Donald Trump sorgt dafür, dass seine Partner Selbstverständliches Infrage stellen. (Bild: Imago/Xinhua/Yin Bogu)
USA

Trumps Weg und die Realität

Gastbeitrag Seit Donald Trump Präsident der USA ist, stellen internationale Partner plötzlich Selbstverständliches infrage. Norman Blevins von der Hanns-Seidel-Stiftung hat Amerikas Rolle in der Welt für den BAYERNKURIER analysiert.

Mit Donald Trump begann das Infragestellen von Selbstverständlichkeiten unter Partnern. Die Suche nach der neuen Rolle für Amerika, das die Bürde des Weltpolizisten ablegen will, hat dem Faktor Unsicherheit eine prominentere Rolle verliehen. Bei der Orientierung zwischen „Leading from Behind“ (Obama) und „Make America Great Again“ sind Fragen auf den Tisch gekommen, die früher undenkbar waren: Wie weit ist auf Amerika noch Verlass? Wie ausgeprägt sind gemeinsame Interessen wie freier Welthandel oder der Gestaltungsanspruch für eine liberale Weltordnung? Wo sehen die USA den eigenen Fokus im Zusammenhang mit Europa, Asien oder anderen Teilen der Welt?

Der „Big Stick“ übertönt die Vernunft

Die USA haben spätestens seit Anfang des 20. Jahrhunderts den Anspruch als globale Macht formuliert. Die Devise lautete: speak softly and carry a big stick – diplomatische Lösungen gepaart mit dem „großen Stock“ in der Hand, um nicht erpressbar zu sein. Trumps Administration scheint diese Devise unter anderen Vorzeichen übernommen zu haben. Die geplante Erhöhung der Rüstungsausgaben um knapp 56 Milliarden US-Dollar zeigt: Der Stock soll größer werden. Gleichzeitig sollen dem Außenministerium und der Entwicklungshilfe bis zu 30 Prozent der Mittel gekürzt werden. Die Stimme der Vernunft mit Amerikas zivilem Gestaltungsanspruch könnte leiser werden.

Ich habe den Eindruck, dass die USA dankbar sind, dass sie mit der EU einen starken Partner an ihrer Seite haben.

Manfred Weber (CSU), Vorsitzender der Fraktion der Europäischen Volkspartei

Mit den jüngsten Militäraktionen demonstriert der neue US-Oberbefehlshaber Lernfähigkeit, sich seinen Widersprüchen aus dem Wahlkampf zu stellen. Die geforderte Zurückhaltung bei Interventionen lässt sich nicht unbedingt mit den eigenen ordnungspolitischen Interessen vereinbaren. Sein Handeln und Nicht-Handeln hat schließlich Konsequenzen. Der Bombeneinsatz in Afghanistan vom April signalisiert, dass das Pentagon bei Operationen die politische Führung übernommen hat. Ein Indiz für militärische Berechenbarkeit und der Hoffnung, dass weiterhin Entscheidungen nicht impulsiv gefällt werden – zumindest nicht dort.

Hausaufgaben für Europa

Das Verhältnis zu Europa hat begonnen, sich zu verändern, wie man an der überfälligen Diskussion über die Lastenverteilung sieht. Die USA als angeschlagene Wirtschaftsgroßmacht mit einem enormen Außenhandelsdefizit  spüren ihre Grenzen. Daher fordern sie zu Recht einen höheren Eigenanteil des „alten Kontinents“ bei elementaren Interessen wie Sicherheit und Verteidigung. Warum sollte auch heute noch mit amerikanischen Steuergeldern und Blut europäische Sicherheit gekauft werden? Eine zentrale Fragestellung bei der militärischen und nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit. Denn ohne amerikanische Geheimdienste wäre der BND beim Thema Terrorismus im Inland nur bedingt abwehrfähig.

Chance auf Weiterentwicklung

Donald Trump hat in seiner direkten Art Europa an seinen Hausaufgaben erinnert – vermutlich unbewusst, aber effektiv. Es ist ermutigend, dass der Brexit-Befürworter zu erkennen scheint, wie wichtig die Nato ist und welche Funktion die Europäische Union hat. Mit diesen steilen Lernkurven eröffnen sich Chancen auf eine Weiterentwicklung der Beziehungen.
Irritierend für die Partner war zunächst Trumps Verhältnis zu Moskau. Aber aufgrund der anhaltenden russischen Aggression in der Ukraine besinnt sich Trump auf die engen transatlantischen Beziehungen als einendes Interesse. Wie lange diese gemeinsame europäisch-amerikanische Linie so beibehalten wird, bleibt abzuwarten. Denn die wachsende Anzahl an kritischen Stimmen aus Europa stellt eine größere Gefahr dar, als ein befürchtetes Umdenken in Washington.

Alte Konflikte, neue Probleme

Andere uns wohlbekannte Regionen warten mit alten Konflikten auf, die einer Lösung bedürfen. Trump möchte Bewegung in den unlösbar scheinenden Nahostkonflikt bringen. Erschwerend kommen die Entwicklungen ausgehend vom syrischen Bürgerkrieg hinzu. Der Irak ist dabei, zu zerfallen und der Iran kurz davor, in Zusammenarbeit mit der libanesischen Hisbollah und der schiitischen Mehrheit im Irak den „schiitischen Halbmond“ über Syrien zu schließen. Diese neuen Konstellationen werden weder von Israel noch von der Schutzmacht der Sunniten Saudi-Arabien akzeptiert werden. Ein schwer einzuschätzendes Konfliktpotenzial an den Grenzen der Nato, das sich definitiv nicht auf die Region beschränken wird.

Rivalen in Partnerschaft

Ähnlich kompliziert und mit einem schweren Start versehen zeichnet sich die Situation in Asien ab. China und die Vereinigten Staaten stehen sich hier als Rivalen in Partnerschaft gegenüber. Einerseits muss Amerika den Ambitionen der Volksrepublik im chinesischen Meer entgegentreten – sowohl im eigenen Interesse wie auch im Interesse seiner Verbündeten. Andererseits muss Trump China als Lösungsbringer in der Korea-Frage einbinden, das hier aber verstärkt in Zugzwang gerät. Denn Nordkorea zeigt sich nicht mehr als einsichtiger Schutzbefohlener und die USA schaffen mit der Stationierung eines Raketenabwehrsystems und verstärkter Militärpräsenz neue Optionen.

„Ich habe den Eindruck, dass die USA derzeit durchaus dankbar dafür sind, dass sie mit der EU einen starken Partner an ihrer Seite haben“, sagte der EVP-Vorsitzende Manfred Weber Anfang Mai. Amerikas erneuertes Angebot wird Dank des Establishments eher Kontinuität als Abbruch bedeuten. Trumps bisher praktizierte Doktrin zeigt jedoch, Unsicherheit wird künftig Bestandteil von Vereinbarungen sein und die Kosten/Nutzen-Abwägung an Bedeutung gewinnen. Wir müssen dabei unsere Fähigkeiten und Möglichkeiten endlich auf Augenhöhe zu den USA bringen – im Interesse beider Seiten.