Solarstrom-Anlage in Bayern: Nahezu die Hälfte des Stroms in Bayern stammt aus erneuerbaren Energien. (Foto: Imago Images)
Energiewende

Energie ist ein Produktionsfaktor

Ein hochentwickelter Industriestandort wie Bayern benötigt eine kostengünstige und stabile Stromversorgung. Dazu braucht es Stromtrassen, flexibel einsetzbare Gaskraftwerke und den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien. Von Andreas Lenz

Ein erfolgreicher Wirtschaftsstandort braucht eine gesicherte und kostengünstige Energieversorgung. So hätte sich der Wirtschaftsstandort Bayern nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht so erfolgreich entwickeln können, wenn man nicht früh die Weichen für eine kostengünstige und stabile Energieversorgung gestellt hätte.

Durch die Pipelines von Triest und Genua über die Alpen, aber auch durch den gezielten Ausbau der Kernenergie konnte sich Bayern erst zum Industrie- und Wirtschaftsstandort Nummer eins in Deutschland entwickeln. Energie kann somit zu Recht als Produktionsfaktor angesehen werden.

Die Ursprünge der Stromerzeugung in Bayern sind allerdings erneuerbar. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts gab es mehr als 10.000 Wasserkraftanlagen im Land. Das Walchenseekraftwerk war mit 124 Megawatt bei seiner Fertigstellung im Jahr 1924 eines der größten Wasserkraftwerke der Welt. Der damalige Strombedarf in Bayern konnte zum großen Teil mit Wasserkraft gedeckt werden. Auch heute noch ist Bayern ein Land der Wasserkraft mit weiterem Potenzial, so stellt die Wasserkraft rund 14 Prozent der Stromerzeugung, und das grundlastfähig.

Ausbau des Ökostroms

Mit dem Ausstieg aus der Atomkraft wurde das Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) verabschiedet. Vorher gab es jedoch schon das Gesetz über die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz von 1991. Die Einspeisung in das öffentliche Netz wurde hierin verbindlich geregelt. Davor wurde die Einspeisung in das Verteilnetz häufig verweigert. Das Gesetz sicherte außerdem eine pauschale Mindestvergütung für den produzierten Strom zu.

Der Anteil an erneuerbaren Energien im Strombereich lag im Jahr 2000 deutschlandweit noch bei sechs Prozent und stieg bis ins Jahr 2018 auf 38 Prozent. In Bayern betrug im Jahr 2017 der Anteil von Erneuerbaren an der Bruttostromerzeugung 44 Prozent.

Im Rahmen der Energiewende hat sich Deutschland zum Ziel gesetzt, bis 2050 einen Anteil von 80 Prozent aus erneuerbaren Energien im Strombereich zu erreichen. Bis 2030 will Deutschland 65 Prozent des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien beziehen. Bayern hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2025 70 Prozent der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien zu erzielen.

Kein anderes Industrieland hat solch ambitionierte Ziele im Bereich der Energieversorgung. Klar ist auch, dass es für die Energiewende keine Blaupause gibt. Es gilt also im Zieldreieck von Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit beziehungsweise beim Klimaschutz voranzukommen. Stellt man der Energiewende ein Zeugnis aus, so wurde zweifelsohne vieles erreicht, jedoch liegen auch noch beträchtliche Herausforderungen vor uns.

Die Preise sinken

Der Umbau der Energieversorgung ist ein Mammutprojekt, es ist aber auch ein Technologie- und Innovationsprojekt. Es konnten die letzten Jahre erhebliche Effizienzgewinne bei den Erneuerbaren erzielt werden. Wurden beispielsweise anfangs noch rund 50 Cent pro Kilowattstunde in der Photovoltaik aufgewendet, so waren es bei den letzten Ausschreibungen unter fünf Cent pro Kilowattstunde. Insgesamt haben die Ausschreibungen das System der Erneuerbaren günstiger und wettbewerbsfähiger gemacht.

Im Bereich der großen Offshore-Anlagen auf See sehen wir bereits Ausschreibungsergebnisse, bei denen die Betreiber sich zukünftig ausschließlich durch den Preis finanzieren wollen, der an der Strombörse erzielt wird. Die hohen Kosten der Energiewende stammen überwiegend aus der Vergangenheit, dieser „Kosten-Rucksack“ muss die nächsten Jahre noch getragen werden. Umso wichtiger ist es, dass die Kostenentwicklung beim jetzigen Zubau möglichst gering bleibt.

Und auch die deutsche und bayerische Wirtschaft profitieren von der Energiewende, beispielsweise durch Großaufträge für die deutsche Industrie im Ausland. Die Zahl der Beschäftigten im Bereich der Erneuerbaren beträgt mittlerweile über 300.000 Menschen.

Viele Länder der Erde wollen ihren Anteil am Energiemix durch den Ausbau der Erneuerbaren verbreitern, sich weniger abhängig machen und auch einen Beitrag zur Erreichung der internationalen Klimaschutzziele leisten. So betrug beispielsweise der Ausbau an Photovoltaik in China im Jahr 2018 circa 45 Gigawatt, was in etwa der gesamten installierten Leistung an Photovoltaik in Deutschland entspricht.

Ausstieg aus der Kohle

Im Koalitionsvertrag wurde festgelegt, dass für Deutschland ein Enddatum bei der Kohleverstromung gefunden werden soll. Außerdem soll der Energiesektor gewährleisten, dass seine Klimaschutzziele für 2030 eingehalten werden.

Die Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung (WSB) hat hier einen Pfad aufgezeigt, der vorsieht, bis zum Jahr 2022 rund ein Drittel der bestehenden Kohlekapazitäten vom Netz zu nehmen (rund 15 Gigawatt). Bis 2030 soll dann noch einmal circa ein weiteres Drittel vom Netz genommen werden und bis spätestens 2038 die Kohleverstromung auslaufen.

Gleichzeitig soll laut Koalitionsvertrag der Ausbau der Erneuerbaren im Strombereich bis 2030 auf 65 Prozent steigen. Dazu sind aber mehrere Voraussetzungen notwendig, gerade was den Bereich der Versorgungssicherheit angeht.

Zum einen müssen die Stromtrassen möglichst zügig fertiggestellt werden. Diese gewährleisten den Transport von Windstrom aus dem Norden in den Süden, aber auch den Transport von Photovoltaikstrom aus dem Süden in den Norden. Auch bei einer stärkeren Verfolgung eines dezentralen Ansatzes würden die Stromtrassen benötigt.

Es geht dabei auch darum, die Bildung von unterschiedlichen Stromgebotszonen innerhalb Deutschlands zu verhindern. Dies würde für den Süden der Republik höchstwahrscheinlich höhere Strompreise als für den Norden bedeuten und hätte damit erhebliche negative Konsequenzen für Bayern, aber auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt. Ziel der Wirtschaftspolitik in Bayern muss es deshalb sein, dies zu verhindern.

Trassen alleine bieten aber noch keine vollständige Versorgungssicherheit. Im Rahmen der Energiewende passen zu den volatilen, schwankenden erneuerbaren Energien am besten flexible Gaskraftwerke. Es ist deshalb unabdingbar, dass es entsprechend schnell zu Investitionen in neue Kapazitäten kommt und vorhandene wieder rentabel werden. Dies betont auch der Abschlussbericht der WSB-Kommission. Insgesamt sollte Versorgungssicherheit als staatliche Zielbestimmung gesetzlich definiert werden. Gas wird dabei noch für lange Zeit als Energieträger unerlässlich bleiben und seine mittelfristige Bedeutung wird sogar zunehmen.

Stromerzeugungsland Bayern

Bayern muss aber auch als Strom­erzeuger weiterhin an der Energiewende teilhaben. Zunächst gilt es dabei, den vorhanden Kapazitäten auch Perspektiven zu geben. So ist ein Schwerpunkt auf den Bestand an Biomasse – insbesondere an Biogasanlagen – zu legen. Die rund 2.500 Anlagen tragen zu rund acht Prozent der Stromversorgung in Bayern bei. Zudem sind sie flexibel und grundlast- bzw. residuallastfähig.

Darüber hinaus muss das weitere Potenzial der Photovoltaik genutzt werden. Hier besteht hohe Akzeptanz, diese muss insbesondere für den weiteren Ausbau von Photovoltaik auf Dächern genutzt werden. Auch der Bund ist hier gefordert, einen zusätzlichen Schwerpunkt auf den Ausbau von Photovoltaik zu legen. Im Bereich Wind Onshore, also Wind an Land, geht Bayern den Weg, diesen mit den Bürgern und nicht gegen den Willen der Bürger zu betreiben.

Vor allem im Wärmebereich stellt die Geothermie einen weiteren wichtigen Baustein des bayerischen Energiemixes dar. Auch hier gibt es noch Potenzial, das genutzt werden kann. Im Bereich der Biomasse in Form von Holz, Hackschnitzeln und Pellets ist Bayern ebenfalls führend.

Sektorübergreifender Ansatz

Bei der Energiewende lag bisher der Fokus zu stark auf dem Stromsektor. Für ein Gelingen der Energiewende brauchen wir eine engere Verzahnung der einzelnen Sektoren. Auch der Wärmesektor und der Mobilitätssektor müssen stärker ins Blickfeld gelangen.

Langfristig kann dies beispielsweise durch Power-to-X- Ansätze geschehen, das heißt durch die Umwandlung von elektrischer Energie in synthetische Energieträger, insbesondere Gas. Neben einer stärkeren Förderung von Speichern in Form von Batteriespeichern kann insbesondere Wasserstoff zur Lösung der Speicherthematik beitragen. Die großskalierte Anwendung all dieser Technologien muss hier zunächst in Reallaboren gezeigt werden. Deutschland braucht hierzu eine Wasserstoffstrategie. Und auch die bewusste Umgestaltung von Steuern und Abgaben, hin zu einer effektiveren CO2-Vermeidung, gilt es anzugehen. Auch so können sektorübergreifende Potenziale genutzt werden.

Darüber hinaus müssen die Anstrengungen im Bereich der Energieeffizienz erhöht werden. Der billigste und klimaschonendste Strom ist immer noch der nicht gebrauchte. Klar ist aber auch, dass im Rahmen einer zunehmenden Elektrifizierung vieler Wirtschaftsbereiche das Potenzial im Strombereich begrenzt ist. Trotzdem geht es insgesamt um die langfristige Entkopplung von Energieverbrauch und wirtschaftlicher Entwicklung.

Energiewende 2.0

Wir brauchen eine Energiewende 2.0, in der die Enden der Energiewende sinnvoll verbunden werden. Planungssicherheit entscheidet mit über Investitionen in die Zukunft. Unternehmen brauchen langfristige Planungshorizonte und Preisstabilität bei ihrer Energieversorgung. Hier bietet auch das EuGH-Urteil vom März dieses Jahres Chancen, diese Verlässlichkeit zu geben. Darin wurde festgestellt, dass das EEG nicht als Beihilfe zu betrachten ist.

Es gilt, die Chancen der Energiewende weiter zu nutzen. Es geht darum, dass Bayern und Deutschland Innovationstreiber im Bereich der Erneuerbaren bleiben, ohne dabei Versorgungssicherheit und Preisstabilität im Energiebereich aus den Augen zu verlieren.

Andreas Lenz ist CSU-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie.