Signal der Abschreckung
In Norwegen läuft das größte Nato-Manöver seit dem Ende des Kalten Krieges. Die Bundeswehr ist mit fast 10.000 Soldaten zweitstärkster Truppensteller nach den USA. 2019 soll Deutschland die Führung der schnellen Eingreiftruppe der Nato übernehmen.
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Signal der Abschreckung

In Norwegen läuft das größte Nato-Manöver seit dem Ende des Kalten Krieges. Die Bundeswehr ist mit fast 10.000 Soldaten zweitstärkster Truppensteller nach den USA. 2019 soll Deutschland die Führung der schnellen Eingreiftruppe der Nato übernehmen.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen besucht heute deutsche Soldaten, die in Norwegen am größten Nato-Manöver seit Ende des Kalten Krieges teilnehmen.

Den Reiseplänen zufolge wird die CDU-Politikerin zunächst zu dem rund 140 Kilometer nördlich von Oslo gelegenen Truppenstandort Rena fahren und dort auch den norwegischen Verteidigungsminister Frank Bakke-Jensen treffen. Am Nachmittag ist dann der Besuch eines deutschen Feldlagers in Nähe des Flughafens Oslo-Gardermoen geplant.

Starkes deutsches Kontingent

Die Bundeswehr hat für das Großmanöver in den vergangenen Wochen mehr als 8000 Soldaten nach Norwegen verlegt. Unterstützungskräfte in der Heimat miteingerechnet sind sogar rund 10.000 Kräfte involviert. Damit ist die Deutschland zweitgrößter Truppensteller nach den USA.

Die Stimmung gilt bislang trotz zum Teil eisiger Temperaturen als gut. „Ich habe überall nur in leuchtende Augen geschaut − selbst bei minus 15 Grad”, berichtete Heeresinspekteur Jörg Vollmer am Dienstag nach einem mehrtägigen Besuch bei deutschen Einheiten. Die Soldaten seien stolz, mit guter Ausrüstung vor Ort zu sein und zeigen zu können, was sie gelernt hätten.

Angriff nördlicher Kräfte

Das Nato-Großübung „Trident Juncture” hat am vergangenen Donnerstag begonnen und soll noch bis nächste Woche dauern. Insgesamt nehmen rund 50.000 Soldaten, 10.000 Fahrzeuge und mehr als 300 Kampfflugzeuge aus den 29 Nato-Staaten sowie den Partnerländern Finnland und Schweden teil.

Ziel des Manövers ist es, ein Signal der Abschreckung an Russland zu senden und für den sogenannten Bündnisfall zu trainieren. Dieser könnte ausgerufen werden, wenn einer oder mehrere der 29 Mitgliedstaaten von einem Gegner angegriffen würden. In der Folge müssten dann die anderen Alliierten Beistand leisten.

In der ersten Runde des Nato-Manövers werden nach Bündnisangaben von Ländern wie Deutschland, Italien und Großbritannien gebildete „südliche Kräfte” einen Angriff von „nördlichen Kräften” abwehren. Letztere sollen unter anderem aus Truppen der USA, Kanadas und Norwegens bestehen. In der zweiten Runde sieht das Szenario dann einen Gegenangriff der „südlichen Kräfte” auf die „nördlichen Kräfte” vor.

Deutsche Führung der Eingreiftruppe

Das starke deutsche Engagement ist vor allem dadurch begründet, dass Deutschland ab Anfang 2019 die Führung der schnellen Eingreiftruppe der Nato übernehmen soll. Die sogenannte VJTF (Very High Readiness Joint Task Force) wurde im Zuge der Ukraine-Krise aufgestellt und ist ebenfalls ein Element der Abschreckungsstrategie gegen Russland, der seit 2014 wieder starke Aufmerksamkeit gewidmet wird. Damals hatte Russland sich die ukrainische Halbinsel Krim einverleibt und offensiv damit begonnen, prorussische Separatisten in der Ostukraine zu unterstützen.

