Ein Metier, das durch "schwarze Schafe" in Verruf gerät: Altenpflegerin bei einem Hausbesuch. (Foto: Imago/Westend61)
Pflegedienst

Ab sofort ermittelt die Pflege-Polizei

Es geht um Betrug in Milliardenhöhe: durch falsche Angaben bei der Krankenkasse oder den Einsatz von ungeschultem Personal im Pflegebereich geht im Gesundheitswesen viel Geld verloren. Das ändert sich, denn Bayern setzt nun Spezial-Ermittler ein.

Im Kampf gegen Milliardenbetrug im Gesundheitswesen soll sich die Polizei in Bayern stärker spezialisieren. In jedem der zehn Polizeipräsidien solle es dafür künftig Spezialermittler in einem Wirtschaftskommissariat geben, kündigten Innenminister Joachim Herrmann und Justizminister Winfried Bausback an. In diesem Bereich seien „Profis“ nötig, denn die Methoden der Betrüger seien meist nur für Fachleute durchschaubar, sagte Herrmann.

Schaden in Deutschland: 14 Milliarden Euro

Die Erscheinungsformen von Betrug im Gesundheitswesen etwa durch Ärzte, Apotheker, Physiotherapeuten oder Pflegedienstleister seien vielfältig, sagte Herrmann. So würden beispielsweise Kosten bei den Kranken- und Pflegekassen geltend gemacht, die gar nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang erbracht wurden. Oder es werde nicht qualifiziertes Personal eingesetzt. „Letzteres bereitet uns im Bereich der Intensivpflege besonders große Sorge“, sagte Bausback – denn hier stünden unmittelbar Gesundheit und Leben der Patienten auf dem Spiel.

Der Anteil der nicht-deutschen Verdächtigen liegt laut Herrmann bei diesen Delikten bei etwa fünf Prozent: „Es ist also kein typisches Ausländerdelikt.“ In einem konkreten Fall aus Augsburg hatte ein Pflegedienst etwa das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen, die Gabe von Spritzen und Medikamenten abgerechnet, obwohl diese Leistungen nicht erbracht wurden. Der Schaden lag bei 340.000 Euro, Geschäftsführer und Pflegedienstleiterin wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Und Bausback berichtete von „Abrechnungsringen“, bei denen Ärzte, Patienten, Pflegedienste, Apotheken und Sanitätshäuser gemeinsame Sache machten.

 

Für die Spezialermittler soll es Fortbildungen geben – unter anderem zusammen mit der Fachhochschule für Verwaltung des Saarlandes. Auch mit dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung werde intensiv zusammengearbeitet werden müssen. Die Zahl der Ansprechpartner für die drei seit 2014 bestehenden Schwerpunktstaatsanwaltschaften in München, Nürnberg und Hof werde sich zugleich von 30 auf 10 reduzieren. „Die Anzahl der polizeilichen Sachbearbeiter werden wir natürlich nicht verringern“, betonte Herrmann.

2017 seien in Bayern 325 Fälle von Abrechnungsbetrug mit einer Schadenssumme von 5,9 Millionen Euro angezeigt worden (2016: 3,8 Mio. Euro). Dabei sei das Dunkelfeld „extrem groß“, wie interne Kontrollen etwa der Krankenkassen ergeben hätten. Bundesweit werde der tatsächliche Schaden auf etwa 14 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Das seien enorme Kosten, die letztlich auf die Versicherten und damit auf die Allgemeinheit umgelegt werden müssten, sagte Herrmann.

Die meisten Verfahren laufen in München

Aktuell seien bei den drei Schwerpunktstaatsanwaltschaften mehr als 190 Verfahren anhängig, berichtete Bausback: In München sind es demnach 147, in Nürnberg 28 und in Hof 17. Er betonte zugleich, es gehe nicht darum, bestimmte Berufsgruppen unter Generalverdacht zu stellen. Lediglich eine kleine Zahl „schwarzer Schafe“ nutze das System missbräuchlich aus. Gegen sie müsse daher „mit aller Härte“ vorgegangen werden.

Die größte bayerische Krankenkasse AOK begrüßt die geplante Verschärfung des Kampfes gegen Betrug in der Pflege. Experten der Versicherung haben im vergangenen Jahr mehr als 1800 neue Verdachtsfälle von Betrug oder Korruption im Gesundheitswesen bearbeitet. Das seien mehr als 20 Prozent mehr als 2016, wie die Krankenkasse am Dienstag in München mitteilte. Damit landeten jeden Arbeitstag mehr als acht neue Fälle mit Verdacht auf Abrechnungsbetrug, Korruption, Bestechung oder Bestechlichkeit auf den Schreibtischen der sieben AOK-Betrugsermittler.

Bayern nimmt eine wichtige Vorreiterrolle ein.

Dominik Schirmer, AOK

Die Kasse begrüßt daher, dass in Bayern künftig spezialisierte Ermittler gegen Betrug im Gesundheitswesen vorgehen sollen. „Bayern nimmt damit eine wichtige und bedeutende bundesweite Vorreiterrolle ein“, sagte Dominik Schirmer, Beauftragter der AOK Bayern zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen. Zur Unterstützung der polizeilichen Ermittlungen sei die Schaffung von Stellen für Abrechnungsspezialisten und IT-Experten notwendig. Nur fachkundige Fahnder hätten das Wissen, um die komplexen Abrechnungsverfahren im Gesundheitswesen zu durchschauen.