Angriffe aus dem Internet bedrohen auch Deutschland. (Foto: Imago/epd-bild/Annette Zoepf)
Sicherheitspolitik

Studienziel: Hacker-Jäger

Gastbeitrag Deutschland rüstet sich gegen Angriffe aus dem Internet. Ein zentraler Baustein der virtuellen Verteidigung ist der neu geschaffene Studiengang „Cyber Studies“ an der Universität der Bundeswehr in Neubiberg bei München.

Gesucht sind Nerds und Geeks, Persönlichkeiten mit außerordentlicher Intelligenz, intellektueller Risikobereitschaft und der Fähigkeit, altbekannte Denkgewohnheiten zu durchbrechen. So oder so ähnlich könnte das Studentenprofil für den neuen internationalen Masterstudiengang an der Universität der Bundeswehr in Neubiberg lauten. Hier, im Herzen Bayerns, hat man eines frühzeitig erkannt: Die Digitalisierung ist nicht nur in jeden Winkel unseres Alltags eingedrungen, sie macht uns auch zunehmend verletzlicher. Bereits seit 2013 vereint das Forschungszentrum CODE der Uni daher Wissenschaftler und Experten, um die Forschung im Cyberraum voranzutreiben. Dieser Fokus lohnte sich: Das Verteidigungsministerium hat entschieden, das Forschungszentrum massiv auszubauen. Nun sollen hier ab 2018 bis zu 70 Studenten jährlich lernen, wie wir beispielsweise auf Hacker-Angriffe effizienter reagieren können.

Bundeswehr wird cyber-fähig

Die Einrichtung des Studiengangs „Cyber Studies“ ist mit elf Professuren dabei Teil der Neuaufstellung der Bundeswehr im Cyberraum. Im Tagesbefehl vom 26. April verkündete die Verteidigungsministerin weitgehende Maßnahmen, um sich besser gegen mögliche Attacken zu wappnen. Der Fokus war zunächst organisatorischer Natur: So soll zum einen die Abteilung Cyber/IT im Ministerium mit einem zivilen Leiter als „Cyber-Architekt“ entstehen. Zudem wird in den Streitkräften ein sechster militärischer Organisationsbereich mit einem eigenen Inspekteur geschaffen. Daneben geht es aber maßgeblich um den Aufbau eigener Cyberfähigkeiten. Beim Ringen um den nötigen spezialisierten Nachwuchs, nicht zuletzt mit der Industrie, setzt die Bundeswehr auf drei Schienen: eigene Ausbildung, gesonderte Karrieremöglichkeiten und stärkere Einbindung von Reservisten. Mit der Einrichtung des Studiengangs soll hierfür eine eigene Ausbildungsstätte entstehen.

Langfristig gesehen kann dies aber nur der erste Schritt sein: In München sollen vielmehr die Kapazitäten in den Bereichen Cyberkriminalität, Cyberterrorismus, Cyberattacken und Cyberkriegsführung massiv ausgebaut werden. Um das zu erreichen, müssen wir eigene Kompetenzen aufbauen. Wir müssen Cyber-Security-Cluster bilden, bei denen Forschung, Militär, Wirtschaft, Industrie und Behörden eng zusammenarbeiten. Bereits Franz Josef Strauß wusste, wie wichtig eigene Fähigkeiten sind. Es war schließlich der frühere Ministerpräsident, der sich konsequent für den Wiederaufbau einer eigenen Luft- und Raumfahrtindustrie einsetzte. Damals erforderte seine Idee einen visionären Weitblick, beurteilten doch viele eine europäische Luftfahrt – genau wie später seine Entscheidung in die Raumfahrttechnik und in die Raumfahrtindustrie einzutreten – als chancenlos. Das Gegenteil war der Fall: Bayern wurde zur Wiege der europäischen Luftfahrt.

Top-Gun-Feeling an der Uni

Dieser Innovationsdurst, den man damals empfand, ging nie verloren. In München und Umgebung ist über die Jahre nicht nur eine lebendige Wissenschaftslandschaft entstanden, vielmehr hat sich hier ein Hightech-Ökosystem mit Spitzenforschung, Unternehmen, Existenzgründerzentren und Risikokapitalgebern gebildet. Auch der Ludwig-Bölkow-Campus, vor knapp drei Jahren gegründet, befindet sich ganz in dieser Tradition. Am Technologiestandort Ottobrunn wurde der Ausbau des Innovationscampus massiv vorangetrieben. So herrscht beispielsweise seit letztem Jahr Top-Gun-Feeling beim dualen Bachelor-Studiengang „Aeronautical Engineering“, der in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr Universität eingeführt wurde. Daneben wird unter anderem mit der Produktion von Biokerosin und chemischen Wertstoffen aus Algen für eine grünere Zukunft geforscht.

Mittlerweile sind Hacker-Attacken auf kritische Infrastrukturen auch bei uns fast alltäglich.

Florian Hahn

Mit Zukunftstechnologien befasst sich auch der neue Masterstudiengang „Cyber Studies“. Es wird darum gehen, Spitzenforschung im Bereich „Cyber Defence und Smart Data“ zu betreiben und sich weltweit mit anderen Institutionen zu vernetzen. Daneben soll das Forschungszentrum aber auch zu einem Kulturwandel in unserer Wahrnehmung von Sicherheit und der Verteidigung dieser beitragen. Durch Beratung des Verteidigungsministeriums und der Industrie sowie Austausch und Analyse von sicherheitskritischen Angriffen soll das Forschungszentrum unsere Verteidigungsfähigkeit im Cyberraum schärfen. Denn mittlerweile sind Hacker-Attacken auf kritische Infrastrukturen auch bei uns fast alltäglich. Wie anfällig wir sind, zeigte sich erst im letzten Jahr: Die Hacker waren tief in die IT-Infrastruktur des Deutschen Bundestages eingedrungen, vertrauliche Nachrichten, Terminkalender und Adressverzeichnisse wurden entwendet. Dieses Beispiel zeigt, dass Cybersicherheit mittlerweile auch zur Achillesferse Deutschlands geworden ist.

Digitales Leuchtturmprojekt

Wie sehr sich die Qualität der Bedrohung durch mögliche Cyberattacken verändert hat, spiegelt sich auch im neuen Weißbuch wider. Im alten Sicherheitskonzept von 2006 spielte der Cyberspace als eigene Domäne noch keine Rolle, in der künftigen Version wird ihm jedoch eine zentrale Position zugeordnet. Es ist insgesamt deutlich geworden, dass wir heute ein lebendiges Bewusstsein für unsere Verletzlichkeit und mögliche Gefahren brauchen. Das gilt für die Bundeswehr, aber auch für Ministerien, Abgeordnetenbüros und Unternehmen. Noch sind wir im Lernprozess, wie wir richtig darauf reagieren können. Hier kann und muss CODE eine zentrale Rolle spielen. Der digitale Nukleus, der mit dem Forschungszentrum und den Rahmenbedingungen in München entsteht, hat dabei das Potenzial zum europäischen Leuchtturmprojekt in Sachen Cybersicherheit zu werden. Dabei sollten wir uns an nicht weniger als an dem Weitblick von Strauß messen lassen: Damals air-minded, heute Cyber-minded!

Florian Hahn ist verteidigungspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag.