Mehr Frauen-Power gefordert: Demonstrantin bei einem Marsch für Gleichberechtigung Mitte Januar in Berlin. (Foto: Imago/C. Spicker)
Gleichstellung

Damen-Wahl per Liste

Der Brandenburger Landtag hat eine Frauenquote beschlossen: Für die Landtagswahl müssen Frauen und Männer im Verhältnis 50:50 kandidieren. Die CSU hat 2010 beschlossen, 40 Prozent der Ämter auf Landes- und Bezirksebene weiblich zu besetzen.

Brandenburg hat als erstes Bundesland ein Gesetz beschlossen, nach dem alle Parteien für die Landtagswahl gleich viele Frauen und Männer als Kandidaten aufstellen müssen. Der Landtag in Potsdam billigte die Änderung des Wahlgesetzes mit den Stimmen der regierenden SPD-Linke-Koalition sowie der Grünen. Die Parteien werden verpflichtet, vor Landtagswahlen gleich viele Frauen und Männer auf ihren Landeslisten zu nominieren. Ausgenommen bleiben allerdings Direktkandidaten in den Wahlkreisen. Aktuell liegt der Anteil der Parlamentarierinnen in dem Bundesland bei knapp 39 Prozent.

Bedenken von der Opposition

Die Oppositionsfraktionen von CDU und AfD stimmten dagegen. Sie halten es für verfassungswidrig, weil es unzulässig in das Wahlrecht eingreife. Zur Wahlfreiheit des Artikel 38 Grundgesetz gehört grundsätzlich auch ein freies Wahlvorschlagsrecht. Die Brandenburger Regelung soll erst im Sommer 2020 und damit nach der Brandenburger Landtagswahl im Herbst in Kraft treten.

Der CDU-Innenexperte Björn Lakenmacher hatte bei der Beratung im Innenausschuss vor einer möglichen Staatskrise gewarnt, weil es gegen die Regelung erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gebe. „Wenn nach dem Inkrafttreten Neuwahlen notwendig würden und die Verfassungsgerichte noch nicht abschließend entschieden haben, hätten wir eine veritable Staatskrise“, hatte er gemahnt. Verfassungsrechtliche Bedenken hatte auch der Parlamentarische Beratungsdienst des Brandenburger Landtags in einem Gutachten geäußert. Dagegen hatten die Fraktionen von SPD und Grünen argumentiert, die Gleichstellung von Frauen und Männern sei ein verfassungsrechtliches Gebot.

Dann hätten wir eine veritable Staatskrise.

Björn Lakenmacher, CDU-Innenpolitiker

Die gesetzliche Regelung fußt auf einem Entwurf der Grünen, den SPD und Linke geändert hatten. Die AfD hatte im vergangenen Jahr ein Gutachten des Parlamentarischen Beratungsdienstes zur Initiative der Grünen anfertigen lassen. Dieser stufte das Vorhaben als unvereinbar mit dem Grundgesetz ein.

Die SPD im Landtag schreibt auf ihrer Homepage, es gehe nicht nur darum, dass Frauen die Hälfte der Landtagsmandate bekommen. „Es geht darum, dass die Bedürfnisse, Interessen und Vorstellungen von Frauen gleichberechtigt vertreten werden.“ Der Landtag müsse mit positivem Beispiel vorangehen. Die SPD setzt bei der Listenaufstellung in Bund und Ländern schon jetzt auf volle Parität.

Verfassungsbeschwerde angekündigt

Die CDU-Fraktion legte einen eigenen Gesetzesentwurf für mehr Chancengerechtigkeit vor, der die Parteien nur auffordert, Frauen und Männer möglichst gleichberechtigt zu berücksichtigen. Hilfen zur Kinderbetreuung oder veränderte Sitzungszeiten sollen es mehr Frauen ermöglichen, sich ehrenamtlich in Kommunalparlamenten einzubringen. Dieser Gesetzentwurf wurde vom Landtag zur Beratung in den Innenausschuss verwiesen.

Die Brandenburger Piraten und die Jugendorganisation der Brandenburger Liberalen haben Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz angekündigt. Die Piraten – nicht im Landtag vertreten – sehen einen Verstoß gegen Artikel 12 der Landesverfassung zur Gleichheit und einen massiven Eingriff in das Prinzip der Organisationsfreiheit der Parteien.

