Einfallsreicher Protest der Bauern in Kitzingen. Bild: BBV
Bauernverband

„Ruinöse Rabattschlacht“

Die Verbraucher in Deutschland müssen sich auf höhere Lebensmittelpreise einstellen. Grund ist die diesjährige deutlich magerere Erntebilanz der Bauern als Folge der extremen Trockenheit der letzten Wochen. Zugleich protestierten Bayerns Bauern gegen die "Schleuderpreise" der Discounter auf dem Rücken der Landwirte.

Nicht nur das Wetter und die damit verbundenen Ernteausfälle sorgen Bayerns Bauern, sondern auch eine „ruinöse Preisschlacht“ der Lebensmitteldiscounter. Viele bayerische Landwirte sehen mittlerweile ihre Existenzgrundlage gefährdet. Deshalb hat der Bayerische Bauernverband für Dienstag einen Aktionstag organisiert. „Es reicht! Mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch haben heute Bäuerinnen und Bauern in ganz Bayern gegen die Schleuderpreise des Lebensmitteleinzelhandels protestiert“, so steht es auf der Webseite des BBV.

„Das halbe Pfund Butter für 79 Cent, Schweineschnitzel für 6 Euro pro Kilo, Markenjoghurt zum Super-Sonderpreis – der Lebensmitteleinzelhandel liefert sich im Moment einen ruinösen Preiskampf auf dem Rücken der Bauern. Jetzt hat die Rabattschlacht eine neue Dimension erreicht: Gerade Aldi heizt den Wettbewerb immer weiter an, inzwischen werden von den Discountern auch Markenartikel verramscht.“

Die Schleuderpreise an den Ladentheken zerstören die Grundlagen für eine nachhaltige und regionale Landwirtschaft.

Walter Heidl, Präsident des BBV

Die Preise, die sie für Milch und Fleisch, insbesondere Schweinefleisch, erhielten, seien bereits „seit einiger Zeit nicht mehr annähernd kostendeckend“, sagte Bauernpräsident Walter Heidl. „Die Schleuderpreise an den Ladentheken zerstören die Grundlagen für eine nachhaltige und regionale Landwirtschaft.“ Am Dienstagvormittag haben sie bayernweit vor rund 40 Filialen von Discountern und Supermärkten deutlich gemacht, dass diese „Schleuderpreise zerstören!“. In Kitzingen kam es beispielsweise zu einer Protestaktion gegen den Discounter Aldi. Anders als in seinen Selbstdarstellungen gebe der Handel dabei wenig bis gar nichts auf eine nachhaltige und faire Partnerschaft mit den Erzeugern, so die örtlichen Bauern mehr als deutlich. „Wenn der Verdrängungswettbewerb nicht gestoppt wird, wird bald nur noch ein großer Handelskonzern übrig bleiben“, fürchtet Heidl. „Dann bestimmt der Handel nicht mehr nur welche Preise die Verbraucher zu zahlen haben und was für uns Bauern übrig bleibt. Über kurz oder lang wird uns in dieser Monopolstruktur dann auch vorgegeben werden, was wir einkaufen. Das kann niemand ernsthaft wollen!“ Hinzu kommen laut BBV die heftige öffentliche Diskussionen zu Tierhaltung und Ackerbau sowie immer neue Regelungen und Dokumentationspflichten.

Ernteausfälle

Im Vergleich zu 2014 sei der Ertrag heuer um elf Prozent gesunken, teilte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, bei der Vorstellung der diesjährigen Erntebilanz mit. Bei der Apfelernte erwarteten die Landwirte sogar ein Minus von 20 Prozent. Dabei gibt es laut Rukwied deutliche regionale Unterschiede: Je nach witterungsbedingter Trockenheit des jeweiligen Bundeslandes fiel dort die Ernte besser oder schlechter aus. Doch auch die normalen Erträge können die Ausfälle nicht kompensieren, was das bundesweite schlechtere Erntejahr erklärt. Die Verbraucher müssen sich demnach vermutlich auf einen baldigen Anstieg der Lebensmittelpreise einstellen.

Die Preise sind massiv eingebrochen und zwar in allen Sektoren.

Joachim Rukwied

Hitze und Trockenheit sowie die Auswirkungen des Russland-Embargos bringen aber auch die deutschen Landwirte zum Teil zunehmend in finanzielle Bedrängnis. „Die Preise sind massiv eingebrochen und zwar in allen Sektoren“, erklärte Rukwied. In den Regionen mit besonders wenig Regen, was für die Mitte Deutschlands gelte, müssten Betriebe sogar Ertragseinbußen von 40 bis 50 Prozent wegstecken, wusste Rukwied weiter und nannte als weitere Ertragseinbuße für die Bauern das Russland-Embargo: Die Export-Verluste nach Russland bezifferte Rukwied demnach mit 600 bis 700 Millionen Euro. Das dämpfe spürbar die Investitionsbereitschaft der Landwirte: Im zweiten Halbjahr wollten sie nur noch vier Milliarden Euro statt üblicherweise etwa sechs Milliarden in die Hand nehmen, bilanziert der Deutsche Bauernverband.

