Der Deutsche Städte- und Gemeindebund ist mit einem Urteil des Bundessozialgerichtes zu Sozialleistungen für Migranten nicht einverstanden. Foto: imago/Ralph Peters
Sozialhilfe für EU-Bürger

Kommunen fürchten Unterwanderung des Sozialsystems

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund fordert die Bundesregierung auf, den Sozialhilfe-Anspruch von EU-Ausländern in Deutschland eindeutig zu beschränken. Nach einem Urteil des Bundessozialgerichtes haben EU-Bürger unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Sozialleistungsbezug.

Nach derzeitigem Stand könnten Mehrkosten in Höhe von rund 600 Millionen Euro auf die Kommunen zukommen. Gegenüber der Rheinischen Post äußerte Dr. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB): „Das Urteil des Bundessozialgerichts bedeutet, dass über 130.000 Personen bei uns auf einmal Anspruch auf Sozialhilfe bekommen. Das würde die Kommunen finanziell zu sehr belasten. Das würde Deutschland für Zuwanderungswillige im Ausland noch attraktiver machen als es ohnehin schon ist. Das ist ein riesengroßer Pull-Faktor! Hier muss der Gesetzgeber ran und die verstärkte Einwanderung in unser Sozialsystem verhindern.“

Auf uns rollte eine enorme Kostenlawine zu.

Gerd Landsberg

Kostenexplosion für die Kommunen

Die Mehrkosten müssten alleine von den Städten und Gemeinden geschultert werden. Dabei haben viele von ihnen jetzt schon mit fehlenden Finanzmitteln zu kämpfen – auch wegen der Flüchtlingskrise. Aus diesem Grund fordert der DStGB Maßnahmen von Bundesregierung, die die Einwanderung von EU-Bürgern ins deutsche Sozialsystem verhindern.

Grund für die Befürchtungen von Landsberg ist ein Urteil des Bundessozialgerichtes (der Bayernkurier berichtete), durch das Migranten aus anderen Mitgliedsstaaten schon nach einem kurzen Aufenthalt in Deutschland Anspruch auf Sozialhilfe hätten. Gemäß dieses Urteils steht bedürftigen Einwanderern aus der EU, wenn sie kein Arbeitslosengeld II bekommen, spätestens nach sechs Monaten hierzulande Sozialhilfe zu. Das Berliner Sozialgericht hielt in einem darauf folgenden Urteil für falsch: Der Leistungsanspruch sei „verfassungsrechtlich nicht haltbar“ und das Bundessozialgericht setze sich „über den Willen des Gesetzgebers“ hinweg (der Bayernkurier berichtete).

Da in Deutschland die Sozialleistungen recht hoch sind und auch höher als das durchschnittliche Einkommen eines Industriearbeiters in den ärmeren EU-Staaten, fürchten die Mitglieder des DStGB, dass es so für noch mehr Menschen attraktiv werde, nach Deutschland zu kommen. Dem Sozialbetrug sei Tür und Tor geöffnet, da es den Kommunen im Einzelfall kaum möglich sei, zu überprüfen, wie lange jemand tatsächlich schon in Deutschland sei. Einwanderer können also sofort behaupten, sie seien schon sechs Monate im Land und auf diese Weise die Sozialleistung von Anfang an kassieren.

„Das Bundessozialgericht erleichtert den Missbrauch“, argumentierte daher Gerd Landsberg gegenüber der Zeitung Die Welt.

Regelung auf EU-Ebene

Unterstützung findet Landsberg in Karl Schiewerling, dem arbeitsmarktpolitischen Sprecher der Union. Auch er sieht die Gefahr des Missbrauchs der Sozialgesetzgebung. Nötig sei „schnellstmöglich eine entsprechende gesetzliche Klarstellung“, so Schiewerling in Die Welt.

Auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sieht Nachholbedarf bei der entsprechenden Gesetzgebung. Offensichtlich wird die Bundesregierung einer von Großbritannien angestoßene EU-Reformdebatte folgen, um striktere Regeln bei den Sozialleistungen auf europäischer Ebene durchzusetzen.

Der britische Premier David Cameron will erreichen, dass sein Land EU-Bürger bis zu vier Jahre lang von Sozialleistungen ausnehmen kann. Dieser Zeitraum ist den meisten anderen EU-Staaten zwar zu lang, doch eine Sperre können sich mehrere vorstellen. So denkt die Bundesregierung darüber nach, erwerbslosen EU-Bürgern wenigstens für ein Jahr keinen Anspruch auf Sozialleistungen einzuräumen. Cameron kündigte beim zu verhandelnden Zeitraum bereits Kompromissbereitschaft an. Das Thema steht beim nächsten EU-Gipfel im Februar auf der Agenda.

Kurzfristig sollten wir auf nationaler Ebene handeln und nicht bis zu einer europäischen Einigung warten.

Gerd Landsberg

„Erheblichen Missbrauch“ sieht der Chef des Städte- und Gemeindebundes auch bei den EU-Migranten, die offiziell als Selbstständige gemeldet sind und wegen geringer Einkünfte zusätzlich Hartz IV beantragen. „Hier brauchen wir dringend Regeln, die praktikabel sind“, fordert Landsberg.

Auch der CDU-Politiker Schiewerling sieht vor allen in den Großstädten „Missbrauch bei den scheinselbstständigen EU-Bürgern“. Sozialleistungen dürften nicht der finanziellen Unterstützung unrentabler Geschäftsmodelle dienen. Nötig sei eine schärfere Kontrolle durch die Behörden, forderte Schiewerling.

Einwanderer kommen auch aus der EU selbst

Beim Thema Sozialleistungen für Einwanderer muss auch ein Blick auf diejenigen geworfen werden, die den Einwanderern zu ihrer Flucht in die EU verhelfen – die Schlepper. Durch die sozialen Netzwerke verbreiteten sich Informationen über die hier geltenden Regelungen viel rascher als früher ins Ausland, sagt Gerd Landsberg: „Wer heutzutage hier ankommt, weiß über die hiesigen Sozialleistungen meist bestens Bescheid – vor allem auch die Schlepper.“

Der aktuelle Zuwanderungsmonitor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt, dass im Schatten des starken Flüchtlingsandrangs auch die Zuwanderung aus den EU-Staaten weiterhin sehr stark ist. So nahm die Zahl der hier lebenden EU-Bürger im vergangenen Jahr um 340.000 zu. Die wichtigsten Herkunftsländer waren Bulgarien und Rumänien, für die seit zwei Jahren die Arbeitnehmerfreizügigkeit gilt.

Die IAB-Forscher verweisen darauf, dass sich Bulgaren und Rumänen grundsätzlich gut in den hiesigen Arbeitsmarkt integrieren. Ihre Beschäftigungsquote liegt mit 60 Prozent sogar etwas über der Beschäftigungsquote aller EU-Bürger in Deutschland. Allerdings zeigen die Daten auch einen stetigen Anstieg von Hartz-IV-Beziehern, die aus diesen beiden armen EU-Ländern stammen.

Im September vergangenen Jahres bezogen 112.000 Bulgaren und Rumänen Hartz IV. Dies entspricht einem Anstieg von 40.000 gegenüber dem Vorjahresmonat. Damit kletterte der Anteil der Leistungsbezieher in nur einem Jahr um 3,1 Prozentpunkte auf 17,2 Prozent. Auffallend hoch ist dabei mit 42 Prozent der Anteil der sogenannten Aufstocker: Mittlerweile bekommt fast jeder zweite Hartz-IV-Empfänger aus Rumänien oder Bulgarien die Sozialleistung, obwohl er offiziell erwerbstätig ist.

Quellen: pm/Die Welt