Wie fast immer in solchen Fällen, ist die Rechtmäßigkeit des Gesetzes unter Juristen umstritten. „Verbindliche Vorgaben, die die Zusammensetzung der Wahlvorschläge nach geschlechts- oder anderen gruppenbezogenen Merkmalen materiell steuern, verletzen die passive Wahlrechtsgleichheit nach Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG“, schreibt etwa der Professor für öffentliches Recht an der Universität Bonn, Dr. Klaus F. Gärditz, in der Legal Tribune Online. „Das Gleichstellungsgebot des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG, wonach der Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung fördert und bestehende Nachteile beseitigt, ist auf eine Steuerung demokratischer Wahlergebnisse nicht anwendbar.“ In einem System freier Wahlen könne es „per se keine materielle Gerechtigkeit oder Erfolgsgarantien“ geben. Die Wahl der politischen Repräsentation sei immer Willkür der Wählenden. Befürworter einer Paritätsregelung, die unter Juristen offenbar die Minderheit stellen, sehen aber gerade in Artikel 3 des Grundgesetzes die Berechtigung für das Gesetz.

Große Koalition der Damen

Auf Bundesebene hatten Justizministerin Katarina Barley und Frauenministerin Franziska Giffey (beide SPD) gefordert, eine stärkere Vertretung von Frauen im Bundestag durchzusetzen. In Frankreich gibt es bereits seit dem Jahr 2000 ein Parité-Gesetz. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) macht sich ebenfalls für einen höheren Frauenanteil in den Parlamenten stark. Das betreffe „eine elementare Frage unserer Demokratie“, hatte sie Mitte November auf einem Festakt zur Einführung des Frauenwahlrechts vor 100 Jahren gesagt. Der Bundestag sei mit einem Frauenanteil von rund 30 Prozent in dieser Legislatur „kein Ruhmesblatt“, sagte die Kanzlerin.

Das Ziel muss Parität sein.

Angela Merkel, Bundeskanzlerin

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer sagte, ihre Partei müsse hier noch „ihre Hausaufgaben machen“. Weiter sagte sie in einem am Donnerstag in Teilen vorab veröffentlichten Gespräch mit der Zeitschrift Emma: „Ich bin auf jeden Fall dafür, dass im Zusammenhang mit der Wahlrechtsreform die Frage der Frauen-Repräsentanz entsprechend ihres Anteils an der Bevölkerung diskutiert wird.“

Frauenquote in der CSU

Die CSU hat bereits auf einem Parteitag 2010 eine Frauenquote beschlossen: Auf Landes- und Bezirksebene sollen 40 Prozent der Ämter weiblich besetzt werden. In der politischen Realität ist dieses Ziel freilich nicht leicht umzusetzen. Nach der Landtagswahl 2018 bedauerte Ministerpräsident Markus Söder: „So wie jetzt, dass der Landtag weniger Damen hat, das kann keine Zukunftsoption sein.“

Bei der Aufstellung der Liste für die 2019 anstehende Europawahl bemühte sich CSU um eine paritätische Besetzung. Zum ersten Mal sei „eine Art Reißverschluss angewendet worden“, sagt Söder. Die Partei wolle signalisieren, „dass wir als CSU eine bessere Präsenz der Frauen wollen“. Zwanzig der 62 Listenplätze gingen an Frauen.

Dass der Landtag weniger Damen hat, das kann keine Zukunftsoption sein.

Markus Söder, Ministerpräsident

Bei der Besetzung seines Kabinetts hat der Ministerpräsident auf eine angemessene Frauenbeteiligung geachtet. 4 der 14 Ministerien haben eine Chefin bekommen: Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber, Sozialministerin Kerstin Schreyer, Gesundheitsministerin Melanie Huml und Digitalministerin Judith Gerlach – allesamt von der CSU. Zieht man den Ministerpräsidenten und die drei FW-Ministerien ab, auf deren Besetzung die CSU keinen Einfluss hatte, sind es 4 von 10 Ministerien, also exakt 40 Prozent.

(dpa/BK)