Für Deutschland ist das Manöver zudem eine Gelegenheit, Donald Trump zu demonstrieren, dass es bereit ist, mehr Verantwortung für die Sicherheit Europas zu übernehmen. Der US-Präsident fordert seit seinem Amtsantritt deutlich höhere Verteidigungsausgaben von der Bundesregierung und hat sogar schon mit einem Nato-Austritt gedroht, sollten die europäischen Alliierten nicht mehr Anstrengungen in dem Bereich unternehmen.

Bundeswehr fehlt Material

Die Beteiligung der Bundeswehr an „Trident Juncture” wird die deutschen Steuerzahler rund 90 Millionen Euro kosten. Gut die Hälfte der Summe fließt ins Gastgeberland Norwegen, wo unter anderem für die Verpflegung und Bereitstellung von Feldlagern bezahlt werden muss. Der Rest ist für den Hin- und Rücktransport von Personal und Material eingeplant.

Ich hoffe, das war die letzte große Nato-Übung, bei der vorher das Bundeswehr-Manöver ‚Hin- und Herleihen‘ befohlen werden musste.

Hans-Peter Bartels (SPD), Wehrbeauftragter

Die Bundeswehr leidet nach Aussage des Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels unter Ausstattungsmängeln wegen des großen Nato-Manövers in Norwegen. Das Material, von den Schutzwesten bis zum Panzer, sei aus der ganzen Bundeswehr zusammengeliehen worden. Es fehle dann natürlich für die Ausbildung in den Bataillonen zu Hause. Das nerve die Soldaten enorm, beklagt Bartels in der Bild am Sonntag.

Moskaus Antwort

In Moskau wird das Nato-Manöver als Provokation gesehen − vor allem, weil es in einem direkten Nachbarland abgehalten wird. Offensichtlich um der Übung etwas entgegenzusetzen, kündigten die russischen Streitkräfte bereits in der vergangenen Woche Marschflugkörpertests ihrer Marine in internationalen Gewässern vor der norwegischen Küste an. Sie könnten nach offiziellen Hinweisen für die zivile Luftfahrt von Donnerstag bis Samstag in dem selben Seegebiet stattfinden, in dem auch die Nato-Streitkräfte üben.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg betonte am Dienstag am Rande eines Manöverbesuchs, dass sich die Nato ihre Übungspläne von den russischen Ankündigungen nicht durcheinanderbringen lassen werde. Er erwarte, dass die Russen „professionelles Verhalten” zeigten, sagte er.

Schon zuvor hatte Stoltenberg erklärt, dass sich das Manöver nicht gegen Russland richte. Die Nato übe, um Konflikte verhindern zu können und nicht, um einen Konflikt zu provozieren, sagte er. Russland sei über „Trident Juncture” informiert worden und habe sogar die Möglichkeit, die Übung durch Beobachter zu begleiten.

Nato-Russland-Rat in Brüssel

Gelegenheit, die Manöveraktivitäten direkt anzusprechen, gibt es an diesem Mittwochnachmittag bei einer Sitzung des Nato-Russland-Rates in der Bündniszentrale in Brüssel. Bei dem Treffen auf Botschafterebene werden allerdings vermutlich noch heiklere Themen auf den Tisch kommen. Dazu gehören die US-Pläne zum Ausstieg aus dem INF-Abrüstungsvertrag über atomar bestückbare Mittelstreckenwaffen sowie die Vorwürfe von Nato-Staaten gegen Russland, hinter einer Serie politischer Hackerangriffe zu stecken.

Konkrete Ergebnisse werden von den Gesprächen nicht erwartet, Stoltenberg hält sie dennoch für unverzichtbar. „In Zeiten, in denen die Beziehungen zwischen Russland und der Nato schwierig sind, ist es besonders wichtig, den Dialog aufrechtzuerhalten”, betonte er im Vorfeld des Treffens. (dpa/BK/H.M.)