Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (l.) und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil am 20. Februar bei der Veranstaltung „Globalisierung gerecht gestalten“ zur Diskussion um faire Lieferketten. (Bild: Florian Gaertner/ photothek.net)
Fair Trade

Am Anfang der Lieferketten

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller nimmt die Unternehmen in die Pflicht: Deutsche Hersteller und Anbieter sind dafür verantwortlich, dass entlang ihrer Lieferketten in der Dritten Welt Menschenrechte und Sozialstandards eingehalten werden.

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller meint es ernst: „Ich lasse es nicht mehr gelten, dass deutsche Unternehmen sagen, wir können die Bedingungen in unseren Produktionsstätten nicht kontrollieren.“ Seit langem fordert Müller mehr Fairness in globalen Liefer- und Wertschöpfungsketten. Und das muss damit beginnen, dass deutsche – und europäische – Unternehmen Verantwortung übernehmen für die Produktionsbedingungen am Anfang der globalisierten Lieferwege – in der Dritten Welt.

Selbstverpflichtung der Unternehmen

In Deutschland gibt es dazu mit dem Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien eine freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen. Jetzt wird die Einhaltung dieser Verpflichtung erstmals bei großen Firmen mit mehr als 500 Mitarbeitern überprüft.

Wenn Freiwilligkeit nicht ausreicht, werden wir die Unternehmen gesetzgeberisch in die Pflicht nehmen.

Gerd Müller, Bundesentwicklungsminister

Dazu hat das Bundesentwicklungsministerium Ende 2018 gemeinsam mit dem Wirtschafts-, Arbeits-, Finanz- und Außenministerium 7000 deutsche Unternehmen angeschrieben. Die Firmen wurden aufgerufen, detailliert darzulegen, wie sie die Einhaltung von Menschenrechten und Sozialstandards in ihren Lieferketten durchsetzen. Von den Antworten wird die Bundesregierung abhängig machen, ob die Verantwortung von Unternehmen für ihre Produkte zukünftig gesetzlich geregelt werden muss. Im Herbst dieses Jahres werden die Ergebnisse der Umfrage erwartet.

Globalisierung gerecht gestalten

Die Verantwortung von Unternehmen für nachhaltige Lieferketten stand denn auch im Mittelpunkt des 5. Zukunftsforums „Globalisierung gerecht gestalten“ im Bundesentwicklungsministerium. Nach der Eröffnung durch Minister Gerd Müller sprach Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) über Sozialstandards in globalen Lieferketten. Im Anschluss diskutieren beide Minister mit Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von „Brot für die Welt“, und Patrick Zahn, Vorsitzender der Geschäftsführung KiK Textilien, über unternehmerische Verantwortung. Mit dabei war auch die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler.

Über 150 Millionen Kinder müssen weltweit arbeiten – das ist fast jedes zehnte Kind.

Gerd Müller

Viele unser täglichen Produkte kommen aus Entwicklungsländern, darunter etwa Kaffee, Kakao oder Baumwolle. Unsere Handys und Computer funktionieren nur mit Kobalt aus Afrika, erinnerte Minister Müller. „Aber am Anfang der Lieferketten herrschen immer noch unglaubliche Bedingungen: Über 150 Millionen Kinder müssen weltweit arbeiten – das ist fast jedes zehnte Kind.“ Vielerorts gebe es Zwangsarbeitsverhältnisse mit Hungerlöhnen.

Selbstverständliche Sorgfaltspflicht

Wir alle müssten dazu beitragen, diese Missstände endlich zu überwinden. Schon am Anfang globaler Lieferwege müssten ökologische und soziale Mindeststandards eingehalten werden, die in Europa schon lange selbstverständlich seien, betonte Müller. Dafür trügen eben auch die Unternehmen  Verantwortung. Viele Unternehmen gingen hier schon voran. „Es müssen aber alle deutschen Unternehmen ihren menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nachkommen.“ Darüber seien sich die Koalitionspartner in der Bundesregierung einig.

Jeder Mensch hat ein Recht auf ein Leben in Würde.

Gerd Müller

Deswegen setzte sich die Bundesregierung auch für eine konsequente Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte ein. Müller: „Falls wir bei der Überprüfung zum Ergebnis kommen, dass die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen nicht ausreicht, werden wir die Unternehmen gesetzgeberisch in die Pflicht nehmen – so wie im Koalitionsvertrag festgelegt.“ Wenn erforderlich national, besser aber auf europäischer Ebene. Die Bundesregierung werde denn auch die Regelung von Sorgfaltspflichten während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020 weiter voranbringen. Müller: „Denn jeder Mensch hat ein Recht auf ein Leben in Würde.“

Europäische Lösung

Bundesarbeitsminister Heil appellierte an Unternehmen, Sozialpartner, Zivilgesellschaft und Regierung: „Wir alle tragen Verantwortung.“ Verbraucher wie Unternehmen. Heil: „Nur mit vereinten Kräften können wir die Welt sozialer machen und dafür sorgen, dass Kinderarbeit, Menschenhandel und Zwangsarbeit eingedämmt werden.“

Nur mit vereinten Kräften können wir die Welt sozialer machen.

Hubertus Heil, Bundesarbeitsminister (SPD)

Auch Unternehmen müssten ihre Verantwortung wahrnehmen, egal wo sie produzieren ließen. Jetzt gehe es darum, die Rahmenbedingungen für globales Wirtschaften klar zu definieren. Auch Heil will sich dabei für eine einheitliche Regelung in Europa einsetzen. „Wir dürfen nicht zulassen, dass in Europa ein Flickenteppich aus unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen entsteht.“

Mahnung von Entwicklungsminister Müller: „Von der heutigen Veranstaltung geht ein Weckruf an die deutschen Unternehmen aus: Engagiert Euch!“