Gemeinsam mit Vera Baboun, der Bürgermeisterin von Bethlehem, entzündet Bundesentwicklungsminister Gerd Müller das Weihnachtslicht am Weihnachtsbaum von Bethlehem. (Foto: Ute Grabowsky/ photothek.net)
Nahost

Friedenslichter für Bethlehem

Gastbeitrag Die Situation zwischen Israelis und Palästinensern ist verfahrener denn je, berichtet Bundesentwicklungsminister Gerd Müller nach einer Reise in die Region. Hilfe aus Deutschland schafft Perspektive für die Menschen vor Ort.

Bei meiner Reise nach Israel und in die palästinensischen Gebiete habe ich am zweiten Advent auch Bethlehem besucht, diesen symbolträchtigen Ort der Hoffnung, inmitten einer Region voller Konflikte. Dort durfte ich gemeinsam mit der Bürgermeisterin von Bethlehem, Vera Baboun, die Lichter des Weihnachtsbaums von Bethlehem entzünden, was mich tief berührte. Doch wie viel eindrucksvoller wäre es, eine frohe Weihnachtsbotschaft von der Geburtsstätte Jesu Christi auszusenden: Frieden für die Region.

Der Friedensprozess stockt

Leider ist eine solche Botschaft der Hoffnung heute weiter entfernt denn je. Der Nahost-Friedensprozess ist ins Stocken geraten. Trotz aller politischer Konflikte ist es jedoch möglich, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit leistet mit konkreten Projekten vor Ort einen umfassenden Beitrag für eine Zweistaatenlösung und den Aufbau des künftigen Staates Palästina. Zu beiden Zielen hat sich auch Israel bekannt. Mit unserer entwicklungspolitischen Arbeit schaffen wir Perspektiven für die Menschen. Und das zählt – inmitten einer politisch verfahrenen Lage.

Ein Klärwerk für Gaza

In Gaza habe ich den Grundstein für ein neues Klärwerk gelegt, das für über eine Million Menschen eine hygienische Abwasserentsorgung sicherstellen wird. Das Klärwerk verbessert Lebensbedingungen, schafft Arbeit und Ausbildungsplätze. Zwei Millionen Menschen leben derzeit in Gaza, die Jugendarbeitslosigkeit wird auf mindestens 50 Prozent geschätzt. Nach der Gewalteskalation vor rund zwei Jahren wurden große Teile der Infrastruktur in Gaza zerstört und nicht wieder aufgebaut. Das Gebiet ist von israelischer und ägyptischer Seite abgeriegelt. In meinem Gespräch mit Premierminister Benjamin Netanjahu wurde deutlich, dass ein gemeinsames Interesse an der Verbesserung der Situation der Menschen in Gaza besteht. Hier arbeiten Israel und Deutschland eng zusammen.

Seit 2004 können rund 170.000 Schülerinnen und Schüler mit deutscher Unterstützung zur Schule gehen.

Gerd Müller

Den jungen Menschen in Gaza und den Palästinensischen Gebieten geht es heute deutlich schlechter als ihren Eltern vor 20 oder 30 Jahren. Ein Ergebnis der Reise: Wir werden deshalb noch stärker Ausbildung und Beschäftigung für Jugendliche fördern – besonders in Gaza. Denn Gaza braucht Handwerker und die Jugend braucht Jobs. Wir sind bereits seit Jahren in den Palästinensischen Gebieten im Bildungsbereich tätig: Seit 2004 können rund 170.000 Schülerinnen und Schüler mit deutscher Unterstützung zur Schule gehen. Kindergärten und Gesundheitsstationen entstanden mit deutscher Unterstützung, 20.000 Menschen fanden hier Arbeit und Beschäftigung.

Die Jugend braucht Perspektiven

Wir alle wissen: Perspektivlosigkeit und fehlender Austausch fördern radikale Kräfte auf beiden Seiten. Gewalt ist kein Mittel für Fortschritt und Politik. Israelischen und palästinensischen Jugendlichen fehlt die Möglichkeit, sich zu begegnen. Der Jugendaustausch muss viel stärker gefördert werden. Die Jugendlichen wissen, nicht zuletzt durch die Digitalisierung, wie man in anderen Teilen der Welt zusammenleben kann. Hier können wir Entwicklungssprünge auslösen, deshalb stärken wir die digitale Entwicklung gerade für die junge Generation.

Kommunikation kann helfen, kulturelle, aber auch religiöse Gräben zu überwinden. Noch immer wird religiöse Zugehörigkeit im Nahen Osten für die Radikalisierung instrumentalisiert. Der Austausch mit verschiedenen Vertreterinnen und Vertretern kirchlicher Organisationen vor Ort machte mir einmal mehr deutlich: Wir können den Nahost-Konflikt nicht verstehen, wenn wir die Religionen nicht verstehen. Dieses Wissen müssen wir zum Teil der Lösung machen. Es ist deshalb wichtig, das Verbindende zwischen einzelnen Glaubensrichtungen zu stärken. Wir haben im Februar erstmals eine Strategie zur Zusammenarbeit mit Religionen als Partner vorgestellt. Ziel ist es, die Zusammenarbeit mit den Religionen auszubauen – sowohl bei der Umsetzung der Agenda 2030 als auch im Politik- und Wertedialog.

Wir unterstützen die Beduinen-Bevölkerung rechtlich, damit sie ihr Überleben sichern können.

Gerd Müller

Auf der Reise traf ich auch auf die Beduinen in Khan al-Ahmar, die mich sehr beeindruckt haben. In Khan al-Ahmar im Westjordanland (unter ausschließlicher israelischer Kontrolle) leben rund 100 Beduinen in Zelten und Hütten. Besonders hier haben sich in diesem Jahr die Entwicklungsperspektiven für Palästinenser weiter verschlechtert: Israel erteilt kaum Genehmigungen für Infrastrukturprojekte wie Schulen. Gleichzeitig wird mehr palästinensische Infrastruktur abgerissen als jemals zuvor – während der israelische Siedlungsbau voranschreitet. Auch das Beduinen-Dorf in Khan al-Amar ist von Abrissen betroffen. Wir unterstützen die Beduinen-Bevölkerung rechtlich, damit sie ihr Überleben sichern können.

Ein Kernkonflikt unserer Zeit

Auch dieses Beispiel zeigt: Entwicklungspolitik ist Friedens- und gleichermaßen globale Zukunftspolitik. Wir arbeiten weltweit dafür, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Eine Herkulesaufgabe angesichts so vieler Krisen und Kriege auf der ganzen Welt. Der Nahost-Konflikt ist dabei ein Kernkonflikt unserer Zeit. Und auch dieser Konflikt kann nur gelöst werden, wenn es Lebens- und Zukunftsperspektiven für die Menschen vor Ort gibt. Hier hilft Deutschland, hier helfen wir im Entwicklungsministerium mit großem Einsatz und Engagement, für eine Welt, die hoffentlich auch eines Tages mit einer Friedensbotschaft am Weihnachtsbaum in Bethlehem ein Zeichen der Hoffnung setzt.