Wie blicken die Deutschen in die Zukunft? Mit dieser Frage hat sich das Meinungsforschungsinstitut GfK in seiner neusten Studie auseinander gesetzt. Das Ergebnis: Die „German Angst“ ist zurück. Gegenüber dem vergangenen Jahr konnten die Forscher eine starke Stimmungsschwankung verzeichnen. Ganze 55 Prozent der Befragten blicken angsterfüllt in die Zukunft. 2014 waren es nur 31 Prozent.
Besonders hoch ist der Wert bei den Menschen ab 55 Jahren. Von ihnen stimmten 64 Prozent der Aussage „Ich blicke angstvoll in die Zukunft“ zu. Doch die Studie zeigt auch, dass immer mehr jüngere Menschen Angst vor der Zukunft haben. In der Alterssparte der 14- bis 34-Jährigen sind dies 42 Prozent. Damit hat sich der Wert sei 2013 (19 Prozent) mehr als verdoppelt.
Auf der Suche nach den Ursachen
Die Gründe für die Angst wurden in der Studie nicht abgefragt. Doch Ulrich Reinhardt, wissenschaftlicher Leiter der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen in Hamburg, hat eine Vermutung.
Die gegenwärtige humanitäre Krise und die zunehmende Angst vor Terroranschlägen hat die Bevölkerung tief verunsichert und lässt sie an einer positiven Zukunft zweifeln.
Ulrich Reinhardt
Der anhaltende Flüchtlingsstrom oder die Anschläge in Paris nehmen den Menschen den Glauben an eine positive Zukunft. Zudem gehen sie davon aus, dass im Zuge des Streites um den Umgang und die Verteilung der Flüchtlinge Europa immer mehr auseinandertriften wird.
Wie sehr die Flüchtlingskrise die Menschen derzeit beschäftigt, zeigt auch der Deutschlandtrend des ARD-Morgenmagazins. Danach sind 42 Prozent der Befragten zufrieden mit dem Umgang von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit der Flüchtlingskrise. Im Vergleich zu Anfang November hat sich damit der Haltung der Bürger zu ihrer Flüchtlingspolitik um drei Prozentpunkte verbessert.
Doch mehr als die Hälfte der Befragten zweifeln an Merkels Flüchtlingspolitik. 33 Prozent gaben an „wenig zufrieden“ zu sein, 24 Prozent sind „gar nicht zufrieden“ mit der Haltung der Kanzlerin.
Ein Jahr voller dramatischer Zahlen
Wie sehr die Flüchtlingskrise das Jahr 2015 beeinflusst hat, zeigen auch die Zahlen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR. Weltweit seien 20,2 Millionen Menschen auf der Flucht.
Flucht und Vertreibung prägen unsere Zeit.
António Guterres, UN-Flüchtlingskommissar
Damit ist seit 1992 erstmals die 20-Millionen-Marke überschritten worden. Auch habe sich die Zahl der Binnenvertriebenen um zwei Millionen auf geschätzte 34 Millionen Menschen erhöht. Doch diese Zahlen erfassen nur die Flüchtlinge aus Ländern, in denen der UNHCR tätig ist. Die tatsächlichen Flüchtlingszahlen sind wohl noch deutlich höher.
Auch die Macher der Studie „Die Flüchtlingskrise als Chance“ der Roland-Berger-Stiftung setzt sich mit den Auswirkungen der Flüchtlingskrise auseinander. Die Macher der Studie unter dem Vorsitz von Burkhard Schwenker kommen zu dem Schluss:
Es gibt keine einfachen Lösungen. Wir sind optimistisch und glauben, dass wir in Deutschland alle Voraussetzungen dafür mitbringen, die Integration erfolgreich zu gestalten.
Burkhard Schwenker
Wie genau diese Lösung aussehen soll, darauf gehen sie nicht ein. Sie rechnen aber damit, dass bis zum Jahr 2020 vier Millionen Flüchtlinge nach Deutschland kommen werden. Aufgrund einer besseren Sicherung der Außengrenzen sowie Absprachen mit den Herkunfts- und Transitländern, rechnen sie ab Mitte kommenden Jahres mit einem spürbaren Rückgang des Flüchtlingsstroms.
„Ab 2017 kalkulieren wir außerdem mit Flüchtlingskontingenten, die die Flüchtlingszahl in diesem Jahr um etwa 20 Prozent und in den Folgejahren um etwa 30 Prozent reduzieren dürfte“, so Tobias Raffel, Vorstand der Roland-Berger-Stiftung.
Damit die Integration gelinge, dazu müsse nach Ansicht der Forscher auch die Wirtschaft beitragen. „Ohne Wirtschaftswachstum kann diese Integration nicht gelingen. Gute Integrationspolitik ist deshalb auch immer gute Wirtschafts- und Wachstumspolitik“, so Burkhard Schwenker.
Neben der Flüchtlingspolitik ist die Wirtschaft das Thema, das die Deutschen aktuell am meisten umtreibt. Fast 80 Prozent sind der Meinung, dass sich die wirtschaftlichen Probleme – auch wegen der Flüchtlingskrise – vergrößern werden. Am pessimistischsten ist dabei die Gruppe 35- bis54-Jährigen. „Besonders die Erwerbstätigen erwarten zusätzliche Belastungen und fürchten, ihren Lebensstandard nicht halten zu können“, so Ulrich Reinhardt.
Wahlverhalten spiegelt Stimmung wieder
Wie sorgen voll die Menschen in ganz Europa in diesen Tagen in die Zukunft blicken, das haben auch die jüngsten Wahlergebnisse gezeigt. „Der Rechtstrend bei Wahlen in Polen, Frankreich, Ungarn, Österreich, Schweden, Großbritannien, Dänemark oder der Schweiz zeigt in ganz Europa die große Verunsicherung der Bevölkerung, die Angst um den eigenen Wohlstand hat, sich vor Überfremdung fürchtet und nationale Interessen in den Vordergrund stellt“, sagt Reinhardt.
Zudem sei das Vertrauen in die Politiker auf einem neuen Tiefpunkt angekommen. „Durch alle Gesellschaftsschichten hindurch zieht sich eine große Unzufriedenheit mit den gegenwärtigen Volksvertretern.“