„Großer Konflikt möglich”
Zuspitzung im Streit um Nordkoreas Atom- und Raketenprogramm: Washington sieht sich bedroht und erhöht den Druck. Die USA stationieren ein THAAD-Raketenabwehrsystem in Südkorea. Sogar China droht seinem Schützling Nordkorea angeblich mit Sanktionen.
Nordkorea

„Großer Konflikt möglich”

Zuspitzung im Streit um Nordkoreas Atom- und Raketenprogramm: Washington sieht sich bedroht und erhöht den Druck. Die USA stationieren ein THAAD-Raketenabwehrsystem in Südkorea. Sogar China droht seinem Schützling Nordkorea angeblich mit Sanktionen.

US-Präsident Donald Trump sieht die Gefahr einer Eskalation im Streit mit Nordkorea. „Es besteht die Möglichkeit, dass wir am Ende einen großen, großen Konflikt mit Nordkorea haben”, sagte Trump in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters in Washington. Er strebe im Streit um das nordkoreanische Atom- und Raketenprogramm weiter eine diplomatische Lösung an. Doch sei dies sehr schwierig. Machthaber Kim Jong Un könne er nur schwer einschätzen. „Ich hoffe, dass er vernünftig ist.” Der Präsident wolle Pjöngjang zum Abbau seiner Atomraketen und ballistischen Flugkörper zwingen, hatten zuvor Außenminister Rex Tillerson und Verteidigungsminister James Mattis in Washington mitgeteilt.

Die Vereinigten Staaten streben nach Stabilität und friedlicher Denuklearisierung auf der koreanischen Halbinsel.

James Mattis, US-Verteidigungsminister

Am vergangenen Mittwoch war der vollständige Senat zum vierstündigen Briefing über die „unmittelbare Bedrohung der nationalen Sicherheit“ durch Nordkoreas Atom- und Raketenprogramm in ein Nebengebäude des Weißen Hauses gerufen worden. „Die Vereinigten Staaten streben nach Stabilität und friedlicher Denuklearisierung auf der koreanischen Halbinsel. Wir sind offen für Verhandlungen, um dieses Ziel zu erreichen. Wir bleiben allerdings bereit, uns selbst und unsere Verbündeten zu verteidigen”, so Mattis und Tillersen in einer gemeinsamen Erklärung nach dem Briefing für den Senat.

China droht Nordkorea Sanktionen an

Vor den Ministerberatungen im Weltsicherheitsrat an diesem Freitag in New York warnte China vor überzogenen Erwartungen an seine Möglichkeiten, auf seinen störrischen Nachbarn einzuwirken. „Wir halten nicht den Schlüssel zur Lösung des Nordkorea-Problems in der Hand”, sagte Außenamtssprecher Geng Shuang und fügte direkt hinzu: „Wir haben den Konflikt nicht verschärft.” Gemeinsame Anstrengungen seien erforderlich. China hatte die USA wiederholt aufgefordert, direkte Gespräche mit Nordkorea aufzunehmen.

Die größte Bedrohung für die Sicherheit der USA und seiner Verbündeten in der Region.

Harry B. Harris, Oberbefehlshaber des US-Pazifikkommandos

China unterstütze die Sanktionen der Vereinten Nationen und habe sich immer dafür eingesetzt, die Probleme durch Dialog zu lösen, betonte der chinesische Sprecher. Er wollte Äußerungen von US-Außenminister Rex Tillerson im Sender Fox News nicht bestätigen, dass China Nordkorea mit Sanktionen gedroht habe, sollte der isolierte Staat einen weiteren Atomtest unternehmen. Die chinesische Regierung habe das Vorgehen gegenüber den USA bestätigt, sagte Tillerson. Er sah darin einen Beleg dafür, dass Peking bereit sei, mit der amerikanischen Regierung zusammenzuarbeiten, um den Druck auf Pjöngjang zu erhöhen. Die USA gehen davon aus, dass Peking großen Einfluss auf Nordkorea hat, auch weil rund 80 Prozent des nordkoreanischen Außenhandels über China läuft.

Präsident Trump hatte bereits mehrfach mit Alleingängen im Atomstreit mit der Führung in Pjöngjang gedroht, setzt aber auf eine Zusammenarbeit mit China. Er hatte China wiederholt aufgefordert, seinen Einfluss auf Nordkorea geltend zu machen. Trump war dafür auch in Handelsfragen entgegengekommen.

