Albert Speer vor seinem Elternhaus in Heidelberg im Jahr 1975. (Foto Imago/Sven Simon)
NS-Zeit

Das Ende einer Legende

Eine neue Ausstellung in Nürnberg beschäftigt sich mit Hitlers Architekten und Rüstungsminister Albert Speer. Entgegen seiner Selbstdarstellung als unpolitischer Mitläufer zeigt ihn die Schau „Albert Speer in der Bundesrepublik. Vom Umgang mit deutscher Vergangenheit“ als einen der Haupttäter des NS-Regimes.

Nachdem er im Oktober 1966 aus dem Gefängnis Berlin-Spandau entlassen worden war, schaffte es Albert Speer, von sich ein Bild eines Saubermanns während der Nazi-Zeit zu zeichnen. Durch zahlreiche Interviews und Publikationen verbreitete er die von ihm selbst entworfene Legende: Er hätte von den NS-Verbrechen nichts gewusst und sei, von der Aura Hitlers verführt, in Krieg und Judenmord unbeteiligt hineingeraten.

Selbstgeschaffenes Image

Nun räumt eine neue Ausstellung in Nürnberg mit der Selbstinszenierung des Architekten und Rüstungsministers des NS-Regimes auf und untersucht, warum seine Geschichten so lange von vielen Menschen geglaubt wurden. Anhand historischer Dokumente belegt die Schau „Albert Speer in der Bundesrepublik. Vom Umgang mit deutscher Vergangenheit“ im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, dass Speer mitnichten ein unpolitischer Technokrat war, der von den Gräueltaten der Nationalsozialisten nichts wusste. Speer (1905-1981) sei vielmehr einer der Haupttäter des NS-Regimes gewesen, erklären die Ausstellungs-Macher. Er sei maßgeblich an der Judenverfolgung sowie den Verbrechen in den Konzentrationslagern und der Ausbeutung von Zwangsarbeitern beteiligt gewesen.

Wenn man hätte wissen wollen, hätte man wissen können.

Martina Christmeier, Kuratorin

Ein typischer Satz Speers sei gewesen: „Wenn man hätte wissen wollen, hätte man wissen können“, sagt Kuratorin Martina Christmeier. „Alle Deutschen fühlten sich durch diese Aussagen entschuldigt. Wenn schon ein Minister nichts weiß, dann muss man auch selbst nichts gewusst haben.“ Die alleinige Verantwortung wurde Diktator Adolf Hitler zugeschoben.

Erfolgreicher „Zeitzeuge“

Speer habe seine Selbstinszenierung so jahrzehntelang bewusst und erfolgreich betrieben. Seine Bücher „Erinnerungen“ und die „Spandauer Tagebücher“ über die Haft im Militärgefängnis waren Verkaufsschlager und sicherten Speer zudem einen hohen Lebensstandard. Als wichtiger Zeitzeuge rissen sich Medienvertreter und Historiker um Interviews mit ihm. Seine Kritiker kamen viel zu lange nicht zu Wort.

Die Schau sei daher überfällig, sagt Kurator Alexander Schmidt. Selbst in der Dauerausstellung des Doku-Zentrums habe es zu Speer bislang eine inhaltliche Lücke gegeben. Die neue Schau biete nun einen „Blick in die Fälscherwerkschaft“. Sie zeigt beispielsweise, wie sich Speer ein Alibi für eine Rede Heinrich Himmlers in Posen verschaffte. Darin beschrieb dieser die Ermordung der Juden deutlich. Speer stritt seine Anwesenheit ab und ließ sich dies von Zeugen bestätigen – die Texte dafür schrieb er selbst. Speer wusste zudem über das KZ Auschwitz Bescheid und genehmigte laut Dokumenten auch Baumaterial für dessen umfassenden Ausbau. „Wenn man das einmal gesehen hat, glaubt man dem Mann nicht mehr“, so Schmidt.

Dokumente und Fakten

Statements von neun Historikern sowie Originaldokumente sind die wichtigsten Mittel der Schau. An Schreibtischen können sich die Besucher den Forschern virtuell gegenübersetzen und deren Erkenntnisse anhören – zu Fragen wie: „Beteiligt sich Speer an der Judenverfolgung?“ oder „Warum funktionierte die Speer-Legende?“. Kurator Schmidt sagt: „Wir wollten eine Ausstellung über Speer ohne Speer machen: Also nicht erneut seine Angaben wiedergeben, sondern die Fakten präsentieren.“ Die Gäste können sich auf eine kriminalistische Spurensuche begeben.

Die Ausstellung

„Albert Speer in der Bundesrepublik. Vom Umgang mit deutscher Vergangenheit“ im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg ist vom 28. April bis zum 26. November zu sehen.