Für die Umwelt ist der Ausstieg aus der Braunkohle-Energiegewinnung eine gute Sache - doch nicht für die Stromkunden, die dafür jetzt bezahlen müssen. Foto: imago/Jochen Tack
Braunkohleausstieg

Stromkunden zahlen die Zeche

Seit dem Wochenende ist es beschlossene Sache: Eine Einigung zwischen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und den Stromkonzernen RWE, Vattenfall und Mibrag sieht den Ausstieg aus der Energieversorgung durch Braunkohle vor. Die dabei anfallenden Kosten sollen aber die Stromkunden zahlen.

In Sachen umweltfreundliche Stromgewinnung hat sich in Deutschland in den letzten Jahren vieles getan. Mittlerweile sind 27 Prozent des erzeugten Stroms Ökostrom. Doch trotzdem will es mit dem Klimaschutz hierzulande noch nicht so richtig klappen. Warum eigentlich? Eine Antwort lautet: Weil die Braunkohle-Verstromung einen regelrechten Boom erlebt. Deren Anteil an der Stromerzeugung lag im vergangenen Jahr bei stolzen 25 Prozent.

Kosten werden an die Kunden weitergereicht

Bei der Verbrennung der Braunkohle wird jede Menge Treibhausgas freigesetzt – und das verhagelt der Bundesregierung die selbstgesteckten Klimaziele. Denn bis 2020 sollte der CO2-Ausstoß gegenüber 1990 um 40 Prozent gesenkt werden. Und weil Angela Merkel bei der anstehenden Weltklimakonferenz in Paris Endes des Jahres gut dastehen will, wurden die Ziele im Sommer noch einmal erhöht: Zusätzlich sollen 22 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden.

Eine angedachte Lösung, den Energiekonzernen eine Strafabgabe für ihre alten Kohlemeiler aufzuerlegen, wurde nie umgesetzt.  Die Bundeskanzlerin, aber auch die Gewerkschaften und die Bergbauvereine sperrten sich gegen dieses Vorhaben.

Seit dem Wochenende ist klar, es wird eine Abgabe für den Ausstieg aus der Braunkohle-Stromgewinnung geben. Diesen zahlen aber nicht die Energiekonzerne, sondern die Stromzahler.

Besonders skandalös ist, dass die Regierung zum Teil für Kraftwerke bezahlt, die ohnehin vom Netz gegangen wären.

Tina Löffelsend, BUND

Mehrbelastung wird über Netzentgelte verrechnet

Bis 2020 müssen die Konzerne RWE, Vattenfall und Mibrag schrittweise 13 Prozent der deutschen Braunkohle-Kapazitäten stilllegen. Doch die Meiler werden nicht etwa abgebaut, nein, die Konzerne müssen sie wegen der oft sonnenarmen Wintermonate in Reserve halten.

Darunter sind auch Kraftwerke, die wegen ihrer Altersgrenze ohnehin vom Netz gegangen wären. Wie etwa in Frimmersdorf und Niederaußem in Nordrhein-Westfalen.

Dafür bekommen sie eine Entschädigung von jährlich 230 Millionen Euro über sieben Jahre hinweg – macht insgesamt 1,61 Milliarden Euro. Diese Summe wird über die Netzentgelte auf den Stromkunden umgelegt. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums ist mit einer Belastung von 1,75 Euro im Jahr zu rechnen.

Nun sind 1,75 im Jahr an sich keine hohe Summe. Doch zusammen mit der im kommenden Jahr auf Rekordhöhe anziehenden Ökostrom-Umlage, einer höheren Umlage für Anlagen, die Strom und Wärme erzeugen (KWK) und weiteren Maßnahmen läppern sich die Belastungen für die Endverbraucher zusehends.

Insgesamt sollen 2016 22,9 Milliarden Euro an Förderkosten für Windparks, Biomassekraftwerke und Solaranlagen über die Strompreise in Deutschland abgerechnet werden.

Kauf von Zertifikaten wäre eine Alternative

Einen wesentlichen Kritikpunkt an diesem Vorgehen ist die Taktik des In-Reserve-Haltens. Das sieht auch die Monopolkommission in Brüssel so. Die angestrebte Minderung des CO2-Austoßes werde Deutschland auf diese Art wohl nicht erreichen.

Der klimaschonende Effekt dieser teuren Maßnahme ist null.

Daniel Zimmer, Vorsitzender der Monopolkommission

Denn es sei davon auszugehen, dass andere CO2-Emittenten die überschüssigen Verschmutzungsrechte der Braunkohle-Kraftwerke kaufen und verwenden. Die Summe des ausgestoßenen Treibhausgases werde sich also nicht reduzieren.

Anstatt die Kohlekraftwerke mit Millionensummen zu subventionieren, sollte die Bundesrepublik das Geld lieber dafür verwenden, um Kohlendioxid-Zertifikate aufzukaufen und dauerhaft vom Markt zu nehmen, heißt es aus Brüssel.

Auch die Experten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin sehen die Pläne eher kritisch. Die Maßnahme käme einer Abwrackprämie gleich, sei teuer für die Stromverbraucher und helfe dem Klimaschutz nicht, so Energieexpertin Claudia Kemfert.

Alte CO2-Schleudern bekommen so ein goldenes Ende.

Claudia Kemfert, Energieexpertin des DIW

Auch Christoph Bals vom Verein „Germanwatch“ ist vehement gegen eine Subventionierung der Braunkohle-Kraftwerke. Doch sei die Einigung mit den Konzernen ein Schritt in die richtige Richtung:

Diese Einigung ist der Anfang vom Ende der Braunkohle-Verstromung. Jetzt müssen die Regeln für einen sozialverträglichen Strukturwandel festgelegt werden.

Christoph Bals, Germanwatch