In die Enge getrieben: Thüringens linker Ministerpräsident Bodo Ramelow muss eine instabile Regierung zusammenhalten. (Foto: Common Lens/imago)
Thüringen

Rot-Rot-Grün plant Amnestie für Stasi-Spitzel

Die rot-rot-grüne Regierung in Thüringen gilt als Testlauf für ähnliche Bündnisse in anderen Ländern und vor allem im Bund. Da ist es schon erschreckend, wenn diese Koalition nun ehemalige Stasi-Spitzel, die sich in der Fraktion der SED-Erben finden, nicht mehr als "parlamentsunwürdig" deklariert wissen will. Der Politikwissenschaftler Harald Bergsdorf mit einer Analyse.

Bodo Ramelows rot-rot-grüne Regierung in Thüringen will die Möglichkeit abschaffen, Abgeordnete mit Stasi-Vergangenheit offiziell „parlamentsunwürdig“ zu nennen. Damit zielt vor allem der Ministerpräsident von der Linkspartei darauf, SED-Unrecht immer mehr vergessen zu machen. Um die eigene Vergangenheit reinzuwaschen und weitere Koalitionen mit der SPD zu erleichtern, will Rot-Rot-Grün dem Landtag die Chance nehmen, Unrecht bis heute auch Unrecht zu nennen.

So sollen einstige Stasispitzel ihren „Kampf“ gegen DDR-Oppositionelle, darunter Christen, leichter unter den Teppich kehren können. Reulose Ex-Helfer des MfS, die Menschen schweres Leid wie Stasi-Knast und Stasi-Folter zugefügt haben, sollen leichter davon kommen.

Im Widerspruch zu solchen Plänen von Rot-Rot-Grün wäre es sachgerecht, die Möglichkeit, Abgeordnete offiziell „parlamentsunwürdig“ zu nennen, zu erweitern, nämlich um ehemalige SED-Funktionsträger. Denn die Diktaturpartei SED fungierte als Arbeitgeber der Stasi. Die DDR war primär keine Stasi-, sondern eine SED-Diktatur; das MfS war kein Staat im Staate, sondern ein Hauptinstrument der SED.

Ramelows Ablenkungsmanöver: Ost-CDU

Um davon abzulenken, gibt es in der aktuellen Debatte über die „Parlamentsunwürdigkeit“ von Abgeordneten jetzt die rot-rot-grüne Forderung, die Rolle der Ost-CDU stärker wissenschaftlich zu untersuchen.

Solche Forderungen von Rot-Rot-Grün dienen weniger dazu, legitime Geschichts-Forschung vor­anzutreiben, sondern fungieren eher als Versuch, grundlegende Unterschiede zwischen SED und Ost-CDU einzuebnen und zu nivellieren, um SED-Verbrechen stärker auszublenden. So heißt es, SED und Ost-CDU hätten in der DDR im Grunde sehr ähnlich agiert und agitiert.

Das verdreht historische Fakten. Zwar war die Ost-CDU als Blockpartei weit davon entfernt, eine demokratische Partei zu sein. Vielmehr fungierte sie als eine Mitläufer-Partei, die der SED-Politik meist gehorsam folgte. Doch es war die SED, die führende Blockpartei, die ihre „bürgerlichen“ Konkurrenten nach der Hitler-Diktatur – mit Propaganda und Terror – gleichgeschaltet und zu weitgehend linientreuen Vasallen geformt hatte.

DDR war eindeutig ein SED-Staat

In den entscheidenden Gremien der SED-Diktatur, dem Politbüro und Zentralkomitee, operierte ausschließlich die SED. Das MfS diente als „Schild und Schwert“ der SED, nicht der kleinen Blockparteien. Schon in der DDR-Verfassung war die führende Rolle der SED festgeschrieben. Die SED-Diktatur war eine Einparteidiktatur – die Blockparteien sollten sowohl Parteienpluralismus als auch das Ende des „Klassenkampfes“ lediglich simulieren.

In der DDR-Realität war die SED Architekt und Polier, die Blockparteien waren ihre Handlanger. Ein zentrales Ziel der Blockparteien bestand darin, in der SED-Diktatur andere politische Ideen wachzuhalten.

Eine Mitgliedschaft in den Blockparteien bot die Chance, eng begrenzt mitzugestalten, ohne der SED beitreten zu müs sen. Heute ist es wesentlich, genau zu unterscheiden, ob ein früheres Mitglied der SED oder ihrer Satellitenparteien in einer lupenrein demokratischen oder in einer demokratiefernen Partei wie der „Linken“ agiert.

Stasi war „Schild und Schwert“ der SED

Über solche Unterschiede will Rot-Rot-Grün heute hinwegtäuschen – nach der Devise „Nivellieren statt differenzieren“. Deshalb werfen sie Nebelkerzen. Tatsächlich ähneln die Unterschiede zwischen der SED und den kleineren Blockparteien – wie der Ost-CDU – den Unterschieden zwischen Küchenhocker und Kirchturm.

Für die gravierenden Menschenrechtsverletzungen in der DDR war die SED als führende Partei hauptverantwortlich. Das gilt ebenfalls für Misswirtschaft und Mangelökonomie – nach dem impliziten Motto: „Ruinen schaffen ohne Waffen“.

Das will die Neo-SED heute vertuschen. Umso wichtiger bleibt es, kontinuierlich das Gras zu mähen, das über SED-Verbrechen und -Versagen zu wachsen droht. Dazu gehört das Recht des Thüringer Landtages, Abgeordnete „parlamentsunwürdig“ zu nennen – als Orientierungshilfe für die Wähler.