Noch mehr weiße Kisten: Neubauwohnungen in München-Altperlach (Foto: Imago/Sven Simon)
Städtebau

Schöne Häuser braucht die Stadt

München wächst - in die Höhe und in die Quere. Die städtebauliche Nachverdichtung erregt den Zorn vieler Einheimischer. Um Akzeptanz für Neubauten zu schaffen, drängt Manuel Pretzl, Chef der CSU-Stadtratsfraktion, auf ansprechendere Entwürfe.

Die Heimat verändert sich. Mancherorts so rasant, dass viele Einheimischen nicht mehr richtig mitziehen wollen. Am schnellsten wächst derzeit die Landeshauptstadt. Wer von erhöhten Punkten über München blickt, sieht einen Wald von Baukränen, die unaufhaltsam Neubaugebiete in die Höhe zu ziehen scheinen. Wohnraum und Gewerbeflächen sind knapp in der Metropole, werden immer teurer. Deshalb möchte die rot-schwarze Rathaus-Koalition mittels Nachverdichtung und Erschließung unbebauter Grundstücke dem wachsenden Bedarf hinterherbauen.

8500 Wohnungen pro Jahr

Im Durchschnitt 8500 neue Wohnungen will die Stadt pro Jahr errichten lassen. Eine interaktive Karte des Referats für Stadtplanung und Bauordnung der zuständigen Stadtbaurätin Elisabeth Merk listet derzeit 44 Großprojekte quer über das Stadtgebiet aus. Am höchsten ist die Bauaktivität derzeit im Münchner Westen, rund um das riesige Neubaugebiet Freiham, in den Innenstadtvierteln Obersendling, Giesing, im Werksviertel hinter dem Ostbahnhof und im Norden der Stadt zwischen Domagkstraße und Bayernkaserne. Hinzu kommen zahlreiche kleinere Vorhaben auf Einzelgrundstücken.

Widerstand formiert sich mittlerweile in Bürgerinitiativen und Anwohnergruppen, die sich mit der zielgerichteten Verdichtung ihres Lebensraums nicht abfinden wollen. Als einen Grund für diese Opposition nennt der CSU-Fraktionschef im Stadtrat, Manuel Pretzl, die Architektur vieler Neubauten. „Die notwendige Nachverdichtung und die Bebauung der Entwicklungsgebiete werden nur dann akzeptiert, wenn die Architektur gut ist und die Bevölkerung sich damit identifizieren kann“, schrieb Pretzl schon im Februar in einem  Stadtratsantrag mit dem Titel „Mehr Lebensqualität durch bessere Architektur“.

Interessiert und durchaus skeptisch verfolgen die Münchner die städtebaulichen Planungen.

Manuel Pretzl, CSU-Stadtrat

Pretzl weist explizit auf die Pläne für die Bebauung des Heimeranplatzes im Münchner Westend hin, die Anwohner wie auch er selbst für diskussionwürdig halten. Das verdrehte Gebäude des Entwurfs würde zwar von Lokalpolitikern unterstützt, eine bestimmte Kommission der Stadt aber zeige sich „wenig begeistert“.

Gegen die Stadtgestaltungskommission

Seine Initiative aus insgesamt drei Stadtratsanträgen vom Februar treibt Pretzl inzwischen voran, indem er nun einen vierten hinzugefügt hat: Die Stadt solle prüfen, ob die so genannte „Stadtgestaltungskommission“ noch den aktuellen Anforderungen entspricht. Dabei solle „sowohl die Zusammensetzung des Gremiums als auch die Arbeitsweise überprüft werden“.

Pretzl hält vor allem die Architekten für verantwortlich für die Misere der neueren Architektur in München. „Ich habe momentan den Eindruck, dass wir von der Vielfalt zu einer Einfalt kommen, dass wir Erdgeschoss plus drei Obergeschosse über die ganze Stadt legen“, klagte er in der Süddeutschen Zeitung. Er will, dass künftig mehr verschiedene Architektenbüros zum Zuge kommen und dass sie bei innovativen Ideen höheres Baurecht erhalten. In der Debatte, die über Pretzls Vorschläge entstanden ist, weisen viele Architekten seinen Vorwurf allerdings zurück: Die Bauträger/Bauherren seien oftmals an einer rendite-orientierten Bauweise interessiert, argumentieren sie. Und auch die Stadt selbst sei mitverantwortlich für die Genehmigung von Bauplänen.

Wir wollen eine unvoreingenommene Beratung bekommen.

Manuel Pretzl, CSU-Stadtrat

Die besagte Kommission setzt sich aus zehn Baumeistern zusammen, welche auf Vorschlag der Bayerischen Architektenkammer dorthin entsandt werden. Weiterhin gehören zu den insgesamt 27 Mitgliedern der Heimatpfleger, ein Vertreter des Naturschutzbeirats sowie elf Vertreter der Stadt selbst. Darunter Oberbürgermeister Dieter Reiter, Stadtbaurätin Merk und CSU-Stadtrat Walter Zöller. Die Kommission spricht zwar kein Baurecht aus, begleitet aber Bauvorhaben speziell bezüglich ihrer äußeren Wirkung auf das Stadtbild während der Planungsphase, gibt Empfehlungen für den Stadtrat bei größeren Bauvorhaben.

Mehr Bescheidenheit in der Jugendherberge

In der Tat hat das Gremium in der Vergangenheit auf die Abschwächung mutiger Entwürfe hingewirkt, etwa bei der Planung einer neuen Jugendherberge im Stadtteil Neuhausen. So musste der Sieger des Architektenwettbewerbs, das Büro Graft aus Berlin, die ursprünglich geplante, abenteuerlich geschwungene Fassade „entschärfen“. Kommissionsmitglied Manfred Kovatsch, Architekturprofessor in München, monierte die „aufgeregte Gestaltung“. Sein Zürcher Kollege Jürg Sulzer mahnte mehr Bescheidenheit an.

Pretzls Antrag zielt darauf, dass die Architekten in der Kommission künftig „während der Amtszeit keine Architektenleistungen in München“ erbringen dürfen und ihr Mandat auf drei Jahre beschränkt wird. Er hofft, so den Einfluss einiger weniger, seiner Meinung nach zu mächtiger Architekturbüros zu begrenzen. Die hätten in der Vergangenheit „belanglos und uniform“ und an den Bedürfnissen der Menschen vorbei gebaut. „Wir müssen die Stadt von den Architekten zurückholen“, verlangt Pretzl. Kritik übt der CSU-Fraktionschef aber auch an der Politik. Die, moniert Pretzl, habe die Hoheit über die Gestaltung der Stadt weitgehend verloren.