Bei ihrem Treffen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu konnte Angela Merkel die Türkei für eine Soforthilfe-Aktion als Partner gewinnen. Foto: imago/ZUMA Press
Flüchtlingszahlen

Weber begrüßt Kontingente für Flüchtlinge

CSU-Vize Manfred Weber hat die Ankündigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßt, dass einige EU-Staaten der Türkei demnächst sogenannte syrische Kontingent-Flüchtlinge abnehmen wollen. Es sei richtig und notwendig, dass die Kanzlerin diesen Weg aufzeigt, sagte der Chef der EVP-Fraktion im Europaparlament dem Berliner Tagesspiegel. Derweil fordern die Balkanländer ein Handeln der EU.

Zur Bewältigung der Flüchtlingskrise setzt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zunehmend auf eine Koalition der Willigen in der EU sowie direkte deutsch-türkische Kooperation. Wichtig sei, dass der Weg der Flüchtlinge aus Syrien über die Türkei nicht illegal verlaufe, sondern „kontrolliert, legal und von uns organisiert“, sagte Merkel am Montag nach Gesprächen mit dem türkischen Regierungschef Ahmet Davutoglu in Ankara. Es gebe eine Gruppe von Ländern in der EU, die freiwillig „die ersten Schritte tun werden“, sagte Merkel mit Blick auf den EU-Gipfel nächste Woche in Brüssel.

Mehr Schutz für die Menschen

Mit einer gemeinsamen Soforthilfe-Aktion wollen Deutschland und die Türkei die Not von Zehntausenden syrischen Flüchtlinge lindern, die vor Bombardierungen in ihrem Land bis zur türkischen Grenze geflohen sind. Merkel sicherte dem türkischen Premier Unterstützung durch das Technische Hilfswerk zu. Ankara versucht, die Flüchtlinge auf syrischem Gebiet zu versorgen.

Nach Schätzungen von Ärzte ohne Grenzen (MSF) sind fast 80.000 Syrer auf der Flucht in Richtung des türkischen Grenzübergangs Kilis. Dort warteten bereits rund 10.000 Flüchtlinge. Die Situation der Menschen, die auf Einlass in die Türkei warten, werde immer schwieriger. Es mangele an Unterkünften, Trinkwasser und sanitären Einrichtungen, sagte die Leiterin der MSF-Syrien-Mission, Muskilda Zancada.

Vor dem EU-Gipfel am 18. und 19. Februar ist die massenhafte Flucht aus Aleppo auch der Testfall für die Europäer.

Manfred Weber

Merkel und Davutoglu verurteilten die Luftangriffe des syrischen Regimes und Russlands in der Region von Aleppo. Russland verletze mit den Bombardements die UN-Resolution gegen Angriffe auf Zivilisten, sagte die Kanzlerin. Davutoglu warf Moskau vor, überhaupt nichts zum Frieden beitragen zu wollen. Russland wies Kritik an seinen Luftangriffen in Syrien erneut mit Nachdruck zurück.

 Wir sind entsetzt über das menschliche Leid durch die Bombenangriffe – auch von russischer Seite.

Angela Merkel

Zu der in der EU heftig umstrittenen Aufnahme von Flüchtlingen in Kontingenten sagte Merkel in Ankara: „Wir können nicht von der Türkei auf der einen Seite erwarten, dass sie alles stoppt, und auf der anderen Seite sagen wir: Ja, über die Kontingente sprechen wir dann in einem halben Jahr.“ Ankara hat der EU zugesagt, die Grenzen besser zu schützen. Im Gegenzug verspricht die EU der Türkei mindestens drei Milliarden Euro für die Versorgung der Flüchtlinge im Land.

Kampf gegen die Schlepper – mit Hilfe der Nato

Die Türkei hat nach eigenen Angaben bereits rund 2,5 Millionen Flüchtlinge alleine aus dem Bürgerkriegsland Syrien aufgenommen. Auf die Frage, ob die Türkei nicht viel mehr Geld brauchen werde, sagte Merkel: „Jetzt, würde ich sagen, geben wir erstmal das Geld aus. Wenn es alle ist, können wir auch wieder neu sprechen.“

Angesichts der Flüchtlingsdramen in der Ägäis setzten sich Merkel und Davutoglu für eine Beteiligung der Nato am Kampf gegen die Schlepper im Seegebiet zwischen Griechenland und der Türkei ein. Darüber solle noch in dieser Woche beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister gesprochen werden, sagte Merkel. Zudem strebe man eine Verbesserung der Arbeit der türkischen Küstenwache mit Griechenland und der EU-Grenzschutzagentur Frontex an.

