Bayern hat die Zahl seiner Abschiebungen zwischen Januar und November verdreifacht. Foto: imago/Eibner Europa
Flüchtlingspolitik

IS in Besitz von echten Passdokumenten

Die Warnung der EU-Grenzschutzagentur Frontex vor Gefahren wegen gefälschter oder gestohlener Pässe ruft in Deutschland Innenpolitiker von Union und SPD auf den Plan. Auch die Polizeigewerkschaft warnt vor Flüchtlingen, die unkontrolliert ohne erkennungsdienstliche Behandlung nach Deutschland einreisen. Sorge macht auch die hohe Belastung der Polizisten.

Kurz vor den Weihnachtsfeiertagen warnt die europäische Grenzschutzagentur Frontex vor mutmaßlichen Terroristen, die mit gefälschten Pässen nach Europa einreisen wollen. Wie die Welt am Sonntag berichtet, habe die Terrormiliz IS in Syrien, dem Irak und in Libyen mehrere zehntausend Originalpässe erbeutet. „Die großen Ströme von Menschen, die derzeit unkontrolliert nach Europa einreisen, stellen natürlich auch ein Sicherheitsrisiko dar“, so Frontex-Chef Fabrice Leggeri. Wie realistisch es ist, dass Terroristen als Flüchtlinge getarnt nach Europa kommen, zeigen die Anschläge in Paris. Zwei der Attentäter waren in Griechenland als vermeintliche Flüchtlinge registriert worden.

Union und SPD für strengere Kontrollen

Unter diesem Gesichtspunkt fordern Politiker von Union und SPD, strengere Kontrollen der ankommenden Flüchtlinge. Die im Dezember vereinbarte Rückkehr zur Einzelfallprüfung syrischer Flüchtlinge müsse „schnellstens“ verwirklicht werden, fordert Ansgar Heveling (CDU) gegenüber der Funke Mediengruppe. Dieser Forderung schloss sich auch Burkhard Lischka (SPD) an. Aufgabe der europäischen Sicherheitsbehörden sei es zudem, „möglichst schnell die Seriennummern der gestohlenen Pässe zu ermitteln“, so Lischka.

Wir brauchen in Europa eine schnellstmögliche, lückenlose Registrierung aller Menschen, die hier ankommen.

Ansgar Heveling, CDU

Auch der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) und der Gewerkschaft der Polizei (GdP) macht diese Entwicklung Sorgen. Und nicht nur das – denn auch die Personaldichte der Einsatzkräfte ist problematisch. Die Mehrarbeit durch die Flüchtlingskrise und die Wiedereinführung der Grenzkontrollen, das alles macht den ohnehin schon knapp besetzen Behörden schwer zu schaffen. 1,7 Millionen Überstunden haben die Beamten in den Grenzregionen bisher angehäuft.

Nach Ansicht von Jörg Radek, stellvertretender GdP-Vorsitzender, ist die Bundespolizei „nicht in der Lage, den ihr obliegenden Auftrag der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung an der deutsch-österreichischen Grenze in der gesetzlich gebotenen Weise wahrzunehmen“, heißt es in einem Brief von Anfang Dezember an Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Ein besonders großes Problem stellt die Sicherung der Bahnhöfe dar. Denn die Bahn ist ein Massenverkehrsmittel, das nach wie vor auch von vielen Flüchtlingen genutzt wird. Doch 33.000 Kilometer Schienennetz und rund sechs Millionen Reisende pro Tag sind kaum zu kontrollieren. Nach Angaben der Deutschen Bahn sind jeden Tag 3700 eigene Sicherheitsleute sowie 5500 Bundespolizisten im Einsatz.

Nach Angaben von Jörg Radek wurden „lediglich zehn Prozent der Flüchtlinge kontrolliert.“ Dies bedeutet im Umkehr Schluss, dass die deutschen Behörden von 90 Prozent der Flüchtlinge nicht mit Sicherheit sagen können, wer sie sind, woher sie kommen, aus welchem Grund sie einreisen und ob es sich bei ihnen überhaupt um Flüchtlinge handelt. Eine unhaltbare Situation, die Radek in seinem Schreiben an die Bundeskanzlerin als „staatsgefährdend“ bezeichnet.

