Zweiter Bürgermeister Münchens und als Wirtschaftsreferent verantwortlich für das Oktoberfest: Josef Schmid. (Bild: Imago)
Josef Schmid

Der Chef der Wiesn

Münchens Zweiter Bürgermeister Josef Schmid leitet das Referat für Arbeit und Wirtschaft – und ist in dieser Funktion auch Chef der größten Volksfestes der Welt. Im Interview aus dem aktuellen BAYERNKURIER-Magazin spricht der CSU-Politiker über die Wiesn, seinen Lieblingsplatz auf dem Fest und die Zusammenarbeit mit der SPD im Münchner Stadtrat.

Noch bis Ende dieser Woche findet in München das 182. Oktoberfest statt. 12.000 Menschen arbeiten auf der „Wiesn“, die städtischen Kassen freuen sich über Einnahmen von knapp einer Milliarde Euro. Andreas von Delhaes-Guenther sprach mit Münchens Zweitem Bürgermeister Josef Schmid über sein Amt als Wirtschaftsreferent – und damit als „Chef der Wiesn“.

 

Die Preise einer Wiesnmaß liegen heuer generell über 10 Euro. Überhöhte Bierpreise haben in Bayern schon etliche Revolutionen ausgelöst, 1844 (Bierpreiserhöhung nur um einen Pfennig), 1888, 1907 (Bamberger Bierkrieg) und zuletzt 1995 (Waldwirtschaft). Haben Sie keine Angst, als Wiesnreferent und Teil der Städtischen Ordnung von einem solchen Aufstand hinweggefegt zu werden?
Josef Schmid: (Lacht) Die Preise legen ja bekanntlich nicht die Stadt, sondern allein die Wiesnwirte fest. Die Stadt kann nur bei einer völligen Überhöhung der Preise einschreiten. Daher würden eher die Wirte von einer Revolution hinweggespült. Die Chancen stehen aber ganz gut, dass die Besucherinnen und Besucher des Oktoberfests das gute Münchner Bier eher in sich hineinspülen werden, als andere hinweg zu spülen. Es wäre nicht die erste Revolution, die hierzulande der Gemütlichkeit zum Opfer fiele. Und das ist auch gut so. Die Geschichte lehrt uns ja, dass Revolutionen selten glimpflich ausgehen.

Was ist auf der aktuellen Wiesn sonst anders, was ist neu?
Schmid: Eventuell erleben wir heuer die Novität, dass Dieter Reiter beim Anzapfen der ersten Maß nicht fluchen wird (Anm. d. Red.: Das Interview wurde vor dem Wiesnstart geführt). Auf jeden Fall neu ist, dass es für die Münchnerinnen und Münchner an den Samstagen, Sonn- und Feiertagen eine Reservierungsmöglichkeit zwischen 12 und 15 Uhr geben wird – und zwar ohne Mindestverzehr.

Ich finde es toll, dass sich die Wirte am ‚Einheimischen-Modell‘ beteiligen.

Wir wollen dieses Jahr mal ausprobieren, ob und wie stark dieses Angebot angenommen wird. Ich finde es toll, dass sich die Wirte an diesem freiwilligen „Einheimischen-Modell“ beteiligen. Natürlich gibt es darüber hinaus auch dieses Jahr wieder viele neue Attraktionen auf der Wiesn. Beispielsweise die Konga XXL-MEGA-SCHAUKEL, die weltweit höchste und schnellste ihrer Art. Oder das „Daemonium“, die weltweit größte mobile Geisterbahn. Dort lässt sich’s mindestens genauso gut gruseln wie in den letzten Jahren mit Rot-Grün. Für alle, die es etwas familiärer, trachtiger und traditioneller mögen, ist die Oide Wiesn genau das Richtige. Die pausiert nächstes Jahr wegen des zentralen Landwirtschaftsfestes, also sollte man sich heuer die Chance eines Besuchs nicht entgehen lassen.

Wie oft wird man Sie selbst auf der Wiesn sehen?

Schmid: Ich bin regelmäßig täglich auf der Wiesn – sowohl in meinem Büro im Servicezentrum Theresienwiese als auch zu Fuß auf dem Festgelände unterwegs.

Wo ist Ihr Lieblingsplatz auf dem Oktoberfest?

Schmid: Mein Lieblingsplatz ist am Fuß der Bavaria, wenn rund 1.000 Vorschulkinder mit glänzenden Augen anlässlich des Familientages auf den Stufen sitzen. Die Aktion hat die Landeshauptstadt auf Initiative von Vera Rattenhuber, der Leiterin des Hortes Fröttmaning, ins Leben gerufen. Langjährige Partner und Sponsoren der Aktion sind die Schausteller und Marktkaufleute des Oktoberfests sowie die kleinen und großen Wiesnwirte. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle bedanken.

