Parteichef Horst Seehofer räumt ein enttäuschendes Wahlergebnis für die CSU ein. (Bild: avd)
Bundestagswahl

Offene Flanke nach rechts

Trotz deutlicher Verluste ist die Union Sieger der Bundestagswahl. Die SPD stürzt auf ein historisches Tief, die AfD wird drittstärkste Kraft. Die CSU büßt zehn Prozentpunkte ein. Partei-Chef Seehofer beklagt eine "offene rechte Flanke".

Die Union von Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Bundestagswahl trotz deutlicher Verluste gewonnen, die SPD stürzt auf ein historisches Tief. Die AfD zieht mit einem zweistelligen Ergebnis als erste rechtsnationale Partei seit mehr als 50 Jahren und drittstärkste Partei in den Bundestag ein. Die FDP schafft wieder den Sprung in den Bundestag.

In Bayern verliert die CSU einer Hochrechnung des Bayerischen Rundfunks zufolge gut zehn Prozentpunkte und kommt auf 38,5 Prozent. Die SPD sackt laut der Hochrechnung im Freistaat auf 15,1 Prozent – fast fünf Prozentpunkte weniger als 2013. Die AfD holt demnach 12,2 Prozent. Auch die FDP legt zu: von 5,1 Prozent auf 9,8 Prozent. Die Grünen verbessern sich der Hochrechnung zufolge von 8,4 auf 10,8 Prozent, die Linken von 3,8 auf 6,6 Prozent.

CSU holt alle Direktmandate

Die CSU hat dennoch die Direktmandate in allen 46 bayerischen Wahlkreisen errungen. Auch in der Landeshauptstadt München holte die CSU alle vier Direktmandate, genauso wie die beiden Direktmandate in der Frankenmetropole Nürnberg.

CSU-Chef Horst Seehofer dankte allen engagierten Wahlkämpfern der CSU: „Unsere Mitglieder haben in den vergangenen Wochen und Monaten bravourös gekämpft. Deshalb möchte ich allen danken, die in dieser nicht ganz einfachen Zeit für uns unterwegs waren, für uns geworben haben und sich zu uns bekannt haben!“.

Enttäuschung bei der CSU

Dennoch: „Es gibt nichts schönzureden“, sagte CSU-Chef Seehofer am Sonntagabend. Das Wahlergebnis der Bundestagswahl 2017 sei eine herbe Enttäuschung, sowohl das gemeinsame Ergebnis von CDU und CSU als auch das Ergebnis der CSU in Bayern. „Wir haben eine offene Flanke auf der rechten Seite“, so der Parteichef angesichts dieses Ergebnisses. „In den kommenden Wochen kommt es darauf an, dass wir diese Flanke schließen – mit klarer Kante.“ Grundlage dafür sei der Bayernplan der CSU. „Wir werden alles tun und keinen falschen Kompromiss eingehen, damit wir diesen Bayernplan bei den Gesprächen in Berlin durchsetzen. Die CSU wird geschlossen, einheitlich und mit klaren Positionen die kommenden Wochen bestreiten.“

Wir haben eine offene Flanke auf der rechten Seite.

Horst Seehofer

Ähnlich äußerte sich Bayerns JU-Vorsitzender Hans Reichhart: „Wir müssen jetzt klare Kante zeigen, der AfD das Protestpotenzial wegnehmen.“  Es zeige sich, dass es der Union schade, wenn die CSU „die rechte Flanke offen lässt“, sagte Reichhart. Die Forderungen nach einer Obergrenze für Flüchtlinge und längeren Grenzkontrollen müssten durchgesetzt werden.

Obergrenze als Ziel

Der stellvertretende CSU-Generalsekretär Markus Blume sagte, es sei nötig, sich genau anzuschauen, was zu diesem Ergebnis geführt habe. „Für uns als CSU heißt es, wir müssen alles tun, um den bürgerlichen Wählern und gerade auch den Konservativen in Zukunft eine politische Heimat zu geben. Und wir werden wie immer daran gemessen, was wir in Koalitionsverhandlungen konkret erreichen. Das heißt, wir sind in den nächsten Wochen dazu aufgefordert, zu liefern.“

Für uns als CSU heißt es, wir müssen alles tun, um den bürgerlichen Wählern und gerade auch den Konservativen in Zukunft eine politische Heimat zu geben.

Markus Blume

Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer, der nicht mehr kandidierte, erklärte, das entscheidende Thema sei die Zuwanderung gewesen. „Die CSU hat sich mit großer Überzeugung für eine Obergrenze eingesetzt und daran sollte sich auch in Zukunft nichts ändern. Die ist richtig, die Bürger wollen das“, so Singhammer. „Und sie wollen, dass diese Obergrenze auch kommt. Und das ist der Auftrag in der nächsten Zeit für die CSU.“ Auch Dorothee Bär zeigte sich enttäuscht über die CSU-Zahlen: „Ein bitteres Ergebnis, dass ich auch so nicht erwartet habe, das sage ich ganz offen. Unter 40 Prozent, das entspricht auch null Komma null meinen Erfahrungen, weder beim Haustürwahlkampf, noch an den Infoständen.“

Parteivize und Europagruppenchefin Angelika Niebler hat eine klare Präferenz für die kommende Regierung: „Ich möchte eigentlich keine große Koalition mehr haben, aber ich glaube, es ist noch zu früh für eine Entscheidung. Man muss in beide Richtungen sondieren, wo die Gemeinsamkeiten am größten sind.“

SPD will in die Opposition

Bundeskanzlerin Merkel steht angesichts des Wahlausgangs vor ihrer vierten Amtszeit. Die Union habe sich ein besseres Ergebnis gewünscht, zugleich habe man aber die Wahlziele erreicht, sagte Fraktionschef Volker Kauder (CDU). Denkbar wäre ein bisher im Bund noch nie erprobtes Jamaika-Bündnis aus CDU/CSU, FDP und Grünen. FDP und Grüne zeigten sich prinzipiell gesprächsbereit, sahen aber große Hürden. Einer rechnerisch ebenfalls möglichen Fortsetzung der großen Koalition erteilte die SPD-Spitze sofort nach Wahlschluss eine Absage: „Es ist völlig klar, dass der Wählerauftrag an uns der der Opposition ist“, sagte Schulz. Ähnlich äußerte sich SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann.

Die Wahlbeteiligung lag bei 75 bis 76,5 Prozent (71,5). Zur Abstimmung aufgerufen waren rund 61,5 Millionen Wahlberechtigte.