Stolleneingang in Happurg. (Foto: Bildarchiv Bayerischer Landtag)
Gedenken an NS-Opfer

„Erinnern ist wichtiger denn je“

In Hersbruck erinnerten heute der Bayerische Landtag und die Stiftung Bayerische Gedenkstätten in einer gemeinsamen Veranstaltung an die Opfer der NS-Schreckensherrschaft. Zusammen mit dem Gedenkakt fand die Eröffnung des neuen benachbarten Dokumentationsortes Hersbruck/Happurg statt.

Der 27. Januar ist der Internationale Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Schon zwei Tage vor dem eigentlichen Gedenktag erinnerten der Bayerische Landtag und die Stiftung Bayerische Gedenkstätten gemeinsam an die Menschen, die während der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft ausgegrenzt, verfolgt und ermordet wurden.

Ort des Gedenkakts war heuer das Schulkompetenzzentrum Hersbruck im Nürnberger Land. Ausschlaggebend für die Ortswahl war die gleichzeitige Eröffnung des benachbarten Dokumentationsortes Hersbruck/Happurg. Dort erinnert der Freistaat ab heute in Form eines Doppel-Gedenkortes an die 9.000 Häftlinge im einstigen Hersbrucker Außenlager des KZ Flossenbürg. Während in Hersbruck nun ein abgedunkelter Kubus das Schicksal der Zwangsarbeiter vor dem Vergessen bewahrt, beleuchten im benachbarten Happurg Informationsstellen den menschenverachtenden Einsatz der KZ-Häftlinge.

„Brauchen das Engagement der jungen Generation“

In ihren Gedenkworten betonte Landtagspräsidentin Barbara Stamm, dass Erinnerungsarbeit immer auch ein Bekenntnis zu den elementaren Werten einer freiheitlichen Gesellschaft darstelle:

Wir sind verantwortlich dafür, die Erinnerung zu bewahren. Dies schulden wir den Opfern – wenigstens das.

Barbara Stamm, Präsidentin des Bayerischen Landtags

Aus den so bitteren Erfahrungen der Shoa hätte die Gesellschaft gelernt und wichtige Schlüsse gezogen, so Stamm. Dadurch sei ein Grundgesetz entstanden, das Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte hochhalte. Es müsse aber auch weiterhin dafür Sorge getragen werden, „dass diese Errungenschaften erhalten bleiben“. Dafür bedürfte es auch ganz besonders des Engagements der jungen Generation, machte Stamm deutlich und betonte weiter:

Wie wichtig es ist, an all das zu erinnern, das sehen wir gerade in diesen Tagen. Ideologische Verblendung, Intoleranz, die Verweigerung von elementaren Menschenrechten können und wollen wir nach den furchtbaren Erfahrungen unserer Geschichte nicht dulden.

Barbara Stamm, Präsidentin des Bayerischen Landtags

Bildung als Mittel gegen das Vergessen

Auch Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, wies auf die aktuelle Bedeutung von Gedenkveranstaltungen hin:

Letztes Jahr waren es 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Unsere Gesellschaft hat sich gewandelt. Sie ist in mancher Hinsicht aufgeklärter und wacher. Wir sollten uns jedoch nicht täuschen lassen. Gerade heute – angesichts des Anwachsens rechtsextremer Bewegungen – ist das Erinnern an jene unvorstellbaren Verbrechen wichtiger denn je.

Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten

Der beste Schutz gegen die Auswirkungen einer Diktatur sind laut Freller eine funktionierende und wehrhafte Demokratie und aufgeklärte Bürger. Bildung spiele dabei eine wichtige Rolle. Gerade Lernorte zur Geschichte, sogenannte „Orte der Opfer“, wie sie nun in Hersbruck und Happurg entstanden seien, trügen wesentlich dazu bei, zeigte sich Freller überzeugt. Mit der hauptsächlich medienbasierten Doppelinstallation in Hersbruck/Happurg will die Stiftung zudem neue Wege in der Erinnerungsarbeit beschreiten.

„Zuerst verloren die Menschen ihre Namen“

Als Überlebender des KZ Hersbruck erinnerte der 97-jährige Vittore Bocchetta als Ehrengast der Gedenkveranstaltung in einer bewegenden Rede daran, „dass geschehenes Unrecht unauslöschlich Teil unserer Geschichte bleibt“:

Dort, wo sich das infernalische Todestheater abspielte, steht heute eine schöne Siedlung, Kinder spielen darin. Und dennoch bleibt unter der schönen Oberfläche die wahre, unendliche Leidensgeschichte von all jenen, die einmal Menschen gewesen waren. Menschliche Wesen, die, zu Millionen, zuerst ihre Namen verloren und denen später das Fleisch verbrannt wurde.

Vittore Bocchetta, KZ-Überlebender

Drittgrößtes KZ-Lager in Süddeutschland

Hersbruck war – obwohl „nur“ Außenlager – nach Dachau und Flossenbürg das drittgrößte KZ-Lager in Süddeutschland. Als Nazideutschland den Krieg längst verloren hatte, sollten dort KZ-Häftlinge in den Berg Houbirg bei Happurg eine unterirdische Stollenanlage ausschachten, die sogenannten Doggerstollen. Darin sollte eine unterirdische Motorenfabrik für Jagdflugzeuge eingerichtet werden – sicher vor alliierten Bombenangriffen.

Im Mai 1944 begannen laut dem Dokumentationsstätte-Verein die Arbeiten für den Lager-Bau. In 17 errichteten Baracken befanden sich dann ab August 2.000 bis 6.000 Häftlinge – überwiegend politisch Verfolgte und Gefangene jüdischen Glaubens aus mindestens 23 Nationen. Die Kapos waren in der Regel sogenannte deutsche Berufsverbrecher, die nach Ablauf ihrer Haftstrafen in Konzentrationslagern interniert wurden.

Während der acht Monate des Bestehens des Außenlagers kamen insgesamt 3.500 Häftlinge ums Leben – in der Winterzeit 700 bis 800 Menschen pro Monat. Nachdem das Lager im April 1945 geräumt worden war, verloren auf dem Todesmarsch nach Dachau noch einmal etwa 500 Menschen ihr Leben.

 

(Quelle: Bayerischer Landtag, Dokumentationsstätte Konzentrationslager Hersbruck e.V.)