Windenergie allein wird den Strombedarf in Bayern nicht decken können. (Foto: Imago/Westend61)
Mittelstand

Energieversorgung in Gefahr?

Wie lassen sich Klimaschutz und eine sichere und bezahlbare Energieversorgung vereinbaren? Darüber und andere Fragen der Energiepolitik diskutierte eine Expertenrunde auf Einladung der Mittelstands-Union Ostallgäu.

Mit dem Pariser Klimaabkommen verpflichtete sich die Staatengemeinschaft, die Erderwärmung auf maximal 2°C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Deutschland ratifizierte 2016 das Pariser Klimaabkommen und ergriff Maßnahmen, um bis 2050 weitestgehend dekarbonisiert zu sein. Der Einsatz von fossilen Brenn- und Kraftstoffen muss bis dahin auf nahezu null reduziert werden. Zum Erreichen dieses Ziels hatte die Bundesregierung den Klimaschutzplan 2050 verabschiedet, der für alle Wirtschaftssektoren erhebliche Anstrengungen vorsieht.

Netzausbau muss weitergehen

Sind unter diesen Voraussetzungen noch die energiepolitischen Rahmenbedingungen, wie sie in §1 des Energiewirtschaftsgesetzes festgeschrieben sind, gewahrt? Ist die sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche Energieversorgung in Gefahr?

Darüber diskutierten auf Einladung von MU-Landesvorstandsmitglied Wolfgang Becher und der Mittelstands-Union Ostallgäu im Rahmen einer Podiumsdiskussion der Bayerische Staatsminister für Wirtschaft, Technologie und Energie, Franz Josef Pschierer, der Geschäftsführer der Forschungsstelle für Energiewirtschaft, Serafin von Roon, und der Vorsitzende der Regionalversammlung Kaufbeuren/Ostallgäu der IHK Schwaben, Gerhard Schlichtherle, unter Moderation des Geschäftsführers der Wertach-Elektrizitätswerke Kaufbeuren (vwew-energie GmbH), Stefan Fritz.

Die Teilnehmer stimmten darin überein, dass ein weiterer Ausbau der Erneuerbaren Energien dem Ausbau der notwendigen Netzinfrastruktur angepasst werden müsse. Dass Deutschland hier unbedingt vorankommen müsse, belegten die rekordverdächtigen Kosten durch kurzfristige Umplanungen des Kraftwerkseinsatzes (Redispatch) von voraussichtlich mehr als 1,5 Milliarden Euro im Jahr 2017.

Bedrohung für den Wirtschaftsstandort?

Der Ausstieg aus der Kernenergie und der aktuell diskutierte Ausstieg aus der Kohle könnten – ohne Bereitstellung von gesicherter Erzeugungsleistung – für den Süden Deutschlands bedrohlich werden, so eine Befürchtung. Einem starken Ausbau der Windenergie in Bayern erteilte Wirtschaftsminister Pschierer dennoch eine deutliche Absage und verteidigte die geltende 10h-Abstandsregelung.

Der derzeitige energy-only Markt, bei dem nur tatsächliche Energielieferungen vergütet werden, nicht aber die Bereitstellung von Leistung, werde die Rahmenbedingungen für einen planbaren Kraftwerksneubau kaum verbessern. Gerhard Schlichterle zeigte sich besorgt über die bereits jetzt von der Wirtschaft zu tragenden hohen Energiekosten und befürchtete, dass diese weiter steigen werden, wenn die Klimaziele verbindlicher werden.

Serafin von Roon wies darauf hin, dass gerade im Verkehrsbereich, aber auch in der Industrie die Klimaziele nicht ohne den Einsatz synthetischer Brenn- und Kraftstoffe erreicht werden könnten. In der Industrie sei zudem noch der Einsatz von CCS (Carbon Capture Storage) notwendig. Bei diesem nicht unumstrittenen Verfahren wird Kohlestoff dem Industrieprozess entzogen und in unterirdische Lagerstätten verpresst.

Entscheidung der Politik

Zur Umsetzung der Klimaziele sei zunächst eine Entscheidung notwendig, die die Politik baldigst treffen müsse. Solle Deutschland in 2050 eine 80-prozentige oder 95-prozentige Reduzierung der Klimagase anstreben? Diese scheinbar geringe Zielabweichung habe jedoch entscheidende Auswirkungen auf die Stringenz der zu wählenden Maßnahmen.

Je weiter diese Entscheidung hinausgezögert werde, umso intensiver fielen die Anstrengungen aus, die die unterschiedlichen Betroffenen der Energiewende zu leisten hätten. Dann bleibe nur noch darauf zu hoffen, dass der Technologiefortschritt die Probleme löse. Angesichts der gewaltigen Aufgabe, der sich Deutschland, aber auch unsere europäischen Nachbarn stellen müssten, wäre es sinnvoll, eine intensive Debatte über Klimaschutz anzustoßen und politisch zu moderieren, waren sich die Diskutanten einig.