Ab wann wird das Chaos zum Normalfall, ab wann werden rechtsfreie Räume alltäglich? Das sind nur einige der Fragen, die sich zur Zeit die Menschen im Grenzraum zu Österreich im Landkreis Passau stellen. Die Ratlosigkeit, die aus diesen Fragen spricht, hat mittlerweile alle erfasst – von den Hilfs- und Einsatzkräften über die Verwaltung bis hin zu vielen Bürgerinnen und Bürgern.
„Von einer geordneten Einreise kann keine Rede mehr sein“
Angesichts von bis zu 10.000 Menschen und mehr, die pro Nacht in den Bereichen Wegscheid, Neuhaus und Achleiten/Passau die grüne Grenze regelrecht überrennen, wurde der Gedanke einer geordneten und regulären Einreise längst über Bord geworden. Was wir aktuell haben, ist ein rechtsfreier Raum. Dies betrifft die systematische Missachtung des Dublin-Abkommens in Österreich ebenso, wie den staatlich organisierten Transport von Flüchtlingen quer durch die Alpenrepublik bis unmittelbar an die bayerische Grenze. Spielfeld-Wegscheid ist mittlerweile zu einer festen Buslinie geworden. Ein Europa, das in Krisenregionen dieser Welt Blauhelme entsendet, kapituliert an den eigenen Grenzen.
„Wenn es so weitergeht, können wir die öffentliche Sicherheit im Landkreis nicht mehr garantieren“
Über 30.000 Flüchtlinge kamen in den letzten Tagen über die bayerisch-österreichische Grenze nach Bayern. Schwerpunkt waren immer wieder die Übergänge in Wegscheid und Neuhaus. Nur durch Unterstützung von Landkreis, betroffenen Gemeinden und Hilfsorganisationen konnte die Bundespolizei einen Zusammenbruch der Flüchtlingsversorgung verhindern. Eine solche Lage darf nicht noch einmal entstehen. Schon längst müssen wir feststellen, dass etwa der Landkreis Passau bei einer Fortsetzung der jetzigen Verhältnisse für Leib und Leben der Flüchtlinge ebenso wenig garantieren kann, wie für die öffentliche Sicherheit.
„Immer wieder durchbrechen Flüchtlinge die Absperrungen“
Der Grenzübergang Wegscheid liegt auf 700 Meter Meereshöhe, schon jetzt gibt es Minusgrade. Wie soll man hunderten oder tausenden von wartenden Menschen hier Obdach geben? Immer wieder brechen Flüchtlinge durch die Absperrungen, verlassen unkontrolliert die Warteräume und marschieren bei stockdunkler Nacht über Bundesstraßen Richtung Passau. Wer verhindert hier auf Dauer den ersten schlimmen Unfall? Wer gibt der Bevölkerung das Gefühl, sicher zu leben?
Alarmsignale nach Berlin
In Telefonaten mit Innenminister Joachim Herrmann und einem Schreiben an Bundesinnenminister Thomas de Maizière machte ich deutlich, dass eine massive Verstärkung der Bundespolizei-Kapazitäten an der grünen Grenze und im Aufnahmezentrum Passau unumgänglich ist. Wir zählen auch auf die verstärkte Unterstützung durch die Bundeswehr bei der Nahrungsmittelversorgung und der medizinischen Betreuung der Flüchtlinge. Was wir auch brauchen, sind mehr Beförderungskapazitäten, mehr Busse und Sonderzüge. Und mehr Ziele, wohin die Flüchtlinge bundesweit gebracht werden können. Da ist die Solidarität unter den Bundesländern nach wie vor ausbaufähig!
Gegenüber dem Koordinator der Bundesregierung in Flüchtlingsfragen, Kanzleramtsminister Peter Altmaier, erklärte ich unter anderem, dass nun der Bund in der Pflicht stehe, eigene Liegenschaften sofort für die Aufnahme von Flüchtlingen frei zu machen.
Brief an Merkel: „Die Kanzlerin ist gefordert!“
Bundesweit Beachtung fand schließlich Mitte der Woche der Alarmruf aus dem Landkreis Passau an die Bundeskanzlerin. Der Landkreis sieht angesichts der zugespitzten Flüchtlingssituation an der grünen Grenze bei Wegscheid und Neuhaus größten Handlungszwang für den Bund. Der Landkreis Passau und auch nicht der Freistaat können mit Österreich verhandeln oder Bundeswehrkasernen frei machen. Das kann allein der Bund. Und darum ist die Kanzlerin gefordert!
„Mit Österreich versuchen wir, das in unserer Macht stehende zu tun“
Was wir gerade in der Thematik mit Österreich versuchen, ist zumindest das in unserer Macht stehende zu tun. So habe ich den ehemaligen oberösterreichischen Landtagspräsidenten Friedrich Bernhofer als Vermittler eingeschaltet. In diesem Sinne haben wir auch den oberösterreichischen Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer um Unterstützung gebeten – einen langjährigen Freund unseres Landkreises. Da nach unseren Erkenntnissen die derzeitige österreichische Flüchtlingspraxis zentral aus Wien gesteuert wird, müssen wir jetzt gemeinsam mit den Freunden in Oberösterreich Druck auf die Bundesregierung in Wien ausüben, denn diese Schleusungs-Praxis darf das ansonsten ja beste Miteinander im Grenzraum nicht in Gefahr bringen.
Keine Auftritte in TV-Shows: „Der Landrat wird vor Ort gebraucht“
Derzeit blickt Deutschland auf die grüne Grenze im Landkreis Passau. Namen wie Wegscheid oder Neuhaus sind plötzlich bundesweit bekannt. Es ist gut, dass die Diskussion um den täglichen Wahnsinn an dieser Grenze nun in ganz Deutschland angekommen ist. Dennoch habe ich die Einladungen zu den bekannten deutschen TV-Talkshows nicht angenommen. Denn ich denke, ein Landrat wird vor Ort wohl mehr gebraucht, als in den Sesseln von Fernseh-Studios in Berlin oder Hamburg.