Proteste in Bayern
Bayerische Klinikmitarbeiter protestierten heute gegen die geplante Klinikreform der Bundesregierung. Geplant worden seien landesweit etwa 60 Aktionen, hatte die Bayerische Krankenhausgesellschaft (BKG) als Initiator der Proteste bereits im Vorfeld angekündigt. Eine der drei zentralen Kundgebungen fand in Nürnberg statt.
Krankenhausreform

Proteste in Bayern

Bayerische Klinikmitarbeiter protestierten heute gegen die geplante Klinikreform der Bundesregierung. Geplant worden seien landesweit etwa 60 Aktionen, hatte die Bayerische Krankenhausgesellschaft (BKG) als Initiator der Proteste bereits im Vorfeld angekündigt. Eine der drei zentralen Kundgebungen fand in Nürnberg statt.

In Nürnberg hatten sich heute mehrere hundert Ärzte, Krankenschwester, Pfleger und Verwaltungskräfte bereit erklärt, bei einem Demonstrationszug durch die Innenstadt ihren Unmut über die Reformpläne der Bundesregierung zum Krankenhausstrukturgesetz lautstark zum Ausdruck zu bringen. Auch in anderen bayerischen Städten fanden derartige Proteste statt. Dazu aufgerufen hatten die BKG sowie rund 100 Kliniken im Freistaat. Die Kliniken befürchten von der Krankenhausreform massive Kürzungen, auch wenn das geplante Krankenhausstrukturgesetz für nachweislich gute Kliniken finanzielle Zuschläge vorsieht.

Nach Ansicht von BKG-Geschäftsführer Siegfried Hasenbein bringt die Reform zwar „punktuelle Verbesserungen“ für die Kliniken; die Belastungen würden aber umgekehrt diese Verbesserungen um ein Vielfaches übersteigen, warnte er. Nach Einschätzung der BKG belaste die Reform dabei die Kliniken im Freistaat besonders. Denn in Bayern gäbe es mehr kleine Krankenhäuser als anderswo, und gerade kleinere Häuser hätten, so die BKG, besonders große Probleme, die geplanten, neuen bundeseinheitlichen Vorgaben zu erfüllen. Viele der kleineren Kliniken im Freistaat sind nach einer Untersuchung des Rheinisch-Westfälischen Instituts ohnehin insolvenzgefährdet. Laut der Krankenhausgesellschaft stieg der Anteil der defizitären Kliniken in Bayern innerhalb von fünf Jahren von 20 auf 52 Prozent.

Qualität als neues zentrales Kriterium

Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe hatte im Dezember 2014 Eckpunkte für eine Klinikreform vorgelegt, die bis Ende des Jahres umgesetzt werden soll. Demnach setzen sich Bund und Länder für eine Weiterentwicklung der Qualitätsstandards und für eine nachhaltige Sicherung der Betriebskostenfinanzierung der Kliniken ein. Qualität wird dabei als zentrales Kriterium bei der Krankenhausplanung eingeführt, an der sich auch die Krankenhausvergütung künftig orientieren soll. So werden Zuschläge gewährt für gute Qualität, Abschläge drohen hingegen bei Qualitätsmängeln. Außerdem sollen die Qualitätsberichte der Kliniken für Patienten zugänglicher und verständlicher werden, damit diese sich selbst ein Urteil über die Leistungsfähigkeit einer Klinik bilden können.

Bei der Krankenhausfinanzierung sollen durch das neue Gesetz, das am 1. Januar 2016 in Kraft treten soll, die Bedingungen für die Anwendung von Sicherstellungszuschlägen präzisiert werden. Kliniken, die an der stationären Notfallversorgung teilnehmen, erhalten demnach Zuschläge; wer nicht daran teilnimmt, muss Abschläge hinnehmen. Zudem wird der Investitionsabschlag für Kliniken bei der ambulanten Vergütung von zehn auf fünf Prozent halbiert. Geplant ist überdies eine verschärfte Mengenregulierung.

Akute Probleme bei der Refinanzierung

Genau mit diesen neuen Schwerpunkten bei der Refinanzierung dürften aber viele Kliniken ihre Probleme haben: Nicht jedes, vor allem kleinere, Krankenhaus kann mit diesen Standards und Leistungsprämien mithalten. Die BKG kommt sogar zu dem Ergebnis, dass den Kliniken an bestimmten Stellen mehr Geld weggenommen werde, als sie an anderen Stellen zusätzlich erhalten würden. Vor allem beklagt die BKG, dass steigende Personalkosten nicht mehr finanziert werden könnten. Diese seien im Laufe der letzten Jahre vielmehr erheblich gestiegen. Der Grund: Die Entgelte für Krankenhausleistungen steigen langsamer als die Tariflöhne. Zudem brauche es nach Meinung vieler Klinikbetreiber mehr Personal, um den steigenden Patientenzahlen aufgrund des demografischen Wandels gerecht zu werden.

Auch die Patientenzuwächse bei Krankenhäusern würden nicht adäquat beziehungsweise proportional zum Anstieg der Patientenzahl entlohnt. So bekommen Kliniken nach Angaben ihrer Betreiber die Mehrleistungen für Patienten derzeit nur zu 75 Prozent für eine Dauer von drei Jahren vergütet. Mit der Einführung des Krankenhausstrukturgesetzes in seiner jetzigen Form würde sich dies nach Meinung vieler Klinikbetreiber sogar noch verschlechtern: Dann würden Mehrleistungen fünf Jahre lang bis zu maximal 65 Prozent vergütet werden. „Das zeigt, dass Leistungsausweitungen in der Krankenhausversorgung finanziell bestraft werden“, sagte beispielsweise der kaufmännische Direktor des Uniklinikums Regensburg, Klaus Fischer, gegenüber der Mittelbayerischen Zeitung.

Huml hat Verständnis für Streikende

Auch Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml setzt sich intensiv für Nachbesserungen an den Plänen der Bundesregierung für eine Krankenhausreform ein. Huml betonte mit Blick auf die Kritik der Bayerischen Krankenhausgesellschaft an dem Reformvorhaben: „Gerade auch als Ärztin habe ich großes Verständnis für die gegenwärtigen Unsicherheiten bei Klinikmitarbeitern. Ärzte und Pflegekräfte haben eine Aufgabe, die von großer Verantwortung und erheblicher Arbeitsbelastung gekennzeichnet ist.“ Die Ministerin fügte hinzu: „Die Patienten müssen sich darauf verlassen können, dass sie in unseren Kliniken bestmöglich versorgt werden. Deshalb müssen die Krankenhäuser dauerhaft auskömmlich finanziert werden.“

Die qualitativ hochwertige medizinische Versorgung für die Menschen in Bayern muss erhalten bleiben – und eine wohnortnahe Krankenhausversorgung auch in ländlichen Regionen gewährleistet sein.

Melanie Huml, bayerische Gesundheitsministerin

Huml unterstrich: „Es ist wichtig, dass die bayerischen Verbesserungsvorschläge bei den weiteren parlamentarischen Beratungen im Bundestag berücksichtigt werden. Denn die qualitativ hochwertige medizinische Versorgung für die Menschen in Bayern muss erhalten bleiben – und eine wohnortnahe Krankenhausversorgung auch in ländlichen Regionen gewährleistet sein.“ Sie erläuterte dazu: „Notwendig ist eine dauerhafte Verbesserung der Betriebskostenfinanzierung der Krankenhäuser. Aber mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird dieses Ziel nicht vollständig erreicht. Deshalb dringt Bayern weiter auf Änderungen. Der Bund muss vor allem bei den Regelungen zur neuen Mengensteuerung nachbessern. Finanzielle Nachteile für die Krankenhäuser müssen im Interesse der Patienten vermieden werden.“ Im Bundesrat hat Bayern schon beantragt, an dem Versorgungszuschlag festzuhalten, der vor rund zwei Jahren im Rahmen des Soforthilfepakets eingeführt wurde. Außerdem fordert der Freistaat, dass die Bundesländer auch die Landesgeschäftsstellen für Qualitätssicherung mit unangemeldeten Qualitätskontrollen betrauen können – statt den Medizinischen Dienst der Krankenkassen. Denn diese Selbstverwaltungsgremien haben sich bei der Qualitätssicherung in den bayerischen Krankenhäusern bewährt.

Kommunale Spitzenverbände appellieren

Auch die kommunalen Spitzenverbände appellieren anlässlich des heutigen Krankenhaus-Aktionstages an Bund und Länder, den Entwurf des Krankenhausstrukturgesetzes im Gesetzgebungs­verfahren deutlich nachzubessern. „Wir fordern die Bundesregierung auf, gemeinsam mit den Ländern für eine ausreichende Finanzierung der Krankenhäuser zu sorgen. Denn sowohl bei den laufenden Betriebskosten als auch bei den Investitionskosten für die Krankenhäuser bestehen erhebliche Finanzierungslücken. Immer mehr Krankenhäuser leiden unter struktureller Finanznot“, teilten die Präsidenten des Deutschen Städtetages, Eva Lohse, und des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager, mit.

Das Krankenhausstrukturgesetz müsse es vielmehr ermöglichen, dass die Krankenhäuser ihre Personalkosten inklusive der anfallenden Lohn- und Tarifsteigerungen gegenfinanzieren können, um ihre laufenden Betriebskosten zu decken, betonen die beiden Präsidenten. Dabei sehen sie auch die Länder in der Pflicht: So würden im Bereich der Krankenhausinvestitionsmittel von den objektiv festgestellten Bedarfen in Höhe von bundesweit sechs Milliarden Euro jährlich von den Ländern gerade einmal knapp die Hälfte gewährt. „Diese strukturelle Investitionslücke besteht schon seit vielen Jahren. Der Sanierungsstau wird jährlich größer, so dass dringender Handlungsbedarf für die Politik besteht, dies zu ändern“, fordern die kommunalen Vertreter.