Die Wirtschaftskraft der ostdeutschen Länder wird auch in den kommenden 25 Jahren hinter dem Westen zurückbleiben. „Alles spricht dafür, dass Ostdeutschland in den nächsten 25 Jahren nicht aufholen kann“, sagte der stellvertretende Leiter der ifo Dresden, Joachim Ragnitz, bei einem Vortrag in Tutzing anlässlich der staatlichen Vereinigung vor einem Vierteljahrhundert.
„Das BIP im Osten verharrt seit 20 Jahren bei 75 Prozent des westdeutschen Durchschnitts“
„Die Konvergenz zwischen Ost- und Westdeutschland im Sinne der Wirtschaftsleistung ist bereits vor zwanzig Jahren zum Stillstand gekommen. Das BIP je Kopf der Bevölkerung verharrt seit 1995 bei 75 Prozent des westdeutschen Durchschnitts. Wir sollten von der ohnehin illusorischen Vorstellung einer ‚Angleichung der Lebensverhältnisse‘ Abstand nehmen“, sagte Ragnitz weiter.
Der genannte Prozentsatz wäre noch deutlich niedriger, würde man nur die Gebiete der Ex-DDR mit den Gebieten der ehemaligen Bundesrepublik einschließlich Westberlins vergleichen. Und betrachtet man den Lebensstandard im Sinne der Nettoeinkommen je Kopf, so kommt man auf eine sehr viel höhere prozentuale Annäherung. Grund hierfür ist die Umverteilung im Rahmen des Steuer- und Transfersystems, von dem Ostdeutschland überproportional profitiert.
„Es fehlt an Großunternehmen im Osten“
Als Ursache für seine Prognose nannte Ragnitz kurzfristig kaum zu behebende strukturelle Ursachen, wie das Fehlen von hochproduktiven Großunternehmen in Ostdeutschland. Dafür ist nach früheren Analysen des ifo-Instituts insbesondere die Politik der schnellen Lohnangleichung verantwortlich, die durch die Stellvertreter-Lohnverhandlungen seitens westdeutscher Tarifpartner bereits vor der Privatisierung der Treuhandbetriebe zustande gekommen war. „Heute dämpfen Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung die wirtschaftliche Dynamik. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich in den ostdeutschen Ländern eine ganze Reihe von erfolgreichen Unternehmen etabliert haben und dass einzelne Wachstumspole – wie Dresden, Leipzig, Jena oder das Berliner Umland – durchaus positive Perspektiven aufweisen“, fügte er hinzu.
Westdeutsche Erfahrungen lehrten jedoch, dass das Aufholen einzelner Wirtschaftsräume eher die Ausnahme als die Regel sei. Auch im Westen gebe es eine Vielzahl strukturschwacher Regionen, wie beispielsweise Niederbayern oder Nordhessen, die es trotz enormer regionalpolitischer Anstrengungen nicht geschafft hätten, sich den stärkeren Regionen anzunähern. „Die grundgesetzlich garantierte ‚Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse‘ ist ohnehin unabhängig von der Wirtschaftskraft, da diese nicht allein an materiellen Größen gemessen werden kann“, sagte Ragnitz.