Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (l, CSU) und Bill Gates kooperieren künftig bei Entwicklungsprojekten. (Foto: Picture Alliance/Michael Gottschalk/photothek.net)
Stiftung

Von Bill Gates lernen

Gastbeitrag Aus dem BAYERNKURIER-Magazin: Der Microsoft-Gründer setzt seine wohltätigen Mittel besonders effizient und wirkungsvoll ein. Jetzt kooperiert das Bundesentwicklungsministerium mit der Stiftung von Bill und Melinda Gates. Warum die Arbeit des Milliardärs ein Vorbild für Regierungen sein kann, analysiert Bjørn Lomborg.

Jeder – von gewählten offiziellen Vertretern über Bürokraten bis hin zu Wählern und Steuerzahlern – kann von der weltgrößten gemeinnützigen Stiftung etwas über wirkungsvolle Ausgaben für Entwicklungshilfe lernen. Besonders relevant sind diese Lehren zu einer Zeit, da 56 Prozent der Europäer meinen, ihre Regierungen sollten sich ausschließlich auf nationale Aufgaben konzentrieren und die Empfängerländer ihre Probleme – so gut sie dazu eben in der Lage sind – selbst lösen lassen (der Widerstand gegen Hilfsleistungen ist in Frankreich, Polen, Italien, Ungarn und Griechenland sogar noch stärker).

Die britische Sonntagszeitung mit der größten Reichweite lancierte kürzlich eine Petition, in der ein Ende der zweckgebundenen Ausgaben für Auslandshilfe (im Ausmaß von 0,7 Prozent des Nationaleinkommens) gefordert wird. Vor seinem Wahlsieg wetterte US-Präsident Donald Trump gegen „Auslandshilfen für Länder, die uns hassen“ und brachte damit eine weitverbreitete Ansicht zum Ausdruck, wonach diese Leistungen gekürzt werden müssen. Die Vereinigten Staaten stellen weniger als ein Prozent des Bundeshaushalts an Auslandshilfe zur Verfügung, aber der Durchschnittsamerikaner glaubt, diese Zahl sei einunddreißig Mal höher.

Drei wichtige Ziele

Die Bill & Melinda Gates Foundation gibt jedes Jahr mehr für Entwicklungshilfe aus als die  meisten reichen Regierungen. Anders als gewählte Regierungen, die vor konkurrierenden Prioritäten stehen, – angefangen bei diplomatischen Interessen bis hin zur Gefühlslage der Steuerzahler – kann sich die Gates-Stiftung auf Dinge konzentrieren, die am besten funktionieren.  Das wird nirgends deutlicher als in dem von Bill und Melinda Gates kürzlich veröffentlichten jährlichen Newsletter, in dem sie Investor Warren Buffett erklären, wie seine 30-Milliarden-Dollar-Spende an ihre Stiftung – die größte Zuwendung, die jemals vergeben wurde – Verwendung findet. Dabei konzentrieren sie sich auf drei spezifische Investitionsbereiche: Impfungen, Empfängnisverhütung und Ernährung.

Die meisten Kinder auf der Welt sind mittlerweile gegen Masern, Tetanus, Keuchhusten, Diphterie und Polio geschützt, wodurch man jährlich drei Millionen Leben rettet.

Bjørn Lomborg

Für meine Denkfabrik Copenhagen Consensus Center – wo man sich mit der Erforschung von Interventionen und politischen Strategien mit dem größten Potenzial zur Verbesserung der weltweiten Situation beschäftigt – untersuchten Ökonomen diese drei genannten Bereiche eingehend.

Besserer Schutz für Kinder

Investitionen in Impfungen verstehen sich von selbst. Der Versorgungsgrad mit Impfstoffen für Kinder liegt derzeit mit 86 Prozent so hoch wie noch nie zuvor. Die meisten Kinder auf der Welt sind mittlerweile gegen Masern, Tetanus, Keuchhusten, Diphterie und Polio geschützt, wodurch man jährlich drei Millionen Leben rettet. Der Unterschied zwischen den reichsten und den ärmsten Ländern ist so gering wie nie zuvor.

Dennoch bleibt immer noch viel zu tun. Die Forscher des Copenhagen Consensus kalkulieren, dass man die Impfprogramme für etwa eine Milliarde Dollar jährlich ausweiten und Kinder auch gegen Lungenentzündung im Kindesalter und Durchfall schützen könnte, womit zusätzlich eine Million Leben jährlich zu retten wären. Aus den Forschungsarbeiten geht hervor, dass jeder zusätzliche für diese Impfstoffe ausgegebene Dollar Wohlergehen für Menschen im Wert von 60 Dollar schafft. Oder, um es in den Worten von Melinda Gates zu formulieren: Das Leben der Kinder zu retten, ist „das beste Geschäft der Philanthropie“.

