Affären pflastern seinen Weg: SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz. (Foto : Imago/J. Krick/Future Image)
SPD-Kandidat

EU-Parlament rügt Schulz

Beförderungen, Prämien, Dauerdienstreisen von Vertrauten - das EU-Parlament hat einiges auszusetzen an der Amtsführung seines ehemaligen Präsidenten. Dem heutigen SPD-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten Martin Schulz halten die Abgeordneten unter anderem einen kritikwürdigen Umgang mit Steuergeldern vor.

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat vom EU-Parlament eine Rüge für Personalentscheidungen aus seiner Zeit in Brüssel erhalten. Die Abgeordneten stimmten mehrheitlich dafür, Beförderungsbeschlüsse und Prämienzahlungen ihres früheren Präsidenten in einem Entlastungsbericht infrage zu stellen. Zudem wird die „Dauerdienstreise“ eines engen Schulz-Vertrauten nach Berlin als kritikwürdiger Umgang mit Steuergeldern bezeichnet. Der Mitarbeiter ist heute SPD-Wahlkampfmanager. Zuvor hatte bereits der Haushaltskontrollausschuss des Parlaments die Vorgehensweise des ehemaligen Parlamentspräsidenten missbilligt. Schulz war von 2012 bis Anfang 2017 Präsident der EU-Volksvertretung.

Auslandszulage in der Heimat

Mit Spannung wird nun erwartet, wie die derzeitige Parlamentsspitze mit dem kritischen Bericht umgeht. Sie wird unter anderem aufgefordert, eine regelwidrige Entscheidung von Schulz aus dem Jahr 2015 formal zu widerrufen, die mehreren Mitarbeitern langfristige Karrierevorteile sichern sollte.

Schulz hatte es zugelassen, dass ein Mitarbeiter für sich und Kollegen Beförderungsbeschlüsse formulierte. Mit nach Angaben der Parlamentsverwaltung regelwidrigen Entscheidungen sollte festgelegt werden, dass die Mitarbeiter nach ihrem Ausscheiden aus dem Team von Schulz lukrative Dienstgrade behalten. Schulz hatte die als Präsidentenbeschluss verfassten Entscheidungen im Oktober 2015 unterschrieben. Sie waren erst von der Parlamentsverwaltung gestoppt worden.

Über den Fall des Schulz-Vertrauten Markus Engels hatte zunächst der Spiegel berichtet. Der Deutsche wurde 2012 von Schulz auf Dauerdienstreise nach Berlin geschickt, obwohl er bereits zuvor in der deutschen Hauptstadt seinen Lebensmittelpunkt hatte. Engels konnte dadurch eine 16-prozentige Auslandszulage und zumindest zeitweise Tagegelder kassieren. Engels ist inzwischen technischer Wahlkampfleiter in der SPD-Zentrale. Laut einem Bericht der Welt verantwortet er die Teams Kanzlerkandidat, Presse, Online, Programm/Texte, Forschung/Konkurrenz.

Vorwurf der „Vetternwirtschaft“

Die Sozialdemokraten im Europaparlament hatten versucht zu verhindern, dass die Vollversammlung die Rüge des Haushaltskontrollausschusses bestätigt. Für die relevante Plenarsitzung am Donnerstag brachte die Fraktion deswegen entsprechende Änderungsanträge ein. Sie sahen vor, kritische Passagen in dem zur Abstimmung stehenden Bericht umzuformulieren oder ganz zu streichen.

Lügen werden nicht dadurch wahrer, dass man sie permanent wiederholt.

Inge Gräßle, CDU-Europaabgeordnete

„Was der Haushaltskontrollausschuss beschlossen hat, ist meiner Ansicht nach substanziell falsch“, schimpfte SPD-Gruppenchef Jens Geier am späten Mittwochabend in der parlamentarischen Aussprache zur Abstimmung und warf dem Gremium vor, für die deutsche CDU Bundestagswahlkampf zu betreiben. Die Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses, Inge Gräßle (CDU), entgegnete: „Lügen werden nicht dadurch wahrer, dass man sie permanent wiederholt.“ Das, was unter Schulz im EU-Parlament passiert sei, müsse als Vetternwirtschaft bezeichnet werden. Ein solcher Umgang mit Steuerzahlergeldern müsse zumindest in Zukunft verhindert werden.

