Wilhelm Schmidbauer, Landespolizeipräsident von Bayern. (Bild: Imago/Zuma/Sachelle Babbar)
Polizeigesetze

Eingreifen, bevor es zu spät ist

Gastbeitrag Damit sie Sicherheit und Freiheit der Bürger schützen kann, muss die Polizei auch präventiv handeln können. Genau das ermöglicht ihr das neue Polizeiaufgabengesetz, schreibt unser Gastautor Wilhelm Schmidbauer, Bayerns Polizeipräsident.

In Deutschland garantiert der Staat die Freiheit und Sicherheit der Bürger. Unsere Polizistinnen und Polizisten leisten hier jeden Tag engagiert und professionell ihren Dienst, um Gefahren für die Bevölkerung abzuwehren, unterschiedlichste Bedrohungen zu bekämpfen und Straftaten zu verhindern. Das präventive Tätigwerden der Polizei ist durch Landesrecht im Polizeiaufgabengesetz geregelt.

Hohes Maß an Sicherheit

Durch den Terrorismus, die internationale organisierte Kriminalität und die Cyberkriminalität entwickeln sich allerdings permanent neue Herausforderungen für die Polizei. Um das hohe bayerische Sicherheitsniveau halten und weiter ausbauen zu können, müssen die rechtlichen Befugnisse mit den tatsächlichen Entwicklungen Schritt halten. Mit diesem Ziel wird das bayerische Polizeiaufgabengesetz auf einen Vorschlag des Bayerischen Innenministers Joachim Herrmann aktuell vom Landtag überarbeitet.

Die Gegner dieser Gesetzesänderung scheinen dagegen Schäden an der Gesundheit und dem Leben einfach sehenden Auges hinnehmen zu wollen.

Wilhelm Schmidbauer

Um ein möglichst hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten, ist es wichtig, rechtzeitig einschreiten zu können. Denn es ist besser, Straftaten gar nicht erst geschehen zu lassen und so die möglichen Opfer vor Schaden zu bewahren, als hinterher den Täter zu ermitteln. Die Polizei muss daher bereits einschreiten können, wenn eine Gefahr für bedeutende Rechtsgüter wie Leib, Leben oder die sexuelle Selbstbestimmung erst zu entstehen droht. Hier hat Bayern die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Bundeskriminalamts-Gesetz aus dem Jahr 2016 bereits im letzten Jahr berücksichtigt und beschreitet diesen Weg mit der jetzigen Gesetzesänderung konsequent weiter. Die Gegner dieser Gesetzesänderung scheinen dagegen Schäden an der Gesundheit und dem Leben einfach sehenden Auges hinnehmen zu wollen.

Das Gericht prüft

Zum PAG-Neuordnungsgesetz werden viele falsche Behauptungen verbreitet, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben. Wenn die Polizei einen Betroffenen in Gewahrsam nehmen muss, dann hat sie diesen unverzüglich dem Richter vorzuführen. Von einem unabhängigen Gericht muss mindestens alle drei Monate erneut geprüft werden, ob von der festgenommenen Person weiterhin eine Gefahr ausgeht. Nur so kann als letztes Mittel ein Schutz vor Personen, die die Begehung einer Straftat bereits angekündigt haben, erreicht werden. Ansonsten müsste die Polizei sehenden Auges eine Person freilassen, die dann eine schwere Straftat begeht. Das ist nicht nur in Bayern so. In Schleswig-Holstein und Bremen ist die Möglichkeit des Richters, eine Freiheitsentziehung anzuordnen, zeitlich unbegrenzt.

Neue Technik für neue Verbrechen

Eine weitere Fehlinformation betrifft den Einsatz von Handgranaten und Sprengstoff. Selbstverständlich hat auch zukünftig kein Streifenpolizist Handgranaten bei sich. Der Einsatz ist wie bisher den Spezialkräften vorbehalten. Zusätzlich sollen diese speziell ausgebildeten und trainierten Polizisten aber die Möglichkeiten bekommen, Explosivmittel einzusetzen. Um in Gebäude zu gelangen, in denen sich Terroristen verschanzt haben, kann dies notwendig sein, wie nicht zuletzt die Terroranschläge in Paris und Brüssel gezeigt haben.

