Polizisten sichern einen Tatort in der Altstadt von Jerusalem. Seit September kommt es immer wieder zu Messerattacken auf Israelis. Foto: imago/xinhua
Gewalt im Nahen Osten

Wieder Angriffe auf Israelis

Seit Anfang September rollt eine erneute Welle der Gewalt durch Israel. Zumeist jugendliche Palästinenser greifen ohne Vorwarnung israelische Passanten mit Messern an. Da die Angreifer wohl keiner militanten Organisation zugeordnet werden können, ist es für die Sicherheitskräfte schier unmöglich, Taten zu verhindern. Derweil stocken internationale Vermittlungsbemühungen.

Bei zwei Terrorattacken in Jerusalem sind drei Israelis und ein palästinensischer Angreifer getötet worden. Mehr als 20 weitere Menschen wurden verletzt, davon sechs schwer, wie israelische Medien berichten. Es war der bisher blutigste Tag während der seit knapp zwei Wochen anhaltenden neuen Gewaltwelle in Israel. Zwei Palästinenser brachten im Stadtteil Talpiot einen städtischen Autobus in ihre Gewalt. Sie versperrten die Türen und griffen die Fahrgäste mit Schuss- und Stichwaffen an. Zwei Passagiere starben, sieben weitere erlitten Verletzungen. Schließlich stoppte ein privater Sicherheitsmann den Bus. Er erschoss einen Attentäter und setzte den zweiten mit Schüssen außer Gefecht.

Fast zur gleichen Zeit raste im jüdisch-orthodoxen Stadtviertel Geula ein Palästinenser mit seinem Wagen in eine Gruppe Menschen, die an einer Bushaltestelle wartete. Ein Israeli wurde getötet, ein weiterer schwer verletzt. Der Angreifer stieg aus und stach mit einem Messer auf seine Opfer ein. Er wurde am Ende mit Schüssen verletzt und festgenommen. Am selben Vormittag kam es in Raanana bei Tel Aviv zu zwei separaten Messerangriffen von Palästinensern. Jeweils ein Mann und eine Frau erlitten Verletzungen. Die Attentäter wurden in beiden Fällen überwältigt und festgenommen.

Es begann am Tempelberg

Begonnen hatte alles mit Unruhen am Tempelberg in Jerusalem. Junge Palästinenser verschanzten sich Mitte September in der Al-Aksa-Moschee. Ihr Ziel war es, mit Steinen und Feuerwerkskörpern die Moschee, die als drittheiligste Moschee des Islam gilt, zu verteidigen.

Seitdem gibt es immer wieder unvermittelte Messerattacken zumeist junger Palästinenser ohne Bezug zu einer militanten Organisation auf zufällig ausgewählte israelische Zivilisten. Da die Täter wie aus dem Nichts angreifen, ist es für Polizisten und Sicherheitsleute fast unmöglich, die Taten zu verhindern. Seit Beginn des Monats Oktober wurden sieben Israelis und 28 Palästinenser bei rund 20 solcher Angriffe getötet.

Streit um Bau eines weiteren Tempels

Der Tempelberg wird von Juden und Muslimen gleichermaßen als Heiligtum verehrt. Gerade während des jüdischen Neujahrsfestes Rosch ha-Schana besuchen viele nationalreligiöse Siedler den Ort. Viele von ihnen wünschen sich den Bau eine dritten Tempels auf dem Moscheegelände. Dies führt immer wieder zu Streitigkeiten zwischen Israel und Palästina und war auch der Grund für die Attacke der Jugendlichen.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Auch in den letzten Tagen ist es wieder zu einem Angriff gekommen. Wie die Nachrichtenagentur dpa meldet, hatte ein Palästinenser am Montag in einem Bus versucht, einem israelischen Soldaten die Waffe zu entreißen. Dabei verletzte er den Soldaten und mehrere Fahrgäste mit einem Messer. Wenig später wurde der Angreifer von der Polizei erschossen. Am Dienstag raste ein Mann in Jerusalem mit seinem Auto in eine Gruppe Menschen, die an einer Bushaltestelle warteten. Anschließend griff er diese mit einem Messer an.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gab sich trotz der wachsenden Gewalt in der Knesset, dem israelischen Parlament, kämpferisch: Durch „Messerterror“ sei Israel nicht zu besiegen. Riad al-Malki, palästinensischer Außenminister, sieht die Schuld für die Angriffe dagegen ganz klar auf der Seite der Israelis. Er warf Netanjahu vor, es sei dessen Plan, eine „dritte Intifada“ herauf zu beschwören, um von politischen und diplomatischen Problemen abzulenken, bei deren Lösung Netanjahu „kläglich gescheitert“ sei.

Bereits im September hatte der jordanische König Abdullah Israel mit Konsequenzen gedroht, sollte die islamische Hoheit über die Al-Aksa-Moschee nicht respektiert werden. Abdullah nimmt neben seiner Rolle als König Jordaniens auch die des Hüters des Tempelbergs ein.

Jede weitere Provokation in Jerusalem wird die Beziehungen zwischen Jordanien und Israel in Mitleidenschaft ziehen.

Jordaniens König Abdullah

Internationale Vermittler reisen nicht nach Israel

Auf internationale Unterstützung können die Menschen im Land aktuell nicht hoffen. Die Mitglieder des Nahost-Quartetts, also die USA, die EU, Russland und die Vereinten Nationen, haben eine geplante Vermittlungsmission kurzfristig verschoben. Diesem Wunsch Israels sei man aufgrund der aufgeheizten Stimmung nachgekommen, sagt Edgar Vasquez, Sprecher der Nahost-Abteilung im amerikanischen Außenministerium.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sieht bei der Beendigung des Gewaltkonflikts beide Seite in der Pflicht. In Luxemburg sagte er, es sei unausweichlich, „dass beide Seiten sich bemühen, die Lage zu entschärfen“. Weiterhin betonte Steinmeier, Deutschland halte an seiner außenpolitischen Linie fest, nach der es „keine Alternative“ zur Zweistaatenlösung gebe.

Als „Intifada“ bezeichnet man zwei Aufstände der Palästinenser gegen Israel.

Dabei kam es über Jahre hinweg zu Straßenschlachten, Anschlägen und Demonstrationen gegen die israelische Besatzungspolitik.

Die „Erste Intifada“ (1987 bis 1993) begann in einem Flüchtlingslager im nördlichen Gazastreifen und verbreitete sich von dort in Richtung Westjordanland und nach Ostjerusalem. Sie endete durch den „Vertrag von Oslo“ und die Schaffung der Palästinensischen Autonomiebehörde.

Die „Zweite Intifada“ (2000 bis 2005) wurde durch den Besuch des damaligen Oppositionsführers Ariel Sharon auf dem Tempelberg ausgelöst, der zu heftigen Protesten der Palästinenser führte. Sharon wollte mit seinem Besuch ein Zeichen setzen, dass Israel nicht geteilt werde und es nicht zur Gründung eines palästinensischen Staates komme.