Mit dem Flüchtlingsflieger ins Erdinger Moos
Der "Warteraum Asyl" auf einem Militärflugplatz bei Erding könnte zu einem der neuen Ankunftzentren des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ausgebaut werden. Die Behörde lässt derzeit die Zelte für die Unterbringung durch wetterfestere Leichtbauhallen ersetzen. Die Lokalpolitiker fühlen sich überrumpelt.
Türkei-Deal

Mit dem Flüchtlingsflieger ins Erdinger Moos

Der "Warteraum Asyl" auf einem Militärflugplatz bei Erding könnte zu einem der neuen Ankunftzentren des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ausgebaut werden. Die Behörde lässt derzeit die Zelte für die Unterbringung durch wetterfestere Leichtbauhallen ersetzen. Die Lokalpolitiker fühlen sich überrumpelt.

Nach dem Flüchtlings-Deal der Europäischen Union mit der Türkei nimmt das beschleunigte Asylverfahren in der Bundesrepublik weiter Formen an – mit Auswirkungen auch in Bayern. Der Erdinger Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) kehrte jüngst von einem Treffen mit Kanzleramtsminister und Flüchtlingskoordinator Peter Altmaier (CDU) zurück. Mit der Erkenntnis: Der „Warteraum Asyl“, seit Mitte Oktober eine Unterkunft für bis zu 2500 Flüchtlinge auf einem Fliegerhorst im Landkreis Erding, werde für den EU-weiten Austausch von Migranten gebraucht. „Es werden Aufnahmelager benötigt, die sich in der Nähe internationaler Flughäfen befinden. Das wäre in Erding der Fall“, sagt Bayerstorfer.

Dem Abkommen mit der Türkei zufolge nimmt die EU bis zu 72.000 Syrer auf, im Austausch für syrische Migranten, die illegal nach Griechenland übergesetzt haben und in die Türkei zurückgeschickt werden. Kanzleramtsminister Altmaier zufolge geht dieser Austausch künftig bevorzugt auf dem Luftweg vonstatten.

Von Null auf 2500 – und zurück

Im „Warteraum Asyl“ lebt derzeit kein einziger Flüchtling. Noch Anfang des Jahres aber operierte die Einrichtung an seiner Kapazitätsgrenze von 2500, als die Bundespolizei Neuankömmlinge per Bus von der bayerischen Grenze heranschaffte, damit sie nach ärztlicher Untersuchung und Identifikation auf andere Bundesländer verteilt werden. Ende Januar kam Altmaier zu Besuch und bescheinigte den Helfern von Rotem Kreuz und der Bundeswehr: „Es ist beeindruckend, was hier geleistet wird.“

Seit die Balkanroute dicht ist und wesentlich weniger Flüchtlinge über die Grenze kommen, stehen die Zelte auf dem Erdinger Militärflugplatz jedoch leer. Derzeit lässt sie Camp-Leiter Volker Grönhagen sukzessive durch wetterfestere Leichtbauhallen ersetzen, was mit erheblichen Investitionen verbunden ist. Hintergrund: Der „Warteraum Asyl“ soll zu einem der Ankunftszentren ausgebaut werden, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bundesweit errichtet. Die Zustimmung seitens des Freistaats steht freilich noch aus.

Auf Nachfrage erklärt ein Sprecher des Innenministeriums in München, von einer Entscheidung zugunsten des Standorts Erding sei in seinem Haus nichts bekannt. Auch das Sozialministerium, das für die Unterbringung von Flüchtlingen in Bayern zuständig ist, teilt mit, es gebe in dieser Sache „keine neuen Erkenntnisse“. Beide Ministerien verweisen darauf, bei dem Fliegerhorst handele es sich um eines Bundesliegenschaft – weshalb auch der Bund für seine Nutzung zuständig sei. Das Land werde nur um die Zustimmung gebeten, das erwarte man aber auch. Diese ist aber offenbar bislang nicht erteilt. Das BAMF wiederum behauptet, bezüglich der Zukunftspläne für das Gelände des Militärflugplatzes nordöstlich von Erding müsse man die Landesregierung befragen.

Ungeachtet dessen nutzen Mitarbeiter des „Warteraums Asyl“ im Moment die Zeit, um sich für die digitale Erfassung und Identifikation von Flüchtlingen schulen zu lassen. Die Nähe zum zivilen Münchner Airport Franz Josef Strauß deutet schwer darauf hin, dass hier der künftige Standort eines Ankunftzentrums entsteht.

Das beschleunigte Asylverfahren

In anderen Bundesländer gehen solche Zentren derzeit bereits in Betrieb, etwa in Lebach (Saarland), Dresden, Leipzig (Sachsen) oder Trier (Rheinland-Pfalz). Weitere Standorte sollen folgen. Tests in Heidelberg (Baden-Württemberg) oder Bad Fallingbostel (Niedersachsen) liefen erfolgreich.

Im Lauf des Frühjahres 2016 will das BAMF in jedem Bundesland solche Zentren eröffnet haben. „Unser Ziel ist es, die Flüchtlinge von der Grenze direkt in Ankunftzentren zu bringen“, erklärt BAMF-Chef Frank-Jürgen Weise, „dort gibt es Dolmetscher und eine Anhörung. Wenn alle Unterlagen vorliegen, kann innerhalb von 48 Stunden, höchstens in 72 Stunden entschieden werden.“ Mit der Einteilung in vier verschiedene Antragsteller-Profile, die je nach Herkunft und Status ihren Erfolg im Asylverfahren vorab einschätzen, will Weises Behörde das Prozedere beschleunigen.

Schon im Februar gab es Irritationen, weil Kommunen wie Passau, Deggendorf oder Erding vermuteten, der Bund plane seine Ankunftzentren auf ihrem Gebiet. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann reagierte damals skeptisch: „Wir werden sehen, wie wir mit den Ideen des Bundes umgehen. Entscheidend ist für uns: Wir wollen die Leistungsfähigkeit unserer besonderen Aufnahmeeinrichtungen in Manching, Ingolstadt und Bamberg erhalten. Damit wir vor allen Dingen diejenigen, die kein Recht haben, in unserem Land zu bleiben, in ihre Heimat zurückführen können.“ Wenn die vom BAMF geplanten Schnellverfahren in Passau, Deggendorf und Erding allerdings zu schnelleren Abschiebungen führten, sei das im Sinne seines Ministeriums.

Erdings Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) hingegen hatte geschimpft: „Das ist schon ein Stück Unverschämtheit, wie man hier mit den Kommunen umspringt.“