Schulz selbst hatte die Vorwürfe ebenfalls zurückgewiesen. „Die Mehrheit im Haushaltsausschuss kam nur zustande, weil Anti-Europäer, Konservative und Grüne sich zusammengetan haben“, sagte er in einem Interview.

Diener für den Präsidenten

Die Amtsführung von Schulz als Präsident des EU-Parlaments ist allerdings auch in früheren Jahren mehrfach auf Kritik gestoßen. So bemängelten EU-Parlamentarier die „hohe Zahl an Mitarbeitern“, die Schulz in seinem Büro beschäftigte: 35 Menschen arbeiteten demnach zwischenzeitlich für Schulz, darunter zwei Fahrer und ein persönlicher Amtsdiener. Diese Zahl an Mitarbeitern sei „äußerst fragwürdig“ und gebe „ein schlechtes Beispiel für die Senkung von Kosten und finanzpolitische Verantwortung innerhalb des Parlaments“, monierten die Abgeordneten. Auch die zwei Limousinen, die für Schulz bereit standen, stießen den Budget-Kontrolleuren sauer auf.

Kandidat Schulz hat eine handfeste Affäre am Hals.

Andreas Scheuer

Anlass zu Beschwerden gab auch Schulz´ Verhalten während des EU-Wahlkampfs im Jahr 2014. Hier sei es „schwierig“ gewesen, zwischen Schulz´ Aktivitäten als Parlamentspräsident und als Spitzenkandidat seiner Partei zu trennen. Mit Bedauern nahmen die Mitglieder des Haushaltskontrollausschusses es zur Kenntnis, dass Schulz zumindest „indirekt“ Mitarbeiter zur Vorbereitung seines Wahlkampfs herangezogen habe. Zudem habe Schulz das Twitter-Profil des Parlamentspräsidenten in sein persönliches Profil umfunktioniert und zu Wahlkampfzwecken verwendet.

EU-Tagegeld im Wahlkampf

In keinem guten Licht lässt auch ein Bericht des Fernsehmagazins Report aus dem April 2014 den damaligen Parlamentspräsidenten erscheinen. Wie die TV-Journalisten aufdeckten, kassierte Schulz zu seinem Gehalt als EU-Abgeordneter und üppigen steuerfreien Pauschalen für Wohnung, Wahlkreisbüro und Repräsentation täglich 304 Euro Tagegeld – an jedem Tag des Jahres, steuerfrei. Anders als normalen Angeordneten, die das Tagegeld nur erhalten, wenn sie an Plenar- und Ausschusssitzungen teilnehmen oder sich wenigstens in die Anwesenheitslisten eintragen, steht dem Parlamentspräsidenten das Tagegeld an 365 Tagen des Jahres zu. Dabei ist es vollkommen egal, wo er sich gerade aufhält, ob er für das EU-Parlament im Einsatz ist, für seine Partei, oder ob er gerade Urlaub macht.

Im Frühjahr 2014 war der Europawahlkampf bereits in vollem Gange. Bei Wahlkampfterminen trat der sozialdemokratische Kandidat Schulz auf, nicht der Präsident des EU-Parlaments. Auf Nachfragen von Report bestätigte ein Sprecher von Schulz damals diesen Sachverhalt und erklärte, Schulz beziehe seit dem 18. April keine Tagegelder mehr.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer kommentierte Schulz‘ Verhalten so: „Jetzt ist es amtlich: Das EU-Parlament rügt Ex-Präsidenten Schulz für seine Günstlingswirtschaft. Das Abtauchen und Mauern muss jetzt endlich ein Ende haben.“ Scheuer fügte hinzu: „Kandidat Schulz hat eine handfeste Affäre am Hals.“

(dpa/TR)