Was macht eigentlich der Wiesnreferent vor und während der Wiesn?

Schmid: Die Wiesn beschränkt sich ja nicht nur auf die ihre 16 Tage, sondern ist ein ganzjähriges Thema. Da ist zum Beispiel die Ausschreibung vorzubereiten, Beschlussvorlagen für den Stadtrat über Bewertungskriterien oder Zulassungen zu fertigen, Abschlussberichte in Zusammenarbeit mit anderen Behörden zu erstellen, der interfraktionelle Arbeitskreis durchzuführen, Gespräche mit Schaustellern, Wirten und anderen städtischen und staatlichen Dienststellen zu führen, die Sicherheitskonzepte fortzuschreiben und vieles mehr. Auch die Vorbereitung von Presseterminen gehört dazu. Während der Wiesn hat der Festleiter ebenfalls spannende Aufgaben: Neben der täglichen Lagebesprechung, bei der alle Informationen zusammengeführt werden, im übrigen auch die des Wetterdienstes über eventuell heraufziehende Unwetter, und zahlreichen Presseterminen gibt es Delegationen aus Brasilien oder China, die begrüßt werden wollen, auch Carabinieri aus Italien oder Polizeikräfte aus Frankreich. Auch Wohltätigkeitstermine kommen hinzu oder das Dirigieren des großen Standkonzerts. Außerdem sehe ich täglich nach dem Rechten, informiere meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort oder werde informiert, rede mit Wirten, Schaustellern und Gästen.

In den letzten Jahren hatte man den Eindruck, die Wiesn wird immer voller. Fühlen Sie sich eigentlich noch wohl in den Menschenmassen?

Schmid: Die Wiesn hat seit einiger Zeit stabile Besucherzahlen von rund 6 Millionen Besucherinnen und Besuchern. Sie wird also nicht voller, sondern ist stabil attraktiv. Nachdem die allermeisten Besucherinnen und Besucher friedlich feiern, fühle ich mich nach wie vor wohl. Für diejenigen, die stören und stören wollen, haben wir ein ausgeklügeltes Sicherheitskonzept, bei dem wir mit der Polizei und den weiteren Sicherheitskräften eng zusammenarbeiten. Ihnen möchte ich an dieser Stelle auch einmal danken für den unermüdlichen Einsatz.

Gibt es eigentlich Zahlen, wie viele Menschen aus dem Ausland und aus anderen Bundesländern zur Wiesn kommen? Welche Länder liegen bei den Gästezahlen vorn?

Schmid: Die überwiegende Mehrheit, 72 Prozent der Oktoberfestbesucher, kommt aus Bayern. 60 Prozent der Besucher kommen aus München, 12 Prozent aus dem übrigen Bayern. Neun Prozent der Wiesn-Gäste reisen aus den übrigen deutschen Bundesländern an. Die restlichen 19 Prozent der Festgäste kommen aus dem Ausland: Von diesen Gästen aus dem Ausland sind 17 Prozent aus Italien, 14 aus den USA, 12 aus England, 11 aus Australien, 9 aus Österreich, 7 aus der Schweiz, 4 aus Frankreich, 3 aus Kanada sowie jeweils 2 aus Irland und Neuseeland.

Sie sind jetzt über ein Jahr Wirtschaftsreferent der Stadt München und Zweiter Bürgermeister. Wie läuft die Zusammenarbeit mit der SPD?
Schmid: Es war ja nicht unbedingt eine Liebesheirat, sondern eher eine Zweckehe. Die Fraktionen arbeiten aber inhaltlich gut zusammen Das anfängliche Fremdeln wird, so habe ich zumindest den Eindruck, immer mehr überwunden. Auch die Zusammenarbeit mit mir und dem OB klappt gut. Wir haben es allerdings immer noch nicht geschafft, uns mal auf ein gemeinsames Bier zu treffen. Aber bis 2020 ist ja noch eine Weile hin, da wird sich schon noch die eine oder andere Gelegenheit ergeben.

