Der Kurz-Besuch
Bei seinem Antrittsbesuch in Berlin hat Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz mit Kanzlerin Angela Merkel über Asyl- und Europapolitik gesprochen. Kurz kritisiert die europäische Umverteilung von Migranten und lehnt einen Eurozonen-Haushalt ab.
Berlin

Der Kurz-Besuch

Bei seinem Antrittsbesuch in Berlin hat Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz mit Kanzlerin Angela Merkel über Asyl- und Europapolitik gesprochen. Kurz kritisiert die europäische Umverteilung von Migranten und lehnt einen Eurozonen-Haushalt ab.

Trotz tiefgreifender Differenzen in der Flüchtlings- und Europapolitik setzen Kanzlerin Angela Merkel und Österreichs neuer Regierungschef Sebastian Kurz auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit.

„Wir werden die neue österreichische Regierung an ihren Taten messen”, sagte Merkel am Mittwoch in Berlin mit Blick auf die Koalition aus der von Kanzler Kurz angeführten konservativen ÖVP und der rechtspopulistischen FPÖ.

Wiens harter Kurs in der Asylfrage

Kurz wurde am Kanzleramt mit militärischen Ehren zu seinem Antrittsbesuch einen Monat nach seinem Amtsantritt empfangen. Differenzen mit Merkel gibt es vor allem in der Flüchtlingspolitik. Österreich fährt in der Asylfrage bisher einen deutlich härteren Kurs als Deutschland. Kurz hatte schon als Außenminister Merkels „Willkommenspolitik” kritisiert und trotz scharfer Kritik aus Berlin Anfang 2016 die Schließung der sogenannten Balkanroute erzwungen.

Wir brauchen eine Politik, nach der wir und nicht die Schlepper entscheiden, wer nach Europa kommen darf.

Sebastian Kurz, Bundeskanzler der Republik Österreich

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz sagte er, die Diskussion um Flüchtlingsquoten in der EU nehme „etwas zu viel” Raum ein. „Ich bin überzeugt davon, dass die Lösung der Migrationsfrage in einem ordentlichen Außengrenzschutz und einer stärkeren Hilfe vor Ort liegt.” Es sei falsch, wenn Schlepper und nicht die Staaten entschieden, wer nach Europa durchkomme. Österreich könne nicht der Vorwurf gemacht werden, unsolidarisch zu sein. Das Land habe überproportional viele Flüchtlinge aufgenommen.

Merkel räumte zwar ein, dass es in der Migrationspolitik zunächst um den Schutz der EU-Außengrenzen und um Hilfe für die Herkunftsländer gehe. Wenn allerdings der Schutz der Außengrenze nicht ausreichend funktioniere, „dann kann es nicht sein aus meiner Sicht, dass es Länder gibt, die sagen, an einer europäischen Solidarität beteiligen wir uns nicht”. Dies halte sie für falsch.

Annäherung zwischen Wien und Berlin

Am heutigen Donnerstag hat Kurz im ZDF-Morgenmagazin seine Haltung zur Frage der europaweiten Verteilung der Flüchtlinge noch einmal erläutert: „Reden wir uns nicht ein, dass wir damit die Migrationsfrage lösen können.”

Die Flüchtlinge sind ja gar nicht bereit, in Länder wie Bulgarien, Rumänien oder Polen zu gehen.

Sebastian Kurz

In den vergangenen zweieinhalb Jahren sei es gelungen, gerade einmal 30.000 Menschen innerhalb der EU zu verteilen, so Österreichs junger Bundeskanzler: „So viele sind im Jahr 2015 in 48 Stunden in Europa angekommen.” Kurz weiter: „Es wehren sich ja nicht nur einige Mitgliedstaaten, sondern die Flüchtlinge sind ja gar nicht bereit, in Länder wie Bulgarien, Rumänien oder Polen zu gehen.”

Im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hatte Kurz tags zuvor von sehr viel Bewegung in der Migrantenfrage gesprochen und von einer Annäherung zwischen Wien und Berlin. Kurz: „Die deutsche Position ist zum Beispiel inzwischen deutlich näher an der unseren als noch vor zwei Jahren. Viele Staaten haben sich in die richtige Richtung bewegt.”

Kurz gegen europäischen Finanzminister

Auf offene Kritik an der rechtspopulistischen FPÖ verzichtete Merkel während der gemeinsamen Pressekonferenz. Man werde die Politik der österreichischen Regierung beobachten, sagte sie. „Was zählt, sind die Taten.” Trotz „unterschiedlicher Schwerpunkte” sehe sie eine gute Grundlage für eine gute und intensive Zusammenarbeit.

Auch in Fragen der EU sind beide Regierungschefs nicht auf einer Linie. So will Kurz im Gegensatz zu Merkel die Macht Brüssels künftig beschränken. Auch mehr Geld für die EU lehnt Kurz ab. Union und SPD haben in ihren Sondierungsverhandlungen für eine neue große Koalition genau das beschlossen.

Die EU muss sparsamer und effizienter werden.

Sebastian Kurz

„Einen europäischen Finanzminister braucht es aus meiner Sicht nicht“, hatte Kurz zuvor der FAZ auseinander gesetzt. Auch was ein mögliches Eurozonen-Budget anginge, sei er „deutlich skeptischer“ als andere. Er erhebe vielmehr den Anspruch, dass es in den Verhandlungen über den EU-Finanzrahmen nach 2020 „zu keinen einseitigen Mehrbelastungen für die Nettozahler wie Österreich kommt”. Kurz weiter: „Vielmehr muss die EU sparsamer und effizienter werden.”

Schnelle Regierungsbildung in Berlin

Er hoffe auf einen baldigen Abschluss der Regierungsbildung in Deutschland, betonte Kurz in der ARD-Talksendung „Maischberger”. Er wünsche sich, dass es bald eine starke und stabile Regierung in Deutschland gebe, weil davon Österreich und Europa profitierten. Er mache sich aber keine Sorgen und erwarte, dass es spätestens bis Ostern eine neue Regierung gebe. Und er habe nicht den Eindruck, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel an Einfluss verloren habe.

Der 31-jährige Kurz ist seit dem 18. Dezember Bundeskanzler. Vor Berlin war er schon zur EU-Spitze nach Brüssel und zu Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron gereist. Am heutigen Donnerstag wurde er von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfangen. (dpa/BK/H.M.)