Christdemokraten in Orange: Plakate vor der Wahl in Bremen. (Foto: Imago/E.Stengel)
Bremen

Wechselstimmung an der Weser

Seit Kriegsende sitzt im Bremer Rathaus ein SPD-Regierungschef. Doch im Stadtstaat bahnt sich Ungeheuerliches an: Erstmals nach 73 Jahren könnte die CDU den Regierungschef nach der Landtagswahl am 26. Mai stellen. Aus dem BAYERNKURIER-Magazin.

Wenn Carsten Meyer-Heder unterwegs ist, und das ist er in diesen Tagen pausenlos, erzählt er gerne die Geschichte vom Münchner Taxifahrer, der ihn, auf dem Weg zum Flughafen, mitleidig angelächelt hat, als er sein Ziel nannte: Bremen. Denn das kleinste Bundesland ist nach über 70 Jahren Sozialdemokratie und drei Legislaturen unter Rot-Grün mit rund 22 Milliarden Euro hoch verschuldet, die Bildung dort belegt in allen Vergleichsstudien schon lange konkurrenzlos den letzten Platz und die Armut hat dramatische Ausmaße angenommen, fast jedes dritte Kind ist betroffen.

All das hat sich auch außerhalb herumgesprochen. Die prächtige historische Bremer Altstadt, die Lebensqualität entlang der Weser, die hohe Kulturdichte auf kleinem Raum, das maritime Flair, die guten Kennzahlen der Wirtschaft und die mächtige Hafenkulisse in Bremerhaven sind es nicht, die auf Bremens Imagekonto einzahlen.

Quereinsteiger als Kandidat

Die Begegnung im Taxi vor einigen Jahren wurmt Carsten Meyer-Heder noch heute. Und es sagt viel aus über seine Motivation. Denn als erfolgreicher IT-Unternehmer, der vor 25 Jahren das Unternehmen team neusta aufgebaut und mit über 1.000 Mitarbeitern großgemacht hat, müsste es Meyer-Heder nicht tun: diese mühsame und zeitaufwendige Tour durch Partei, Seniorenkreise und Unternehmerfrühstücke auf dem Weg zum ehrenamtlichen Spitzenkandidaten. Doch der 2-Meter-Mann will es dem Münchner Taxifahrer und allen anderen zeigen: „Bremen und Bremerhaven sind tolle, lebenswerte Städte mit viel Potenzial. Aber sie werden unter Wert regiert. Hier herrscht seit Jahren Stillstand. Das will ich ändern“, sagt der gebürtige Bremer und es ist spürbar, wie ihm seine Heimatstadt am Herzen liegt.

Das gab’s noch nie. Die Menschen wollen den Wechsel.

Carsten Meyer- Heder, CDU-Kandidat

Vor erst gut einem Jahr ist der Quereinsteiger in die CDU eingetreten, hat die Partei kennengelernt und die Mitglieder mit seiner Art, die man im Politikbetrieb mindestens als unkonventionell bezeichnen würde, offenbar in kürzester Zeit überzeugt: Mit 99 Prozent nominierte ihn der Parteitag im vergangenen Jahr als Spitzenkandidaten, wenige Monate später holte der 58-Jährige bei der Aufstellung der Liste sogar 100 Prozent der Delegiertenstimmen für Platz 1.

Aber nicht nur innerhalb der Partei herrscht Aufbruchsstimmung. Jüngste Umfragen sehen die CDU erstmals knapp vor der SPD. „Das gab’s noch nie. Die Menschen wollen den Wechsel. Für mich ist das eine tolle Motivation, aber darauf dürfen wir uns nicht ausruhen“, sagt Meyer-Heder. Sein Ziel ist es, deutlich stärkste Kraft zu werden: „Sonst riskieren wir, dass es Rot-Rot-Grün gibt. Das wäre für Bremen fatal“, warnt der Spitzenkandidat. Für den Wahlkampf haben er und die CDU drei Kernthemen auf der Agenda: Bildung, Digitalisierung und Mobilität.

Digitalisierung als Chefsache

Eine bessere Bildungspolitik, die muss aus Sicht von Carsten Meyer-Heder als Erstes angegangen werden. „Schlechte Bildung und hohe Armut sind Ursache und Folge. In keinem anderen Bundesland hängt der Bildungserfolg so sehr von der Herkunft ab“, weiß Meyer-Heder. Er will deshalb die frühkindliche Bildung verbessern, zum Beispiel das dritte Kindergartenjahr verpflichtend machen, um Förderbedarfe gezielt anzugehen und vergleichbare Voraussetzungen beim Schulstart zu ermöglichen. „Studien haben darüber hinaus gezeigt, dass bei uns Neuntklässler im Vergleich zu Altersgenossen aus anderen Bundesländern im Fach Deutsch auf dem Niveau von Sechstklässlern sind. Da läuft etwas gewaltig schief. Hier geht es um die Qualität des Unterrichts und einen Aufholprozess gegenüber anderen Bundesländern. Das ist eine Frage der finanziellen Mittel, aber auch von Einstellungen und Werten.“ Daher will der CDU-Spitzenkandidat auch den Leistungsgedanken stärken. Er setzt sich für Noten ab der dritten Klasse ein.

Digitalisierung ist quasi von Haus aus das Spezialthema des IT-Unternehmers. Er will die Verwaltung durch die digitalen Möglichkeiten effektiver machen. Denn Digitalisierung würde nicht nur den Bürgerservice deutlich verbessern. Gerade für ein Haushaltsnotlageland wie Bremen ist sie eine Chance, Ausgaben zu reduzieren. In den Klassenzimmern und der Schul­organisation muss die Digitalisierung ebenfalls Einzug halten, findet er. „Wenn die Lebensrealität von Schülern und der Schulalltag auseinanderdriften, dann verfehlt Schule ihren Zweck, aufs Leben vorzubereiten. Ich will die erste digitale Modellschule eröffnen“, hat er sich vorgenommen.

Stau in der Hansestadt

Stau und Verkehr ist auch in Bremen – wie in jeder Großstadt – ein Dauerbrenner. Doch in Bremen hat die rot-grüne Regierung allein beim Verkehr einen Sanierungsstau von 240 Millionen Euro  angehäuft. Die Folge: marode Brücken und Straßen, Sperrungen und Stau. Meyer-Heder will diesen Berg abbauen. Bei den dafür unausweichlichen Baustellen kommt wieder die Digitalisierung ins Spiel: Deren Management und Abstimmung, auch mit dem benachbarten Niedersachsen, will er auf digitale Füße stellen.

Auch neue Mobilitätsarten kann er sich vorstellen: Neben regelmäßigen Fährverbindungen auf der Weser hält er eine Seilbahn als Ergänzung für den öffentlichen Nahverkehr für überlegenswert. Klar ist, dieser Mann will hoch hinaus. Und an den Taxifahrer aus München hat er auch noch einen Wunsch: „Dass er, wenn ich ihn in ein paar Jahren wiedertreffe, sagt ,Echt cool, was Ihr da oben auf die Beine stellt‘.“