Können Sie uns einen Überblick über Ihr Amt geben? Welche Aufgaben haben Sie, welche warten noch?
Schmid: Ich bin ja nicht nur zweiter Bürgermeister dieser Stadt, sondern zugleich auch Leiter des Referats für Arbeit und Wirtschaft (RAW). Ich fand es wichtig, dieses Referat, das sich um die erfolgreiche Münchner Wirtschaft kümmert, selbst zu führen. Denn eine erfolgreiche Wirtschaft begründet den Wohlstand unserer Stadt, der uns wiederum den Spielraum für Investitionen in den Wohnungsbau, den Ausbau der Infrastruktur, den sozialen Ausgleich, die Kulturförderung und viele andere Bereiche gibt. Das Wirtschaftsreferat hat dabei ganz mannigfaltige Aufgaben. Sie reichen von der Europapolitik über die klassische Wirtschaftsförderung, die kommunale Beschäftigungspolitik und Qualifizierung (MBQ), den Tourismus, die Steuerung der städtischen Beteiligungsgesellschaften bis hin zum Fachbereich Veranstaltungen. Diesem Fachbereich Veranstaltungen ist es geschuldet, dass ich nicht nur für die Dulten, den Christkindlmarkt und das Stadtgründungsfest zuständig bin, sondern eben auch für die Wiesn. Aber Wiesn-Chef zu sein, ist nur ein kleiner Teil meines Aufgabenspektrums als Referent. Hauptsächlich geht es mir darum, eine moderne, innovative und sozial ausbalancierte Wirtschaftspolitik für München auf den Weg zu bringen. Das reicht von der Start-Up-Förderung bis hin zur Etablierung eines dritten Arbeitsmarkts für Langzeitarbeitslose.

Die CSU gilt mittlerweile als Motor der Großen Koalition. Was haben Sie in der unter Rot-Grün erstarrten Stadt alles bewegen können?
Schmid: In den ersten zwölf Monaten meiner Amtszeit war es mir und der CSU-Fraktion in der Tat wichtig, erst einmal den Investitionsstau, der unter rot-grün entstanden ist, aufzulösen. Das Programm zu Sanierung der Münchner Schulen, die Wohnungsbauoffensive und der endlich erfolgte Startschuss für den U-Bahn-Ausbau tragen ganz klar unsere Handschrift. Die Einwohnerzahl Münchens wird in den nächsten 20 Jahren rapide wachsen. Auf diese Entwicklung müssen wir unter anderem mit einem massiven Ausbau der Infrastruktur reagieren. Ich bin froh, dass uns das Wahlergebnis vom letzten Jahr die Möglichkeit gegeben hat, bei diesen Entwicklungen nun Taktgeber und Innovationsmotor zu sein. Ich finde übrigens, dass München auch im kulturellen Bereich in der jüngeren Vergangenheit ziemlich erstarrt ist. Als Kulturbürgermeister, der ich ja auch bin, versuche ich auch auf diesem Feld neue Wege zu gehen. Wichtig ist mir dabei, dass Kultur in München nicht nur Hochkultur bedeutet. So setze ich mich auch für Streetart, bezahlbare Probe- und Atelierräume oder die Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft ein. München steht mit Städten wie Berlin im Wettbewerb um die klügsten Köpfe. Auch in diesem Zusammenhang tut neues Denken unserer Stadt sehr gut.

Wo soll der neue Kultursaal Ihrer Ansicht nach hin? Welcher der vier Standorte ist Ihr Favorit?

Schmid: Ich habe mich ja schon vor einiger Zeit für einen Konzertsaal auf dem Gelände des Olympiaparks ausgesprochen. Dort, wo jetzt noch die Eishalle steht. Diese soll durch eine neue Eissporthalle am Standort des ehemaligen Radstadions bzw. der Event-Arena ersetzt werden. Ich halte jedoch auch den Standort auf dem ehemaligen Pfanni-Gelände am Ostbahnhof für sehr geeignet.

Erst kürzlich wurde der dritte Tunnel am Mittleren Ring, am Luise-Kiesselbach-Platz eröffnet. Diese drei Tunnels hat die CSU mit durchgesetzt in einem Bürgerentscheid. Und wieder hat ein SPD-OB das Band zur Eröffnung durchgeschnitten, aus der Partei, die so entschieden gegen die Tunnels gekämpft hat. Alle denken wieder, es sei sein Verdienst und das der SPD. Stört Sie das eigentlich? Wenigstens ein bisschen?
Schmid: (Lacht) Nein, ich bin da ganz gelassen. Die Münchnerinnen und Münchnerinnen wissen schon, wie stark diese drei Tunnels mit der CSU verbunden sind. Jeder muss für sich selbst entscheiden, inwieweit er sich mit fremden Federn schmücken will. Ich persönlich schaue auch mehr nach vorne als zurück. In diesem Sinne mache ich in der Kooperation jetzt Druck, die weiteren Untertunnelungen – zum Beispiel an der Landshuter Allee – anzugehen. Es ist in einer stark wachsenden Stadt wie München ein gutes Rezept, Verkehr unter die Erde zu legen. Das macht stadtplanerisch und ökologisch sehr viel Sinn. Sie sehen: wir arbeiten mit Hochdruck daran, Zukunftskonzepte für München zu entwickeln. Es gibt für mich keine schönere Aufgabe.