Schickte er den Spion nach Deutschland? Der Schweizer Geheimdienstchef Markus Seiler. (Foto: Imago/ EQ Images)
Schweiz

Spione gegen Steuerfahnder

Ein bezahlter Agent sollte deutsche Finanzbehörden ausspähen - mutmaßlich im Auftrag des Schweizer Geheimdienstes. Die deutsche Politik reagiert empört auf diesen Spionageakt unter Nachbarn und verlangt vollständige Aufklärung.

Nach der Affäre um Spionage-Vorwürfe gegen die Schweiz fordern deutsche Politiker Konsequenzen. Der CDU-Innenexperte Armin Schuster hält ein Abkommen über einen Spionageverzicht zwischen Deutschland und dem Nachbarland für wünschenswert. Der langjährige Schweizer Botschafter in Deutschland, Tim Guldimann, warnte vor einer Eskalation.

Spitzel im Finanzamt

Der Schweizer Geheimdienst soll Spione auf deutsche Steuerfahnder angesetzt haben und einen bisher nicht identifizierten Spitzel in der Finanzverwaltung von Nordrhein-Westfalen platziert haben. Dieser sollte Informationen darüber beschaffen, wie deutsche Behörden beim Ankauf von Schweizer Bankdaten vorgehen. Das geht nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR aus dem Haftbefehl gegen den am vergangenen Freitag in Frankfurt verhafteten Schweizer Agenten Daniel M. hervor.

Dass wir nachrichtendienstlich gegeneinander arbeiten, halte ich für völlig verfehlt.

Armin Schuster, CDU-Innenexperte

Daniel M. habe den Auftrag erhalten, eine Liste mit den Namen und persönlichen Daten deutscher Steuerfahnder zu vervollständigen. Damit sei es den Schweizer Behörden möglich gewesen, die deutschen Steuerfahnder zu identifizieren, die am Ankauf der Bankdaten beteiligt gewesen waren. Dies soll dann auch die Grundlage gewesen sein für mehrere Haftbefehle der Schweizer Justiz gegen deutsche Steuerfahnder, in denen den deutschen Beamten unter anderem „nachrichtliche Wirtschaftsspionage“ und „Verletzung des Bankgeheimnisses“ vorgeworfen werde.

Mehrere Bundesländer, allen voran NRW, haben seit einigen Jahren CDs mit Bankdaten potenzieller deutscher Steuerbetrüger aus der Schweiz und Liechtenstein gekauft. Insgesamt sollen dem verhafteten Schweizer für seine Dienste laut Haftbefehl 90.000 Euro versprochen worden sein.

Union will No-Spy-Abkommen

CDU-Mann Schuster, der Mitglied des Geheimdienst-Kontrollgremiums des Bundestags (PKGr) ist, sagte dem Handelsblatt: „Dass wir nachrichtendienstlich gegeneinander arbeiten, halte ich für völlig verfehlt.“ Ein Abkommen über einen Spionageverzicht könnte seiner Ansicht nach auch Österreich einbeziehen. Die Geheimdienste dieser Länder sollten ihr Augenmerk lieber mehr auf den internationalen Terrorismus richten und stärker arbeitsteilig arbeiten.

Ex-Botschafter Guldimann nannte die Angelegenheit „hochnotpeinlich“. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte er: „Erst gehen deutsche Steuerfahnder mit zweifelhaften Methoden auf Schweizer Territorium zu Werke und kaufen gestohlene Bankdaten, dann bricht der Schweizer Geheimdienst offenbar deutsches Recht auf deutschem Boden. Beides ist nicht legitim – vor allem nicht unter Ländern, die eine so enge Partnerschaft verbindet.“

Dubioser Doppelagent

Nach Informationen des Schweizer Radios wird gegen den verhafteten Mann auch in der Schweiz ermittelt. Dem 54-Jährigen werde vorgeworfen, vermeintliche Schweizer Bankdaten an Deutsche verkauft zu haben. „Daniel M. wurde damals in einer Agent-Provocateur-Aktion von Deutschen angesprochen und ist bis zu einem gewissen Grad auf diese Angebote eingegangen“, sagte sein Schweizer Anwalt Valentin Landmann dem Schweizer Fernsehen SRF. Sein Mandant habe aber keinerlei gültige Bankdaten aus der Schweiz geliefert. Als Agent Provokateur wird jemand bezeichnet, der – meist im Auftrag eines Staates – Dritte zu rechtswidrigen Handlungen animieren soll.

Die Bundesregierung dringt auf volle Aufklärung des Spionagefalls. „Das muss natürlich bis ins Letzte aufgeklärt werden, was da passiert ist“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Beantwortet werden müssten die Fragen: „Warum? Wann? Mit wessen Beteiligung? Hintermänner? Zielrichtung der Aktivitäten und so weiter“, sagte Seibert.

Der Schweizer Geheimdienst hat bislang konkrete Angaben zu dem Fall abgelehnt. NDB-Chef Markus Seiler erklärte lediglich, der Nachrichtendienst sei generell in der Schweiz und im Ausland aktiv. Zu seinen Aufgabe gehöre auch die Spionageabwehr. Es gelte zu verhindern, dass „jemand mit illegalen Mitteln Geheimnisse stiehlt“. Eine Antwort auf die Frage, warum die Schweiz Steuerhinterziehung ausländischer Staatsbürger auf eigenem Boden so viele Jahrzehnte duldete beziehungsweise „übersehen“ hat, blieb er schuldig.

Mysteriöser Auto-Einbruch

Ein weiterer Vorfall hat offenbar nichts mit Spionageaffäre zu tun. Die Bild-Zeitung hatte berichtet, Unbekannte hätten das Auto eines Düsseldorfer Steuerfahnders während einer Besprechung im Finanzamt Wuppertal aufgebrochen. Oberstaatsanwalt Lutz Niemann erklärte jetzt, es sei tatsächlich ein Dienstfahrzeug auf dem Parkplatz des Wuppertaler Finanzamtes aufgebrochen worden. „Die Unterlagen stehen aber nicht in Bezug zu einer angekauften Steuer-CD aus der Schweiz.“

(dpa)