Abschied vom Altkanzler
Weltweit würdigen Politiker die Lebensleistung Helmut Kohls. Die EU will den am Freitag verstorbenen ehemaligen Bundeskanzler mit einem europäischen Staatsakt ehren. Das hat jetzt EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker angekündigt.
Helmut Kohl

Abschied vom Altkanzler

Weltweit würdigen Politiker die Lebensleistung Helmut Kohls. Die EU will den am Freitag verstorbenen ehemaligen Bundeskanzler mit einem europäischen Staatsakt ehren. Das hat jetzt EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker angekündigt.

Altkanzler Helmut Kohl soll nach dem Willen von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker als erster Politiker überhaupt mit einem europäischen Staatsakt geehrt werden.

„Schon zu Lebzeiten wurde Helmut Kohl mit der Ehrenbürgerschaft Europas ausgezeichnet, um seine außerordentlichen Verdienste zu würdigen. Deshalb gebührt Helmut Kohl nun auch ein europäischer Staatsakt, für den ich mich persönlich einsetzen werde“, sagte Juncker der Bild am Sonntag. Der Staatsakt ist nach Angaben des Blattes in Straßburg vorgesehen. Es wäre das erste Mal, dass ein europäischer Staatsakt ausgerichtet wird.

Trauer in ganz Deutschland

Der langjährige Bundeskanzler und Wegbereiter der Wiedervereinigung war am Freitagmorgen im Alter von 87 Jahren in seiner Heimatstadt Ludwigshafen gestorben. Offen blieb zunächst, wann und wo es einen Staatsakt in Deutschland geben wird. Entscheidungen seien noch nicht gefallen, hieß es am Samstag aus der Mainzer Staatskanzlei und dem Bundespräsidialamt in Berlin. Selbstverständlich wäre das Land sehr geehrt, wenn ein solcher Staatsakt in seiner Heimat stattfinden würde, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Abend im ZDF. „Aber es ist genauso klar, dass die Familie dazu das letzte Wort hat.“

Inzwischen nehmen Menschen in ganz Deutschland Abschied von Helmut Kohl. Die CDU legte in ihrer Zentrale in Berlin ein Kondolenzbuch aus und richtete ein Online-Kondolenzbuch ein. Von Sonntag an liegt auch im Bundeskanzleramt ein Kondolenzbuch aus, ebenso wie in der Mainzer Staatskanzlei.

Junge Union nimmt Abschied

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft wird am Montag beim Auftaktspiel zum Confederations Cup gegen Australien mit Trauerflor spielen. Der Weltverband FIFA gestattete am Samstag einen entsprechenden Antrag des Deutschen Fußball-Bundes. Der frühere SPD-Vorsitzende und -Kanzlerkandidat Rudolf Scharping plädierte in der Welt am Sonntag dafür, Straßen und Plätze nach Helmut Kohl zu benennen.

Im Gedenken an Kohl versammelten sich am Samstagabend etwa 150 bis 200 Mitglieder der Jungen Union. Die aus ganz Deutschland angereisten Vertreter der CDU-Nachwuchsorganisation legten Blumen, Kränze und Kerzen vor dem Bungalow im Stadtteil Oggersheim nieder. „Wir wollen unsere Trauer zeigen und Abschied nehmen“, sagte der Bundesgeschäftsführer der Jungen Union, Conrad Clemens. Sie seien von der Todesnachricht sehr betroffen gewesen und wollten vor dem Wohnhaus Kohls Abschied nehmen.

Bei der Verleihung des Point-Alpha-Preises an den Liedermacher und früheren DDR-Dissidenten Wolf Biermann legten die 1000 Gäste und Zuschauer im osthessischen Rasdorf eine Schweigeminute ein. Der Altkanzler war im Jahr 2005 zusammen mit Ex-Kreml-Chef Michail Gorbatschow und dem ehemaligen US-Präsident George Bush senior der erste Empfänger des Point-Alpha-Preises gewesen, der Verdienste um die Einheit Deutschlands und Europas würdigt.

Merkel spricht von einem „Glücksfall für uns Deutsche“

Politiker aus dem In- und Ausland ehrten Kohl als großen Staatsmann und würdigten seine Verdienste um die Deutsche Einheit und Europa. Der CDU-Politiker hatte nach der friedlichen Revolution in der DDR 1989 mit den Staats- und Regierungschefs Russlands, der USA, Großbritanniens und Frankreichs die Bedingungen für die Deutsche Einheit ausgehandelt. Er gilt als Kanzler der Einheit und Wegbereiter der Europäischen Union.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte Kohl am Freitag als „großen Europäer“ und als „Glücksfall für uns Deutsche“ bezeichnet. Die Nachricht von Kohls Tod erreichte die Regierungschefin während eines Besuches in Rom. Dort traf sie am Samstag Papst Franziskus. Nach einer Privataudienz im Vatikan sagte Merkel, der Papst habe seine Anteilnahme ausgedrückt und Kohl als „großen Staatsmann“ gewürdigt.

Weltweite Anerkennung

Der einstige sowjetische Staatspräsident Michail Gorbatschow würdigte Kohl als Politiker, der deutliche Spuren in der Weltgeschichte hinterlasse. „Die Deutschen haben Helmut Kohl den Spitznamen ‚Kanzler der deutschen Einheit‘ gegeben. Das ist richtig und gerecht“, sagte Gorbatschow. Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban lobte in einem Nachruf Kohl als herausragenden Staatsmann: „Möge Gott dem Freund Ungarns, dem großen Alten Helmut Kohl gnädig sein.“

US-Präsident Donald Trump beschrieb Kohl als Freund und Verbündeten der USA. Kohl sei nicht nur der Vater der deutschen Wiedervereinigung gewesen, sondern auch ein Verfechter für Europa und das transatlantische Verhältnis. Die Welt habe von seinem Weitblick und seinen Anstrengungen profitiert. „Sein Vermächtnis wird weiterleben.“ Italiens früherer Ministerpräsident Matteo Renzi bezeichnete Helmut Kohl als einen Giganten. Er sei einer der Väter des Europas der Völker gewesen. „Dies zu leugnen ist nicht nur ungerecht, es ist unmöglich“, sagte Renzi.

Kohl regierte als Bundeskanzler 16 Jahre, so lange wie bisher niemand vor und nach ihm. Er war treibende Kraft für die EU und eine gemeinsame Währung. Immer wieder hob er die Bedeutung der europäischen Idee für Frieden und Wohlstand hervor.