Auch Bayerns Bauern verzeichnen Verluste

Auch der Bayerische Bauernverband hat seine Erntebilanz abgeschlossen, die dieses Mal zum zweiten Mal in Form einer Online-Erhebung stattfand. Die Ergebnisse bestätigen das Bild des Verbands, wonach die Ernte heuer um rund 15 Prozent geringer ausfällt als im Vorjahr. Vor allem beim Weizen und beim Raps liegen die Erträge unter dem Vorjahresniveau. Insbesondere in Unterfranken hat laut Bauernverband die Trockenheit dazu geführt, dass der Raps nicht genügend Öl bilden und einlagern konnte. Der Wassermangel ist auch der Grund für die Ernteausfälle bei Kartoffeln und Zuckerrüben; diese Kulturen benötigen dringend Wasser. Die Wasserknappheit macht sich aber auch beim Grünland und damit beim Grünfutter bemerkbar, das mancherorts derzeit knapp wird. In weiten Teilen Bayerns konnten die Bauern zuletzt kein Heu mehr für Ihre Kühe einbringen. Die Bauern wüssten sich jedoch über die Futterbörse untereinander zu helfen, was der Verband über die rege Nutzung seines Webangebots positiv zur Kenntnis nimmt.

Eine Woche Dauerregen erwünscht

Damit der Boden seine Vorräte auffüllen kann, müsste es nach Angabe des Bayerischen Bauernverbands (BBV) jetzt circa eine Woche durchgehend regnen. Wie stark die Trockenheit die Pflanzen beeinträchtigt, zeigt auch der frühe Erntezeitpunkt beim Silomais. Normalerweise wird je nach Lage ab der zweiten Septemberwoche mit dem Häckseln begonnen – doch nicht dieses Jahr: In trockenen Lagen starten die Bauern ab der kommenden Woche mit der Ernte; in Unter- und Mittelfranken laufen bereits die Häcksler. Doch der geerntete Mais liefert nur wenig Energie, auch hier wird das Futter in den bayerischen Ställen knapp.

Und wie sieht es heuer bei den Weinbauern aus? Hitze, Dürre und wenig Wasser lassen wahrscheinlich auch die Weinernte schrumpfen, vermuten die Weinbauverbände. Aber auch hier gebe es große regionale Unterschiede: Mit einem Rückgang von bis zu einem Fünftel ihres Ertrags bei der Weinernte rechnet beispielsweise der Württembergische Weinbauverband. Der Badische Verband dagegen glaubt für sich eher an circa fünf bis zehn Prozent Verlust. Vor allem im Frühjahr und Frühsommer – der die für die Weine wichtigen Wachstumsphasen – habe es nach Meinung von Experten dieses Jahr zu wenig geregnet.

Staatsregierung will helfen

Bayerns Agrarminister Helmut Brunner hat bereits mehrere Maßnahmen angestoßen. So können schon jetzt Bracheflächen und Feldränder, die als ökologische Vorrangflächen (ÖVF) vorgesehen sind, ausnahmsweise zur Beweidung oder zur Futtergewinnung genutzt werden. Zudem hat Brunner an den Bund appelliert, dass die Bauern in dieser Sondersituation auch den Aufwuchs von als ÖVF ausgewiesenen Zwischenfruchtflächen als Futter nutzen dürfen. „Diese zusätzlichen rund 170 000 Hektar an Futterfläche würden deutlich zu einer Entspannung bei den Betrieben beitragen“, so der Minister. Weil die Trockenheit bundesweit ein Problem ist, hat Brunner den Bund auch aufgefordert, ein Schadensausgleichsprogramm für die Betroffenen aufzulegen und die Bundeszuschüsse für die Landwirtschaftliche Unfallversicherung aufzustocken. Die Landwirtschaftliche Rentenbank bereitet bereits eine Ausweitung ihrer Liquiditätshilfe vor. Positive Signale für steuerliche Erleichterungen hat der Minister auch aus dem bayerischen Finanzministerium erhalten. Um den betroffenen Betrieben bei Liquiditätsproblemen zu helfen, können die Landwirte demnach die Herabsetzung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen sowie Steuerstundungen beantragen. Zudem will Bayern die wichtigsten Flächen-Fördermittel möglichst zeitnah bereitstellen: Bei der Ausgleichszulage ist die Auszahlung bereits im November vorgesehen, die Betriebsprämie soll noch im Dezember auf den Konten der Landwirte eingehen.

(avd/BBV)