenpolitischen Handelns nicht erst bei akuten Bedrohungen überprüft und gewährleistet. Zum anderen widersteht man der Gefahr, dass neue Krisen das Dokument in seiner strategischen Ausrichtung überholen.

Blick nach Europa

Blicken wir auf die Zukunft der Bundeswehr, richtet sich der Blick immer auch nach Europa. Die Idee europäischer Streitkräfte, die gerade auch Franz Josef Strauß vertrat, bleibt so richtig, wie sie alt ist. Heute kann sich kein europäischer Staat eine militärische Autonomie mehr leisten, zehn Jahre rückläufige Wehretats haben ihre Spuren hinterlassen. Die Rechnung ist einfach: Unsere Freiheit ist nicht umsonst, Europa muss zukünftig mehr in seine Sicherheit investieren.

Die Idee europäischer Streitkräfte, die gerade auch Franz Josef Strauß vertrat, bleibt so richtig, wie sie alt ist. Unsere Freiheit ist nicht umsonst, Europa muss zukünftig mehr in seine Sicherheit investieren.

Florian Hahn

Deutschland und Großbritannien haben in diesem Jahr eine Kehrtwende vollzogen und sich für eine Erhöhung ihrer Wehretats entschieden. Angesichts der Verschlechterung der internationalen Sicherheitslage war dieser Schritt nicht mehr nur geboten, er war eine Notwendigkeit. Trotzdem bleiben in Deutschland Engpässe, denn der Zuwachs wird in der Hauptsache durch Steigerungen der Betriebskosten für Personal, Rüstungsgüter und die Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerungen aufgebraucht. Dem finanziellen 2-Prozent-Ziel der NATO, dem sich auch Deutschland verpflichtet hat, kommen wir damit nicht einen Schritt näher. Deshalb muss stärker als geplant investiert werden!

Um in Europa militärisch handlungsfähiger zu sein, müssen wir bereits begonnene militärische Kooperationen mit verschiedenen Partnernationen weiter vorantreiben. Dazu gehört eine Wiederbelebung des Konzepts struktureller Zusammenarbeit in Ausbildung und Fähigkeiten mit Bündniskräften. Eine zunehmende Europäisierung der Ausstattung unserer Armeen kann zusätzlich Ressourcen effizient nutzen. Bei der Beschaffung moderner Waffensysteme sind die möglichen Synergien noch lange nicht ausgeschöpft.

Alle notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellen

Mehr Engagement hat weitreichende Konsequenzen auf den Umfang und die Ausstattung unserer Streitkräfte. Die Soldatinnen und Soldaten, aber auch die zivilen Beschäftigen der Bundeswehr müssen sich darauf verlassen können, dass ihnen alles an notwendigen Ressourcen zur Verfügung gestellt wird, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Ausbildung und Ausstattung sind und bleiben dabei Kern von echter Einsatzbereitschaft.

Mit Blick auf die sicherheitspolitische Lageveränderung, zunehmender internationaler Verpflichtungen und der Veränderung beim Arbeitsschutz ist die Bundeswehr personell stark unter Druck und verfügt über kaum noch Reserven. Dem kann nur mit einem höheren Personalklarstand und im Zweifel einer flexiblen Personalobergrenze begegnet werden. Die wichtige Amtshilfe im Zuge der Flüchtlingshilfe führt zusätzlich zu großen Belastungen und kann nicht auf Dauer angelegt sein. Mittelfristig muss sich die Truppe wieder auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können.

Die aufgrund von Sparauflagen und zusätzlichen Aufgaben entstandenen materiellen Lücken müssen schnellstmöglich geschlossen werden. Die ausreichende Bevorratung und Bereitstellung von Ersatzzeilen, Waffen und Munition gilt es noch in dieser Legislaturperiode vertraglich zu verankern.

In ihrem 60-jährigen Bestehen war die Bundeswehr gemeinsam mit Verbündeten und Freunden an zahlreichen friedensschaffenden und friedenswahrenden Aufgaben beteiligt. Oft ist es das Militär, das erst die Rahmenbedingungen für Entwicklungsarbeit ermöglicht.

Florian Hahn

Insgesamt lässt sich sagen, dass unsere strategische Sicherheitsarchitektur immer nur so gut ist, wie die Bauteile, aus denen sie sich zusammensetzt. Bundesverteidigungsministerin von der Leyen hat zu Recht daran erinnert, das Wegschauen auch in Zukunft keine Option für uns sein wird. In ihrem 60-jährigen Bestehen war die Bundeswehr gemeinsam mit Verbündeten und Freunden an zahlreichen friedensschaffenden und friedenswahrenden Aufgaben beteiligt. Oft ist es das Militär, das erst die Rahmenbedingungen für Entwicklungsarbeit ermöglicht. Unsere Investitionen in die Bundeswehr sind deshalb auch Investitionen in eine sicherere Zukunft.

Deshalb muss 2016 das Jahr der Entscheidungen für die Bundeswehr werden. Wenn Deutschland mehr Verantwortung in der internationalen Sicherheitspolitik übernimmt, müssen auch unsere Streitkräfte gestärkt werden.

Der Autor Florian Hahn

ist seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages, seit 2014 als Sprecher der CSU-Landesgruppe für Auswärtiges, Verteidigung, Angelegenheiten der Europäischen Union, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Menschenrechte und Humanitäre Hilfe. Zudem leitet der gebürtige Münchener den CSU-Arbeitskreis Außen-, Sicherheits- und Europapolitik (ASP).

Aktuelle Pläne: Mehr Geld für die Bundeswehr

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen will die Bundeswehr im Zuge ihres geplanten Milliardenprogramms vor allem mit Panzern und Hubschraubern aufrüsten. Im Vergleich zur bisherigen Planung von 2011 sollen insgesamt 268 zusätzliche Kampf-, Transport- und Spähpanzer beschafft werden. Zudem soll die Truppe 59 schwere Transporthubschrauber und 6 Marine-Hubschrauber hinzubekommen. Insgesamt will von der Leyen in den nächsten 15 Jahren 130 Milliarden Euro in die Ausrüstung der Bundeswehr investieren. Die Ministerin zeigte sich zuversichtlich, dass sie bei Finanzminister Wolfgang Schäuble eine entsprechende Erhöhung des Wehretats durchsetzen kann. „Wir leben inzwischen von der Substanz“, sagte von der Leyen. Es gebe einen gewaltigen Modernisierungsbedarf, und es kämen immer wieder neue Aufgaben hinzu. „Wir wollen das Land nicht im Stich lassen. Wir wollen diese Aufgaben auch bewältigen, aber wir müssen dafür die richtige Ausstattung haben.“ Bereits bekannt war, dass die Zahl der Kampfpanzer „Leopard 2“ von 225 auf 320 und die Zahl der Transportpanzer von 1170 auf 1300 erhöht werden soll. Zusätzlich soll die Bundeswehr von den Spähpanzern „Fennek“ 248 statt 217 erhalten. Zudem sollen der Truppe 101 statt 89 Panzerhaubitzen 2000 zur Verfügung gestellt werden. Bei den Schützenpanzern gibt es eine Option, neben 342 neuen „Pumas“ 196 der alten „Marder“-Modelle beizubehalten. Bei Flugzeugen und Schiffen sind bisher keine wesentlichen Änderungen geplant. Die Milliarden sollen aber auch für kleinere Rüstungsprojekte wie etwa die Anschaffung von Schutzwesten oder Nachtsichtbrillen ausgegeben werden.