Seit 2000 Jahren wird in Augsburg Wasser genutzt, hier das Stauwehr am Hochablass. (Foto: Imago/ Volker Preußer)
Augsburg

Wasserkraft als Weltkultur

Seit mehr als 2000 Jahren bewirtschaften die Menschen in Augsburg systematisch ihr Wasser. Mit diesem Erbe will die Stadt nun die Experten der Unesco überzeugen und auf die Liste der Weltkulturdenkmäler aufgenommen werden.

Wenn die Eltern von Bertolt Brecht vor die Tür traten, mussten sie erst einmal eine kleine Brücke überqueren. Denn einer der vielen Kanäle Augsburgs fließt direkt am Geburtshaus des weltberühmten Dichters entlang. Der kleine Bert zog zwar schon im Alter von zwei Jahren mit seiner Familie wieder aus, doch das Brechthaus im Augsburger Lechviertel, heute ein Museum, ist ein Musterbeispiel für die enge Beziehung von Augsburg zu seinem Wasser.

Künftig soll die historische Wasserwirtschaft von Bayerns drittgrößter Stadt auf der Liste des Weltkulturerbes der Unesco stehen. Die Bewerbung befindet sich auf der Zielgeraden, in weniger als zwei Jahren möchte auch Augsburg Welterbe sein.

Die Römer legten den Grundstein

Der offizielle Titel der Bewerbung bei der Weltorganisation lautet: „Wasserbau und Wasserkraft, Trinkwasser und Brunnenkunst in Augsburg“. Die Stadt dokumentiert darin eine rund 2000-jährige Nutzung des Wassers. Denn bereits die Römer hatten eine kilometerlange Wasserleitung nach „Augusta Vindelicum“ gebaut. Später war der Wasserreichtum ein wichtiger Baustein für den Aufstieg Augsburgs zu einer der führenden frühen Industriestädte in Europa.

Das ist etwas, das gibt es in der Welterbeliste noch nicht.

Antonia Hager, Augsburger Denkmalpflegerin

Bis heute gibt es neben den mehr als 30 Kanälen und den Prachtbrunnen noch mehrere Baudenkmäler, die die Wassernutzung dokumentieren. So lenkt der Hochablass, ein Stauwehr im Südosten der Stadt, Wasser des Lechs ins Augsburger Zentrum, wie das dort die Vorgängerbauten bereits seit mindestens 1346 taten. In der Nähe wurde im 19. Jahrhundert ein Wasserwerk errichtet, das ohne die bis dahin üblichen Wassertürme die Menschen mit Trinkwasser versorgte – damals eine international beachtete technische Innovation.

Ein früheres Wasserwerk dokumentierte da schon den Einfallsreichtum der Augsburger Ingenieure mit einem ungewöhnlichen Brückenbauwerk. An einer Kanalkreuzung sorgt die Brücke bis heute dafür, dass das Wasser ungestört voneinander in unterschiedliche Richtungen fließen kann.

Deutsche Kandidaten für die Unesco-Liste

Der nun auch von Augsburg angepeilte Titel „Welterbe“ verspricht den Städten internationales Renommee, das sich auch touristisch mit steigenden Gästezahlen auszahlen kann. Seit den 1970er Jahren sammelt die Unesco weltweit die Orte, die als das Kultur- und Naturerbe der Menschheit gelten. Die Liste umfasst aktuell 1073 Stätten in 167 Ländern, Deutschland ist bisher mit 42 Stätten vertreten.

Heuer wurden aus der Bundesrepublik die Höhlen und die Eiszeitkunst im Schwäbischen Jura in Baden-Württemberg auf die exklusive Liste genommen. 2018 stehen dann zwei norddeutsche Anwärter zur Entscheidung an. Im Sommer soll die Unesco befinden, ob der Jüdische Friedhof in Hamburg-Altona einerseits und andererseits die einstige Wikingerstadt Haithabu bei Schleswig mit dem nahen Befestigungswall Danewerk zum Welterbe werden.

Dabei sind die Bewerbungen inzwischen längst kein Selbstläufer mehr. Die Wikingerorte sind dafür das beste Beispiel. Sie waren bereits einmal gemeinsam mit ähnlichen Orten in Dänemark, Island, Lettland und Norwegen nominiert, wurden 2015 aber zunächst abgelehnt. Nun versucht es Deutschland im Alleingang noch einmal.

Bewerbung Anfang 2018

Die Stadt Augsburg will auf jeden Fall zum 1. Februar 2018 über das Auswärtige Amt seine Bewerbung bei der Unesco einreichen, damit dann voraussichtlich Mitte 2019 über die Aufnahme ins Welterbe entschieden werden kann. Die Bewerbung werde üblicherweise etwa 18 Monate lang geprüft, erklärt Katja Römer, Sprecherin der Deutschen Unesco-Kommission. Am Ende stehe dann das Votum des Welterbekomitees. „Bis dahin ist die Entscheidung offen.“

Derzeit liegt der Entwurf der Antragsschrift bereits bei der Weltorganisation in Paris. „Die Bewerbung wird dort auf Vollständigkeit geprüft“, erklärt die Augsburger Denkmalpflegerin Antonia Hager. Damit soll sichergestellt werden, dass keine Formfehler vorliegen. Die inhaltliche Prüfung werde erst nach der offiziellen Einreichung stattfinden. Laut Hager wird die endgültige Bewerbung mit allen Bildern dann ein stattliches Buch von 500 bis 600 Seiten werden. In Augsburg herrscht wegen des besonderen Themas der Bewerbung großer Optimismus. „Das ist etwas, das gibt es in der Welterbeliste noch nicht“, sagt die Denkmalexpertin. „Das ist sehr vielfältig.“ (dpa)