Schulschwänzen als Pflichtveranstaltung
Fridays-For-Future: Seit Monaten bleiben Jugendliche am Freitag dem Unterricht fern und demonstrieren für die Klimarettung. In manchen NRW-Schulen ist das jetzt sogar offizielles Programm. Als ob gerade dort die Schulen nichts Besseres zu tun hätten.
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Schulschwänzen als Pflichtveranstaltung

Kommentar Fridays-For-Future: Seit Monaten bleiben Jugendliche am Freitag dem Unterricht fern und demonstrieren für die Klimarettung. In manchen NRW-Schulen ist das jetzt sogar offizielles Programm. Als ob gerade dort die Schulen nichts Besseres zu tun hätten.

„Die Schulpflicht – dies schönste Juwel der Aufklärung.“ Die Einsicht war einmal stolze Grundüberzeugung jeder fortschrittlichen Gesellschaft. Besonders in Westeuropa, der Heimat der Aufklärung – und darum der Schulpflicht. Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts kommt aller Fortschritt nur von der Schulpflicht. So könnte man argumentieren.

Nicht mehr. Jedenfalls nicht mehr im postaufklärerischen Nordrhein-Westfalen. Dort machen jetzt erste Schulen den Klima-Schulstreik zur schulischen Pflichtveranstaltung. Kein Witz, kein Klischee: Es sind zwei Gesamtschulen.

Klima-Demo wird Schulveranstaltung

An der Gesamtschule Kürten erklärten Lehrer die Fridays-For-Future Demonstration zum Thema des Kunstunterrichts: „Kann man mit Kunst die Welt verändern?“ Zwei 9. Klassen wurden zur Teilnahme an der Demo in Köln verpflichtet. Schriftlicher Hinweis für die Eltern: „Beachten Sie bitte, dass eine schulische Exkursion verpflichtend für die Schüler ist und ein Fernbleiben entschuldigt werden muss.“

An einer Dortmunder Gesamtschule hat die Schulkonferenz, also das Mitwirkungsgremium aus Lehrern, Eltern und Schülern, die offizielle Zusammenarbeit mit Fridays-For-Future beschlossen. Was immer das heißen soll. Die Schulleiterin hält das für ein „gutes Signal“. Die Pädagogin weiter: „Es haben auch Schüler in der Vergangenheit an den Demos teilgenommen – im Klassenverband, mit den Lehrern.“ Dies sei aber im Rahmen des Unterrichts geschehen. Demo als Unterricht. Auf Kosten von Deutsch, Mathe und Englisch.

Lob von der UNO

Die jugendlichen Schulschwänzer bekommen ja viel Lob. Weltweit sogar. Da wollen auch manche Lehrer teilhaben, sogar manche SchulleiterInnen. Was man ja verstehen kann. Schulpflicht hin, Aufklärung her. Als „Weckruf an die Entscheidergeneration“ lobt SPD-Bundesumweltministerin Svenja Schulze – geboren, zur Schule gegangen und studiert in NRW, man hat es geahnt – die Fridays-For-Future-Schulstreiks: „Ich finde es richtig gut, wenn heute wieder eine angeblich so unpolitische Generation den Mund aufmacht und auf die Straße geht.“ 16-Jährige erklären der Politik – und ihren Lehrern – die Welt. Auch das war schon einmal anders. Aufgeklärter.

Sogar von höchster weltpolitischer Instanz, von der UNO, erhalten die Fridays-For-Future-Kinder großes Lob: „Die Jugend sendet die klare und unmissverständliche Botschaft, dass dies ein Notfall ist – und ich bin dankbar dafür“, sagt UN-Klimachefin Patricia Espinosa. Und weiter: „Dies ist der Kampf unseres Lebens, wir haben keine Zeit mehr.“

Mexiko hat andere Sorgen

Die Dame kommt aus Mexiko. Sie kennt sich aus mit Notfällen und Kämpfen ums Leben: In Mexiko wurden im vergangenen März 8493 Personen ermordet – in einem einzigen Monat. Im ganzen vergangenen Jahr waren es 33.369. In Deutschland gab es in der gleichen Zeit 386 Mordopfer. Eigentlich ein spannendes Thema für Weltverbesserer, sollte man meinen. Vielleicht im Geographieunterricht. Oder für eine Englisch-Hausarbeit.

Allerdings wird dabei immer etwas herauskommen, was die lieben Kleinen und ihre NRW-Lehrer gar nicht hören wollen: Für die Mexikaner ist nicht der CO2-Ausstoß, wo auch immer auf der Welt, das größte Problem. Und: Haben wir wirklich die richtigen Prioritäten?

Der Fall Malala

Egal, dafür gibt es für den Jugend-Protest an den Freitagen für die Zukunft tolle Ehrungen und schöne Preise. Von Greenpeace erhielt die Schwedin Greta Thunberg jetzt für alle Schulstreik-Kinder die höchste Auszeichnung als „Botschafter des Gewissens“. Greta auf Twitter: „Dieser Preis gehört all den Millionen Kindern in aller Welt, die für das Recht auf eine Zukunft schulstreiken.“

Etwas nachdenklich stimmen die Namen bisheriger Preisträger: Da ist der tschechische Bürgerrechtler Vaclav Havel oder der südafrikanische Anti-Apartheid-Kämpfer Nelson Mandela. Und die pakistanische Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai. Havel war Jahre in kommunistischen Gefängnissen eingekerkert, und trug schwere Krankheit davon. Mandela verbrachte 27 Jahre auf der Gefängnisinsel Robben Island im Atlantik vor Kapstadt.

Besonders tief nachdenken könnten unsere Schulstreik-Kids – und ihre NRW-Lehrer – über Malala: Der damals 17-jährigen Pakistanerin schossen im Oktober 2014 islamische Fanatiker in den Kopf – weil Malala unbedingt zur Schule gehen wollte. Gegen die Scharia, aber für ihre Zukunft. Malala ist um ein Haar gestorben für ihr Recht, zur Schule zu gehen. Für Pakistan hat sie damit Gutes getan.

Eiscreme für die Rettung der Welt

Und Greta und die Schulstreik-Kinder? Was müssen die auf sich nehmen? Demo mit Eiskrem im Juni. Nie war die Rettung der Welt billiger. Überlegt man sich keine zwei Wochen nach dem 75-Jahr-Gedenken an die blutige Landung in der Normandie. D-Day. Und ist irgendwie froh darüber. Hoffentlich bleibt das so für die lieben Klima-Kids und für die nächsten fünf, sechs, sieben Jahrzehnte. Wir wünschen es ihnen. Aber wetten werden wir darauf nicht. Die Jugendlichen werden es schon sehen – und lernen, was ihnen ihre NRW-Lehrer heute nicht beibringen wollen.