Idyll schützt nicht vor Besteuerung: Mittelalterliche Fachwerkhäuser in "Klein-Venedig" in Bamberg. (Foto: Imago/Chromorange)
Grundsteuer

In Grund und Boden gestampft

Das Bundesverfassungsgericht erklärt die Erhebungsmethoden der Finanzämter für die Grundsteuer für verfassungswidrig. Bis 2019 müssen die Bundesländer eine Neuregelung schaffen. Bayerns Finanzminister Albert Füracker will eine "Einfach-Grundsteuer".

Die Vorschriften für die Einheitsbewertung zur Berechnung der Grundsteuer in Westdeutschland sind verfassungswidrig. Das entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Die Regelungen verstoßen gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Die Regelungen des Bewertungsgesetzes zur Einheitsbewertung von Grundvermögen in den „alten“ Bundesländern sind nach Einschätzung des Gerichts seit dem Beginn des Jahres 2002 mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar. Das Festhalten des Gesetzgebers an dem Hauptfeststellungszeitpunkt von 1964 führe zu „gravierenden und umfassenden Ungleichbehandlungen bei der Bewertung von Grundvermögen“, für die es keine ausreichende Rechtfertigung gebe.

Mit dieser Begründung hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts die Vorschriften mit Urteil vom heutigen Tage für verfassungswidrig erklärt und bestimmt, dass der Gesetzgeber spätestens bis zum 31. Dezember 2019 eine Neuregelung treffen muss. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen die verfassungswidrigen Regeln weiter angewandt werden. Nach Verkündung einer Neuregelung dürfen sie für weitere fünf Jahre, längstens aber bis zum 31. Dezember 2024 angewandt werden.

Auswirkungen auf Bayern

Die Auswirkungen dieses Urteils für den Freistaat Bayern umreißt der neue Finanzminister Albert Füracker: Bis zu einer Neuregelung sollen die bayerischen Finanzämter weiter auf der Grundlage von Steuererklärungen die Bemessungsgrundlagen für die Grundsteuer feststellen, damit die Gemeinden nahtlos die Grundsteuer nach den noch festzulegenden neuen Maßstäben erheben können. Die Grundsteuer solle den Gemeinden unter Wahrung ihrer verfassungsrechtlich garantierten Hebesatzautonomie auch in Zukunft als zuverlässige und planbare Einnahmequelle erhalten bleiben, hob der Minister hervor.

Bayern tritt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nach wie vor „für eine Einfach-Grundsteuer ein, die für Bürger und Unternehmen transparent und unmittelbar nachvollziehbar ist“, sagte Füracker. Nach seinen Worten soll die Grundsteuer auch in Zukunft ausschließlich nach physikalischen Größen, nämlich Grundstücksgröße und Geschoßfläche, ermittelt werden. Diese Größen sind nicht streitanfällig und würden in Zeiten steigender Immobilienpreise eine Steuererhöhung durch die Hintertür vermeiden, glaubt Füracker.

Wir wollen eine einfache, faire und regionalisierte Grundsteuer.

Albert Füracker, bayerischer Finanzminister

Wie eine mögliche Neuregelung tatsächlich aussehen könnte, ist bislang allerdings noch nicht abzusehen. Bereits seit Jahren wird darüber politisch über die Ländergrenzen hinweg gestritten. Ein Reformvorschlag der Bundesländermehrheit lehnten die Länder Bayern und Hamburg 2015/2016 ab. Danach sollten für Grundstücke ein Produkt aus Fläche und Bodenrichtwert ermittelt werden. Für darauf stehende Gebäude sollen die Werte pauschal ermittelt werden, anhand von drei Faktoren: Alter, Art, Nutzung. Der künftig für die Steuer herangezogene Wert je Quadratmeter würde also beispielsweise davon abhängen, ob es sich um eine allein genutzte Villa, ein Reihenhaus mit Einliegerwohnung oder ein Mehrfamilienhaus handelt.

Der Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts ifo, Clemens Fuest, spricht sich für ein einfaches Verfahren zur Ermittlung der neuen Grundsteuer aus. „Geeignet ist eine Kombination aus Grundstücks-, Wohn- und Nutzfläche“, findet er, „dafür reicht eine einmalige Bestimmung. Anpassungen wären nur bei baulichen Veränderungen nötig. Man könnte auf diese Weise Milliarden an Bewertungskosten einsparen und endlosen Streit über die richtigen Steuerwerte vermeiden.“ Denn eine neuerliche Bewertung des gesamten privaten Grundvermögens würde vermutlich Jahre dauern und hinge von schwankenden Immobilienpreisen ab – was zu regelmäßigen weiteren Neubewertungen führen würde.

Bayern will Mehrbelastungen vermeiden

Bayerns Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer erwartet deshalb, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nun in jedem Falle als Gelegenheit für eine grundsätzliche Reform genutzt wird: „Die Grundsteuer betrifft jeden: Mieter, Eigenheimbesitzer und Unternehmen. Unser Ziel bei der Reform der Grundsteuer ist es, Mehrbelastungen für Bürger und Betriebe zu vermeiden.“ Pschierer wirbt für den bayerischen Reformvorschlag: „Eine wertunabhängige Einfach-Grundsteuer wäre die Ideallösung. Unser Konzept wäre einfach und schnell umzusetzen und würde genau die Transparenz und Rechtssicherheit herstellen, die wir brauchen.“

Gerade auch die Förderung von bezahlbarem Wohnraum und Eigenheimen für Familien gelingt nur bei einer vernünftigen und vorhersehbaren Grundsteuer.

Wirtschaftsminister Franz Pschierer

Für die Gemeinden hat die Grundsteuer eine enorme Bedeutung: Dem Geschäftsführer des Bayerischen Gemeindetags Franz Dirnberger zufolge, ist sie die zweitwichtigste kommunale Steuer mit eigenem Hebesatzrecht. Ihr Aufkommen liegt in Bayern bei rund 1,84 Milliarden Euro pro Jahr. „Die Gemeinden können auf die Einnahmen aus der Grundsteuer nicht verzichten“, sagt Dirnberger. Diese Finanzmittel dürften nicht ausfallen, auch nicht zeitweise, betont er. „Denn das würde bedeuten, dass die kommunale Selbstverwaltung in vielen Gemeinden zum Stillstand kommt.“