Verhütung rettet Leben

Empfängnisverhütung ist ein weiterer Bereich, in dem die Zahlen für sich selbst sprechen – und man nicht zuletzt aufgrund der Führungsrolle der Gates Foundation beträchtliche Fortschritte erzielte. Dennoch mangelt es über 200 Millionen Frauen an Zugang zu modernen Verhütungsmitteln. Ein nahezu universeller Zugang zu Maßnahmen der Familienplanung würde jährlich 3,6 Milliarden Dollar kosten. Aber den Frauen mehr Kontrolle über mögliche Schwangerschaften zu ermöglichen, würde 150.000 weniger Todesfälle unter Müttern und 600.000 weniger verwaiste Kinder bedeuten, während die demographische Dividende für einen Anstieg des Wirtschaftswachstums sorgen könnte. Der Nutzen für die Gesellschaft ist 120 Mal höher anzusetzen als die Kosten.

Ernährung stärkt Entwicklung

Die Verbesserung der Ernährung eines Kindes stellt ebenfalls eine bemerkenswert gute Investition dar. Im Wachstum zurückgebliebene Kinder können nicht nur körperlich nicht gedeihen, sie fallen auch hinsichtlich der Entwicklung kognitiver Fähigkeiten hinter ihre besser ernährten Altersgenossen zurück. Sie erbringen schlechtere Leistungen in der Schule und führen auch als Erwachsene eher ein Leben in Armut. Die gute Ernährung eines Säuglings bringt eine positive Entwicklung in Gang, von der auch nachfolgende Generationen profitieren. Eine Kosten-Nutzen-Analyse zeigt, dass jeder in den ersten 1000 Lebenstagen eines Kindes für Interventionen im Bereich Ernährung ausgegebene Dollar einen Nutzen im Wert von rund 45 Dollar ergibt. In einigen Ländern kann dieser Nutzen bis zu 166 Dollar betragen.

Wohltaten mit Rendite

Aus der Untersuchung für Copenhagen Consensus geht hervor, dass jeder von der Gates Foundation für Impfungen, Empfängnisverhütung und Ernährung aufgewendete Dollar aus Warren Buffets Zuwendung eine Rendite im Ausmaß von 45 bis 120 Dollar erzeugt. Buffett ist berühmt für seine schlauen Investments, aber eine derartige Rendite – im Hinblick auf Entwicklung – ist ebenso phänomenal wie jede geschäftliche Leistung.

Wenn wir nicht alle Probleme auf einmal lösen können, sollten wir bei jenen Dingen beginnen, mit denen man den größten Nutzen erzielt.

Bjørn Lomborg

Und darin findet sich auch die Lehre für Regierungen. Die Gates Foundation konzentriert sich in scharfsinniger Weise auf wirkungsvolle Investitionen, die zu geringen Kosten erstaunliche Ergebnisse liefern. Wenn wir nicht alle Probleme auf einmal lösen können, sollten wir bei jenen Dingen beginnen, mit denen man den größten Nutzen erzielt.

Versäumnis der UNO

Man stelle dies nun dem entwicklungspolitischen Ansatz der Vereinten Nationen gegenüber. Ihre Ziele für Nachhaltige Entwicklung (SDGs) – die bedeutungsvolle Agenda, die in den nächsten 15 Jahren die Zuweisung von Billionen von Dollars an staatlichen Hilfen regeln wird – umfassen unüberschaubare 169 komplexe Entwicklungsziele.

Freilich sind Ernährung, Impfungen und Empfängnisverhütung in den SDGs ebenfalls erfasst. Doch sie gehen unter in einer Fülle anderer Ziele, die so detailliert – und am Thema vorbei – beschrieben sind, dass sie auch die Bedeutung des nachhaltigen Tourismus und den Zugang zu innerstädtischen Gärten für behinderte Menschen erwähnen. Dabei handelt es sich gewiss um wichtige Anliegen, aber die SDGs sollen als Wegweiser für die allernotwendigsten Investitionen dienen.

Dieses Versäumnis bietet Anlass zu echter Sorge, denn das Augenmerk auf Bereiche zu lenken, in denen man am meisten bewirken kann, heißt, mehr Leben zu retten. Die SDGs traten an die Stelle der Millenniumsentwicklungsziele, die aus acht klaren und simplen Versprechen bestanden, wie etwa die Halbierung der weltweiten Armut, die Senkung der Kindersterblichkeit und die Ermöglichung des Schulbesuchs für Kinder. Mit diesen Zielen rettete man mindestens 21 Millionen Menschenleben.

Partner der Regierungen

Es wäre vereinfachend und auch falsch zu behaupten, dass der private Sektor im Bereich Entwicklungshilfe erfolgreich ist, während der öffentliche Sektor versagt; viele der größten Erfolge der Gates Foundation waren das Ergebnis von Partnerschaften mit Regierungen. Doch das überzeugendste Argument für die Aufrechterhaltung und Steigerung der Ausgaben für Entwicklungshilfe besteht darin, sich zunächst auf die wirkungsvollsten Investitionen zu konzentrieren.

Bjørn Lomborg

ist Direktor des Copenhagen Consensus Center sowie Gastprofessor an der Copenhagen Business School.

Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier. Copyright: Project Syndicate, 2017.