Beim Untergang von zwei Flüchtlingsbooten in der türkischen Ägäis ertranken nach Angaben vom Montag mindestens 38 Menschen, darunter 11 Kinder. Viele Migranten wagen trotz schlechter Wetterbedingungen die gefährliche Überfahrt über die Ägäis zu den in der Nähe der türkischen Küste gelegenen griechischen Inseln – und damit auf das Gebiet der Europäischen Union.

In Deutschland kam derweil eine neue Forderung aus der Union nach weiteren Gesetzesverschärfungen. CDU-Vize Thomas Strobl sprach sich für höhere Hürden für ein unbefristetes Aufenthaltsrecht aus. Dies sollten Asylbewerber frühestens nach fünf Jahren erhalten. Sie sollten „einigermaßen ordentlich Deutsch sprechen können“, Grundkenntnisse der deutschen Rechts- und Gesellschaftsordnung besitzen und keine Straftaten begangen haben. Zudem sollten sie mit Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung nachweisen können, dass sie selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können, sagte Strobl in der Zeitung „Die Welt“.

Balkanländer erwarten Konzept von der EU

Derweil erwarten die Länder entlang der Balkanroute, dass die EU endlich konkret handele, um den Zustrom an Flüchtlingen zu begrenzen. Sei es mittels Quoten oder durch die Schließung der Grenzen.

„Serbien kann nicht 100.000 oder 200.000 Flüchtlinge aufnehmen. Wir werden nicht zum Parkplatz werden“, hat Serbiens Regierungschef Aleksandar Vucic vergangene Woche klar gemacht. Auch Kroatien, Slowenien und Mazedonien fürchten, Zehntausende könnten bei ihnen stranden und sagen unisono: „Wir werden bestimmt nicht zum Hotspot“.

Schon das EU-Krisentreffen im vergangenen Oktober in Brüssel hatte geplant, dass rund 50.000 Flüchtlinge vorübergehend in den Ländern Südosteuropas außerhalb Griechenlands Aufnahme finden sollten. Davon wurde jedoch bis heute nichts umgesetzt. Vergangenes Jahr sind etwa eine Million Migranten über die Balkanroute nach Westeuropa gekommen. Die Länder auf diesem Transitweg reichten die Flüchtlinge nur weiter. Doch jetzt hat Österreich eine jährliche Obergrenze von 37.500 Aufzunehmenden angekündigt und will noch in diesem Monat mit der täglichen Drosselung des Zustroms beginnen.

Im Nachbarland Slowenien wurden dagegen allein von Jahresbeginn bis Ende vergangener Woche knapp 68.000 Menschen registriert. „Serbien werden (im laufenden Jahr) eine Million Menschen durchqueren!“, titelte die serbische Regierungszeitung Novosti vergangenen Sonntag unter Berufung auf heimische Experten. Neben Syrern, Irakern, Afghanen und Pakistanern würden dann auch Ägypter erwartet.

Wir werden sicher nicht zum Wartesaal.

Nebojsa Stefanovic, Innenminister Serbien

Die Belgrader Zeitung Danas hat erfahren, dass Serbien nach einem geplanten EU-Quotensystem 6.000 Menschen aufnehmen soll. Mit Spannung wird in dieser Woche der Besuch des österreichischen Außenministers Sebastian Kurz in den Ländern der Region erwartet. Kurz hatte wiederholt vorgeschlagen, die Grenze zwischen Mazedonien und Griechenland durch EU-Soldaten besser abzuriegeln, um auf den erwarteten neuen Ansturm vorbereitet zu sein.

Entlastung für die Balkanroute

Im Euroland Slowenien hatte Regierungschef Miro Cerar schon im Januar seinen Kollegen einen ganz ähnlichen Vorschlag gemacht. Diese Maßnahme hätte „den sofortigen Effekt, die Länder entlang der Route zu entlasten und die irreguläre Migration zu vermindern“, sagt sein Kabinett. Slowenien hatte vergangene Woche bereits 25 Polizisten nach Mazedonien geschickt, um die Grenze zu Nordgriechenland zu sichern. Dort werden in den nächsten Tagen viele Tausende Menschen erwartet, die von dem griechischen Generalstreik aufgehalten worden waren.

Dennoch wurden am Samstag rund 1.800 neue Migranten gezählt, teilte das Innenministerium mit. Die Außenminister des jüngsten EU-Mitglieds Kroatien und des EU-Kandidaten Mazedonien, Miro Kovac und Nikola Poposki, wie auch Serbiens Regierungschef Vucic verlangen immer wieder nach Vorgaben Brüssels, wie die Flüchtlingskrise in den Griff zu bekommen ist. „Es ist nur notwendig, dass wir eine umfassende gemeinsame europäische Lösung hören“, sagt Vucic immer wieder. Ob es sich um Quoten handele oder darum, die Grenzen dicht zu machen, sein Land werde diesen Vorgaben folgen. Doch solche Vorgaben gebe es weit und breit nicht.