Bei der Eröffnungspressekonferenz auf der Frankfurter Buchmesse hielt der Autor Salman Rushdie eine emotionale Rede für die Meinungsfreiheit. Foto: imago/hartenfelser
Buchmesse

Der Verteidiger der freien Worte

Die diesjährige Frankfurter Buchmesse dürfte eine der politischsten werden. Das zeigte sich bereits bei der Eröffnungspressekonferenz am Dienstag, zu der die Veranstalter den indisch-britischen Schriftsteller Salman Rushdie eingeladen hatten. Mit seiner Rede setzte Rushdie ein klares Zeichen für die Meinungsfreiheit.

Schon bevor die 67. Frankfurter Buchmesse überhaupt eröffnet wurde, sorgte sie für Schlagzeilen. Denn als die Veranstalter bekanntgaben, dass sie den indisch-britischen Schriftsteller Salman Rushdie als Gastredner zur Eröffnungspressekonferenz eingeladen haben, sagte der Iran seine Teilnahme an der Buchmesse kurzerhand ab.

Zum Hintergrund: 1989 verhängte der damalige iranische Staatschef Chomeini die Todesstrafe, eine sogenannte Fatwa, über Salman Rushdie. Sein im Jahr zuvor veröffentlichtes Werk „Die satanischen Verse“ waren nach Ansicht Chomeinis ein Affront gegen den Islam, den Propheten und den Koran. Lange Zeit lebte Rushdie danach im Untergrund, bis heute wird er von Personenschützern bewacht. Doch zum Schweigen konnten ihn seine Verfolger nie bringen.

Eine Gesellschaft ohne Meinungsfreiheit ist undenkbar

In seiner Rede in Frankfurt erinnerte Rushdie an die Zeiten der Aufklärung in Frankreich. Menschen wie Voltaire und Diderot hätten die Meinungsfreiheit vor über zwei Jahrhundert von den Machthabern in Kirche und Staat erstritten. Und zwar nicht mit Gewalt, sondern mit der bloßen Kraft ihrer Worte.

Krieger sind wir keine, und wir haben auch keine Gewehre.

Salman Rushdie

Von Frankreich aus fand sie dann ihren Weg über die Meere der Welt und sogar Eingang in viele Verfassungen. Er warnte davor, dass das Maß an Meinungsfreiheit eine Frage der jeweiligen Kultur sei. Vielmehr sei sie ein universelles Gut, auf dass sich jeder Mensch berufen kann. Man könne ja gerne über vieles diskutieren, aber nicht über die Meinungsfreiheit, sagt der 68-Jährige.

Ohne Meinungsfreiheit gibt es keine anderen Rechte.

Salman Rushdie

Die Kunst als Gegenmacht zu politischer Gewalt und dem Herrschen von Diktatoren habe sich, so der Schriftsteller, bereits über eine längere Dauer bewährt. Als Beispiel nannte der die Werke des Dichters Ovid, die bis heute fortbestehen, obwohl das Römische Reich längst untergegangen ist, und die Schriften des Poeten Ossip Mandelstam, die auch nach dem Ende der Sowjetunion gelesen werden.

Die Intoleranz darf nicht siegen

Rushdie verwies darauf, dass der Kampf um die Meinungsfreiheit aber nicht nur vor zwei Jahrhunderten geführt wurde, sondern auch heute noch andauert. Das Recht müsse immer wieder neu erstritten werden. Dabei seien nicht nur Terror und Gewalt die Feinde der freien Meinung, sondern auch die zunehmende Intoleranz, die aus dem Bestreben, sich immer „politisch korrekt“ auszudrücken und verhalten, wachse. Um seine These zu untermauern, nannte er mehrere Beispiele von amerikanischen Universitäten.

Literatur ist stark, aber Autoren sind schwach. Ihr Leben könnte zerstört werden, selbst wenn ihre Werke bleiben. Das ist kein großer Trost, wenn man tot ist.

Salman Rushdie

Für Salman Rushdie ist jeder Mensch ein erzählendes Wesen, dem man sein aus der Natur abgeleitetes Recht auf die Freiheit seiner Meinung nicht absprechen könne. Egal in welchem Land jemand lebe, welcher Religion er angehöre oder welche kulturellen Tradition er fortführt, „wir sind alle Menschen, die sich durch Sprache und Geschichten mitteilen.“

Ein Mensch könne nur als Geschichtenerzähler überleben, so der Schriftsteller und verweist auf das Werk „1001 Nacht“, in der die Erzählerin Scheherazade dem König jede Nacht eine Geschichte erzählt, damit er sie am nächsten Morgen nicht tötet. An dieser Stelle konnte sich Salman Rushdie einen kleinen Seitenhieb auf den Iran nicht verkneifen, indem er darlegte, dass das Werk aus dem Persischen stammt und erst später ins Arabische übersetzt wurde.

Die Buchmesse widmet sich der aktuellen Politik

Messedirektor Juergen Boos verwies bei der Pressekonferenz darauf, dass trotz der offiziellen Absage des Iran einige Verlage und Autoren erwartet werden. Darunter auch Navid Kermani, der diesjährige Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels.

Das schon vor Monaten festgelegte Rahmenthema der Buchmesse „Grenzverläufe“ hat durch die aktuelle Flüchtlingswelle natürlich an Brisanz gewonnen. Es wird in diesem Jahr wohl nicht so sehr um Bücher kontra E-Books gehen, sondern viel mehr um Inhalte und den politischen Diskurs. In einer hoffentlich ebenso großen Vielfalt, wie sie schon die Aufmachung der Messe bietet.

Es erzeugt ein großes Gefühl von Optimismus, was die Zukunft der Welt der Worte angeht.

Salman Rushdie

Salman Rushdie wurde 1957 im heutigen Mumbai geboren.

Seinen internationalen Durchbruch feierte im Jahr 1981 mit dem Buch „Mitternachtskinder“. Es handelt von dem Jungen Saleem Sinai, der am Tag der indischen Unabhängigkeit geboren wird und rückblickend die Geschichte seiner Vorfahren erzählt.