Raketen-Abwehr für Südkorea

Nach zwei Atomversuchen und zahlreichen nordkoreanischen Raketentests seit dem vergangenen Jahr ist die Lage in der Region angespannt. Trump hatte bereits mehrfach mit Alleingängen gedroht und auch einen Militärschlag nicht ausgeschlossen. Am Mittwoch begann das US-Militär mit dem Aufbau eines Raketenabwehrsystems in Südkorea. Auch haben die USA einen Flugzeugträger in die Region und ein Raketen-U-Boot in den südkoreanischen Hafen Busan entsandt. Ebenfalls am vergangenen Mittwoch hat das Strike Command der US-Luftwaffe von Kalifornien aus eine Minuteman III Langstrecken-Rakete getestet.

Das etwa eine Milliarde Dollar teure Raketenabwehrsystem THAAD (Terminal High Altitude Area Defense) in der östlichen südkoreanischen Provinz Nord-Gyeongsang werde „in den kommenden Tagen einsatzbereit sein, um Südkorea besser gegen die wachsenden Bedrohung durch Nordkorea zu verteidigen”, sagte der Oberbefehlshaber des US-Pazifikkommandos, Harry B. Harris, nach Pentagon-Angaben vor dem Verteidigungssauschuss des Repräsentantenhauses.

Die Aufstellung eines Teils der Ausrüstung bedeute, dass die USA und Südkorea auf „Provokationen durch Nordkorea“ reagieren könnte, sagte dazu am Donnerstag ein Sprecher des südkoreanischen Verteidigungsministeriums vor Journalisten. „Das bedeutet tatsächlicher Einsatz.” Ziel sei es, dass THAAD bis Ende des Jahres vollständig einsatzbereit sei.

Peking sieht sich bedroht

Trotz Protesten Chinas hatten die USA im März die ersten Elemente einer THAAD-Batterie geliefert, am Mittwoch wurden Bauteile zum geplanten Standort gebracht. Peking sieht durch die amerikanischen Abwehrraketen seine Sicherheitsinteressen bedroht. Russland warf den USA vor, den Konflikt zu verschärfen. Der Aufbau des Raketenabwehrsystems destabilisiere die Lage, sagte Außenminister Sergej Lawrow in Moskau.

Mit jeder Provokation gefährdet Nordkorea die Stabilität in Nordost-Asien und stellt eine wachsende Gefahr dar für unsere Verbündeten und das US-Festland.

Hochrangiger US-Regierungsvertreter

Harris bezeichnete Nordkorea als die größte Bedrohung für die Sicherheit der USA und seiner Verbündeten in der Region. Mit jedem Test rücke Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un seinem erklärten Ziel näher, nukleare Schläge auch gegen amerikanische Städte führen zu können. Die USA müssten bereit sei, auf alle Herausforderungen aus einer „Position der Stärke” zu reagieren. Harris betonte laut US-Medien die Notwendigkeit einer diplomatischen Lösung.

Alle Optionen auf dem Tisch

Tillerson sagte dem Sender NPR, die USA seien durchaus offen für direkte Gespräche mit Nordkorea. Aber das Land müsse sich vorher dazu bereit erklären, sein Atomprogramm aufzugeben. „Wir hoffen, dass wir sie davon überzeugen können, dass sie diese Waffen nicht brauchen, um die Existenz ihres Regimes sicherzustellen”, sagte er. „Wir streben nicht den Kollaps des Regimes an. Wir wollen keine beschleunigte Wiedervereinigung der koreanischen Halbinsel. Wir wollen eine nuklearwaffenfreie Halbinsel.”

Wir hoffen, dass wir sie davon überzeugen können, dass sie diese Waffen nicht brauchen, um die Existenz ihres Regimes sicherzustellen.

Rex Tillersen, US-Außenminister

Bei der Sitzung des Weltsicherheitsrates wollte UN-Generalsekretär António Guterres das Gremium über die Lage informieren. Außer Tillerson nimmt auch Chinas Außenminister Wang Yi teil. Ein greifbares Ergebnis wie eine Erklärung, eine Resolution oder gar die Verabschiedung neuer Sanktionen sei nicht geplant, hieß es von der US-Vertretung bei den Vereinten Nationen.

Ein hoher Sicherheitsbeamter der US-Regierung, der namentlich nicht genannt werden wollte, hatte am Mittwoch gesagt, die USA wägten derzeit eine Reihe von Optionen ab − neben diplomatischen und wirtschaftlichen auch militärische. Welche militärischen Optionen genau in Betracht gezogen werden, wollte er nicht sagen. (dpa)