Nichts können ausgeschlossen werden

Auch der Bundesregierung ist bewusst, dass sich unter den ankommenden Flüchtlingen Kriminelle und Terroristen befinden können. Dass diese Personen mit gefälschten Papieren nach Deutschland einreisen, sei nicht auszuschließen.

Angesichts der hohen Zahl derzeit aufgenommener Migranten ist grundsätzlich nicht auszuschließen, dass sich unter diesen beispielsweise Personen aus dem Bereich der Allgemeinkriminalität, Kriegsverbrecher, Mitglieder militanter Gruppen beziehungsweise terroristischer Organisationen oder Einzelpersonen extremistischer Gesinnung befinden könnten, welche den aktuellen Migrantenstrom nutzen, um nach Deutschland zu gelangen.

Stellungnahme des Bundesinnenministeriums auf Anfrage „Die Welt“

André Schulz, Vorsitzender des Bund der Kriminalbeamten (BDK), sieht vor allem in den von der IS gestohlenen echten Passdokumenten ein schwerwiegendes Problem. Bereits vor der Flüchtlingswelle hat es für Terroristen Möglichkeiten gegeben, ohne Grenzkontrollen in die EU einzureisen – denn, wer suchte, fand dazu einen Weg. Doch nun besteht Gefahr, dass diese mit echten Dokumenten die Grenzen passieren. Zudem geht man beim BDK davon aus, dass der IS sich Maschinen zur Herstellung von Pässen besorgt hat.

„Für die Experten der Bundespolizei und der bayerischen Grenzfahndung ist es nicht besonders kompliziert, gefälschte Dokumente zu erkennen“, so Schulz in Die Welt. „Ein Problem ist es aber, wenn gefälschte Papiere mit den echten Druckmaschinen im ausstellenden Land hergestellt wurden, weil diese zum Beispiel von Terroristen erbeuten wurden oder die Person gezielt von einer Regierung eingeschleust werden soll.“

Natürlich können auch Grenzkontrollen nicht für eine umfassende Sicherheit garantieren. Denn nach Schätzungen der GdP führen nur rund 30 Prozent der Flüchtlinge, die über Österreich einreisen, einen Pass oder andere Dokumente mit sich. Zwar haben die technischen Möglichkeiten nach Jörg Radeks Einschätzung die Arbeit der Beamten vereinfacht – doch ein weiterer Anstieg der Flüchtlingszahlen sei schon rein personaltechnisch nicht zu verkraften.

Vermehrte Abschiebungen

Für dringend notwendig hält Rainer Wendt, Vorsitzender der DPolG, daher die Einführung eines Flüchtlingsausweises. „Die zentralen Erfassungsdatei sind wichtige Elemente, damit wir einen Überblick bekommen“, so Wendt.

Viele von ihnen fliehen vor dem IS – und jetzt versucht die Terrormiliz sie zu diskreditieren.

Jörg Radek, stellvertretender GdP-Vorsitzender

Weiterhin sei eine Einigung mit anderen EU-Ländern zwingend notwendig, damit nur noch registrierte und namentlich bekannte Menschen einreisen können, so auch Jörg Radek von der GdP.

Derweil ist die Zahl der Abschiebungen im ganzen Bundesgebiet weiter angestiegen. Bis Ende November waren es nach Angaben des Bundesinnenministeriums 18.363 Fälle. Zum Vergleich: Im ganzen Jahr 2014 waren es 10.884 Abschiebungen. In Bayern hat sich die Zahl der Abschiebungen zwischen Januar und November sogar verdreifacht – von 1007 auf 3643. Auch in Hessen und Baden-Württemberg sind die Zahlen deutlich gestiegen.