Baustelle Nahverkehr: Tram am Sendlinger Tor in München, wo der U-Bahnhof komplett umgebaut wird. (Foto: Imago/R. Peters)
Infrastruktur

München macht mobil

Letzte Haltestelle vor dem "großen Wurf": Die Chefs der rot-schwarzen Koalition im Münchner Rathaus kündigen den massiven Ausbau des ÖPNV an. Rund 5,5 Milliarden Euro soll er kosten. Die Finanzierung ist allerdings noch nicht final geklärt.

Die rot-schwarze Koalition im Münchner Rathaus nähert sich Entscheidungen, mit denen sie die drängenden Verkehrsprobleme der Metropole bis 2025 lösen will. Gemeinsam kündigen SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter und CSU-Vizebürgermeister Josef Schmid ein Bau-Paket von mindestens 5,5 Milliarden Euro an, mit dem U- und Trambahnen im gesamten Stadtgebiet gebaut werden sollen. Finanziert ist das Mammutprojekt jedoch noch nicht. Von den laufenden Sondierungsgesprächen zur Bildung einer Großen Koalition in Berlin erhoffen sich beide auch neue Finanzierungshilfen des Bundes für Nahverkehrslösungen in den Kommunen.

Schienen unter und über der Erde

Bereits im Januar soll der Stadtrat sich mit der geplanten neuen U9 befassen, die vom Bahnhof Implerstraße über Theresienwiese und Hauptbahnhof bis zur Münchner Freiheit verlaufen soll. Ebenso mit der Tram-Nordtangente durch den Englischen Garten. Weitere Vorhaben sind die Erweiterung der U4 über den Arabellapark hinaus bis nach Englschalking, sowie die Weiterführung der U5. Bereits beschlossen ist deren Verlängerung vom Laimer Platz bis nach Pasing, hinzu kommen soll eine Strecke bis ins Neubaugebiet Freiham. Im Münchner Norden soll die neue U26 von der U2-Haltestelle „Am Hart“ bis zum Kieferngarten geführt werden. Und von der Aidenbachstraße bis zum Romanplatz soll die Tram-Westtangente verlaufen.

Bürgermeister Schmid freut sich insbesondere, dass „wir den Ausbau der U5 nach Freiham nun endgültig voranbringen.“ So werde nicht nur der neue Stadtteil von der Verlängerung profitieren, sondern auch die Mobilität im gesamten Münchner Westen. „Das gemeinsame Maßnahmenpaket gibt der Mobilität in München den notwendigen Impuls für einen modernen ÖPNV-Ausbau“, ergänzt Schmid. OB Reiter schränkte ein, dass „erste U-Bahnen ungefähr 2025 fahren, die ein oder andere Tram schon früher“. Inklusive angedachter Tangentialstrecken, die das übers Zentrum laufende Münchner Nahverkehrsnetz mit Ringverbindungen entlasten sollen, werde es wohl bis ins Jahr 2035 dauern, bis die nun von beiden groß angekündigte Lösung auch umgesetzt ist. Letztlich fasst die nun angekündigte Offensive erst mal all jene Pläne zusammen, die bereits seit Jahren diskutiert werden, aber unter der rot-grünen Stadtregierung des ehemaligen OB Christian Ude (SPD) nicht umgesetzt wurden.

München macht mobil: Mit unserer Offensive legen wir den Grundstein für einen leistungsfähigen ÖPNV in der Stadt von morgen.

Josef Schmid, Vize-Bürgermeister

„Wir dürfen nach dem Bau der 2. Stammstrecke nicht die Hände in den Schoß legen“, erklärt der Vorsitzende der CSU-Stadtratsfraktion Manuel Pretzl. Deshalb fordere die Stadtspitze Bund und Land auf, sich auch an den künftigen Münchner Verkehrsprojekten entsprechend finanziell zu beteiligen. Schließlich profitiere die gesamte Metropolregion von dem Ausbau. Reiter und Schmid drängen auf eine veränderte Förderung durch Bund und Land für Ballungsräume. Mit den bisherigen Vorschriften lasse sich in München kaum Größeres bewegen. Die so genannte „standardisierte Bewertung“ in den Förderregularien etwa erfordert eine hohe Umsteigerquote vom Auto auf geplante Nahverkehrsverbindungen, damit staatliches Geld fließt. Eine solche Quote sei aber in einer Stadt wie München, wo bereits sehr viele Menschen mit U- oder S-Bahn fahren, nur schwer signifikant zu steigern, erklärt Reiter. So hoffen die beiden Chefs der Großen Rathaus-Koalition erst mal auf eine Änderung der Förderpraxis – und lassen ihre Referate parallel den angekündigten Ausbau planen. Bis etwa 2020 soll zumindest die konkrete Planung fertig sein.

Lebensqualität oder Kollaps?

OB Reiter hält wie die CSU die Vorhaben für überlebenswichtig in der stark wachsenden Metropolregion: „Das Thema Mobilität ist zentral entscheidend, wie die Lebensqualität in dieser Stadt in zwanzig oder dreißig Jahren aussieht.“ Für die Gegenwart, in der die Münchner zu Stoßzeiten mit völlig überfüllten U-Bahnen zu kämpfen haben, verspricht der große Zukunftsplan kaum Entlastung. Sogar mit Aussicht auf rapide Verschlechterung, wie sie der Chef der SPD-Stadtratsfraktion, Alexander Reissl, beschreibt: „Wenn nix passiert, wird uns das System in München auf absehbare Zeit kollabieren.“ Fest steht: Der langjährige Stillstand im Nahverkehrssystem durch die rot-grüne Vorgängerregierung wird endlich überwunden.