Friedhöfe in Deutschland haben eine vielfältige Bedeutung: Sie sind Erinnerungs- und Trauerorte, aber auch grüne Lungen der Städte. Sie können daher als Naherholungsflächen und Rückzugsorte für Mensch und Tier dienen, wie hier im Bild der Burgfriedhof in Bonn. (Foto: VFFK)
Immaterielles Kulturerbe

Rückenwind für deutsche Friedhofskultur

Der Antrag, die deutsche Friedhofskultur in die Liste des immateriellen Weltkulturerbes aufzunehmen, hat eine erste wichtige Hürde genommen: Der Hamburger Kultursenat hat die Bewerbung, die von einer Initiative verschiedener Organisationen in der Hansestadt eingereicht worden war, an die Deutsche Kultusministerkonferenz weitergeleitet, die über die Aufnahme in die nationale Liste entscheiden wird.

Die Friedhofskultur in Deutschland ist im Wandel: Urnenwände ersetzen mehr und mehr die Erdgräber. In manchen Friedhöfen zeigen sich mittlerweile dementsprechende Lücken auf der Rasen- oder Schotterfläche. Urnenbestattungen nehmen vor allem wegen der dadurch wegfallenden Grabpflege seit einigen Jahren stetig an Beliebtheit zu. Doch die deutsche Friedhofskultur mit ihren bepflanzten Gräbern – und mittlerweile auch den ebenso zum Bild gehörenden blumengeschmückten Urnenwänden – ist nichtsdestotrotz eine Besonderheit – eine deutsche Besonderheit, ein Teil der deutschen Kultur. Einen großen ideellen Rücken- beziehungsweise Aufwind – vielleicht auch wieder in Richtung Erdbestattung – könnte diese Kultur nun vielleicht in einem Jahr erfahren. Eine kleine Bestätigung, das heißt einen ersten Teilerfolg hierfür, hat sie bereits erfahren.

Entscheidung liegt bei Kultusministerkonferenz

Der Hamburger Kultursenat hat den Antrag, die deutsche Friedhofskultur in die UNESCO-Liste des immateriellen Weltkulturerbes aufzunehmen, der von einer Initiative verschiedener Friedhofsorganisationen in der Hansestadt eingereicht worden war, an die Deutsche Kultusministerkonferenz weitergeleitet. Zuvor hatte die Hansestadt den im Oktober eingereichten Antrag geprüft und vorgeschlagen, die UNESCO-Bewerbung der Friedhofskultur zu befürworten.

Damit ist die Friedhofskultur-Bewerbung nun in der engeren Wahl der Deutschen UNESCO-Kommission (DUK) für immaterielles Weltkulturerbe auf Bundesebene. Alle Voraussetzungen sind also geschaffen, mit dem Antrag zunächst in das nationale Verzeichnis für das immaterielle Kulturerbe aufgenommen zu werden. Die Aufnahme in das nationale Verzeichnis ist laut dem UNESCO-Reglement wiederum Voraussetzung für den Antrag auf Aufnahme in die internationale Liste. Ob es aber zunächst mit dem nationalen Verzeichnis klappt, entscheidet sich erst im Frühjahr nächsten Jahres, wenn die Kommission zu diesem Zeitpunkt ihr Urteil fällt.

Viele Vereine unterstützen Antrag

Für die Bewerbung hatten sich die großen Verbände und Institutionen im deutschen Friedhofswesen zu einer Initiative zusammengefunden. Mit dabei sind der Verein zur Förderung der deutschen Friedhofskultur e.V. (VFFK), der Bund deutscher Friedhofsgärtner im Zentralverband Gartenbau e.V., der Verband der Friedhofsverwalter Deutschlands, der Bundesverband deutscher Bestatter mit dem Kuratorium deutsche Bestattungskultur sowie der Verband für Gedenkkultur und der Bund deutscher Grabmalhersteller. Unterstützt wird der Antrag auch von vielen weiteren Gruppierungen, wie der Arbeitsgemeinschaft „Friedhof und Denkmal“ mit dem Museum für Sepulkralkultur in Kassel.

Hauptantragsteller beziehungsweise Ersteller des Antrags war der Bund deutscher Grabmalhersteller. Wesentlich unterstützt wurde er dabei vom VFFK, dem das Anliegen der Grabmalhersteller laut seinem Vereinsvorsitzenden Andreas Mäsing per se ein ureigenstes Interesse darstellt. Der Verein, gegründet im Jahr 2000, will sich vor allem durch eine breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit für den Erhalt der Friedhofskultur in Deutschland nachhaltig einsetzen. So ist der VFFK regelmäßig auch bei kleineren und größeren Messen und Ausstellungen vertreten. Auf der Internationalen Pflanzenmesse (IPM) in Essen beispielsweise beraten die Mitarbeiter alle Interessierten und verteilen Informationsmaterialien. Außerdem beobachtet der Verein die Entwicklungen der Friedhofskultur und möchte zum Nachdenken anregen.

„Würdigung eines besonderen Kulturgutes“

„Friedhöfe sind weltweit Bestandteil vieler Kulturen und Zeugnisse gesellschaftlicher Entwicklungen“, so Mäsing. „Gerade hier in Deutschland haben Friedhöfe eine weitreichende kulturhistorische Bedeutung: Schlendert man über Friedhöfe, erfährt man bei der Betrachtung von Gräbern verstorbener Persönlichkeiten immer auch ein Stück Geschichte über den jeweiligen Ort. Auf Friedhöfen findet Begegnung statt und auch Erholung vom stressigen Alltag. Von daher ist es für uns als Verein nur der logische Schritt, die Schutzwürdigkeit der deutschen Friedhofskultur mit dem UNESCO-Antrag zu unterstreichen“, so Mäsing weiter.

Die Ausarbeitung des Antrags, die erfahrungsgemäß sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, habe in ihrem Fall ein dreiviertel Jahr in Anspruch genommen, weiß Mäsing. Den Antrag selbst sieht er, wie er gegenüber dem Bayernkurier betonte, vor allem auch als „Beitrag, die deutsche Friedhofskultur in die Öffentlichkeit zu tragen“. Und: Es gehe um die Würdigung der deutschen Friedhofskultur als „Würdigung eines besonderen Kulturgutes der Region“, erläuterte Mäsing weiter.

Immaterielles UNESCO-Kulturerbe:

  • Beim immateriellen Kulturerbe handelt es sich laut den Bestimmungen der UNESCO um konkrete, praktizierte und gesellschaftlich gelebte kulturelle Ausdrucksformen und ihre damit verbundene ideelle Bedeutung für die jeweiligen Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Einzelpersonen.
  • Diese seit 2003 formulierten Bestimmungen für die „Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit“ hat 2013 auch Deutschland übernommen und ist damit dem UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes beigetreten.
  • Auf nationaler Ebene wird seither der kulturelle Reichtum durch ein bundesweites Verzeichnis sichtbar gemacht; auf Ebene der Bundesländer ist es das Landesverzeichnis.
  • Bis jetzt listet das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes 27 Einträge auf, darunter die sächsischen Knabenchöre, die schwäbisch-alemannische Fastnacht, den rheinischen Karneval, die Genossenschaftsidee, die deutsche Brotkultur, Orgelbau und -musik und das Reetdachdeckerhandwerk. Aufgelistete ausschließlich bayerische Phänomene sind die Passionsspiele in Oberammergau und die Lindenkirchweih in Limmersdorf.
  • Die Aufnahme in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes ist, laut Deutsche UNESCO-Kommission (DUK), „eine öffentlich sichtbare Anerkennung der kulturellen Ausdrucksform und ihrer Träger“.