Auch die technischen Kompetenzen der Polizei werden weiter gestärkt. Mit Bodycams können zukünftig offene Bild-und Tonaufnahmen von Einsätzen gefertigt werden. Die Polizisten und potentielle Opfer werden dadurch geschützt, denn die Aufzeichnung der Bodycam hat bereits eine deeskalierende Wirkung. Wenn der Gewalttäter weiß, dass ihm eine begangene Straftat mit einem Video nachgewiesen werden kann, wird er von der Tat eher Abstand nehmen.

Eine weitere technische Neuerung ist der Einsatz von unbewaffneten Drohnen. Wenn bei einer Vermisstensuche wegen der Witterungsbedingungen ein Polizeihubschrauber nicht mehr fliegen kann, können zukünftig Drohnen eingesetzt werden, um so den Vermissten zu retten.

Zur Cybercrime-Bekämpfung wird die Sicherstellung von Bitcoins oder Daten in einer Cloud ermöglicht. Es wäre kaum zu erklären, wenn die Polizei auf lokal gespeicherte Daten zugreifen könnte, auf solche in der Cloud aber nicht. Gefährliche Informationen ließen sich über die Speicherung in der Cloud einfach dem Zugriff entziehen. Bei vielen Smartphones wird zudem der Großteil der Daten automatisch in der Cloud gespeichert.

Die Nutzung von DNA-Spuren wird ausgeweitet. Findet die Polizei beispielsweise in einer Wohnung Materialien für den Bau einer Bombe und ist unbekannt, wer vielleicht Pläne für einen Bombenbau schmiedet, kann über die DNA Geschlecht, Augen-, Haut- und Haarfarbe, Alter und biogeografische Herkunft ermittelt werden. Die so gewonnen Informationen können dann, ähnlich wie ein Phantomfoto, zur Fahndung eingesetzt werden.

Ein stimmiges Gesamtkonzept

Wir gehen mit der Neufassung des PAG konsequent gegen Gewalttäter vor. Ergreift die Polizei Zwangsmaßnahmen gegen Gewalttäter, wie zum Beispiel Fußballrowdies, kann sie von diesen künftig die Erstattung der Kosten des Polizeieinsatzes verlangen.

Die Erweiterung der polizeilichen Möglichkeiten ist Teil eines stimmigen Gesamtkonzepts zur Novellierung des bayerischen Polizeirechts, das auch die Bürgerrechte stärkt. In Übereinstimmung mit der EU-Datenschutzrichtlinie werden zum Beispiel Daten zu ethnischer Herkunft, Religion und politischer Überzeugung zukünftig besonders geschützt. Weiterhin wird eine unabhängige Zentralstelle für Datenprüfung geschaffen. Dort wird objektiv und unabhängig geprüft, ob sensible Maßnahmen die Privatsphäre betreffen. In Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus seinem Urteil vom 20. April 2016 stehen etwa längerfristige Observationen oder der Einsatz verdeckter Ermittler zukünftig unter Richtervorbehalt.

Die Polizei wird grundsätzlich verpflichtet, jeden, der von einer verdeckten polizeilichen Überwachungsmaßnahme betroffen ist, nach Wegfall der Gefahr über die Maßnahme zu unterrichten. Dadurch wird sichergestellt, dass der Betroffene die polizeiliche Maßnahme gerichtlich überprüfen lassen kann.

Der Schutz der Grundrechte wird dadurch weiter gestärkt. Das neue Polizeiaufgabengesetz ist daher ein Garant für den bayerischen Spitzenplatz bei der Inneren Sicherheit. Bayern ist das Land, in dem die Freiheit und die Sicherheit am größten ist. Das soll auch so bleiben.

Zum Autor:

Wilhelm Schmidbauer ist seit 2013 Landespolizeipräsident in Bayern. Zuvor war der gebürtige Regensburger viele Jahre Polizeipräsident und Leiter des Polizeipräsidiums München.