Problemzone Landshuter Allee: Die Strecke am Mittleren Ring in München überschreitet die Stickoxid-Grenzwerte regelmäßig. (Foto: Imago/HRSchulz)
Verkehr

Geld gegen das Gift

Mit einer Milliarde Euro sollen Kommunen dabei unterstützt werden, die Stickoxid-Grenzwerte einzuhalten. So lautet ein Ergebnis des zweiten Diesel-Gipfels. Vertreter aller Parteien sind sich einig, dass es nicht zu Fahrverboten kommen soll.

Die Bundesregierung will den geplanten „Mobilitätsfonds“ um eine weitere halbe Milliarde Euro aufstocken, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem zweiten so genannten Diesel-Gipfel ankündigte. Der Topf, aus dem von Stickoxiden belastete Städte und Gemeinden Förderung von Verkehrsmaßnahmen beantragen können, soll sich zu Dreivierteln aus Bundesmitteln und zu einem Viertel aus Beiträgen der Automobilindustrie speisen. Umrüstung öffentlicher Busflotten auf Elektroantrieb, Software- und Hardware-Updates für Diesel-Pkw – all dies haben die Vertreter von Bund, Ländern und Gemeinden bei dem Treffen diskutiert. „Wir wollen keine Fahrverbote, das ist die politische Zielsetzung“, sagte Merkel danach. Ob schwarz, ob rot, ob grün, alle Gipfelteilnehmer beteuerten dasselbe. Auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer lehnt Fahrverbote für Dieselautos ab.

Ratlose Oberbürgermeister

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) verwies allerdings auf weiterhin drohende Fahrverbote, welche Gerichte möglicherweise schon bald verhängen könnten. In der bayerischen Landeshauptstadt sei es so, dass Dreiviertel aller fraglichen Emissionen von Diesel-Pkw stammen. Die Umstellung der Münchner Busflotte auf emissionsärmeren Betrieb würde aber die Belastung nur um fünf Prozent senken. Der zweite Diesel-Gipfel habe nur dem „Austausch von Fakten gedient“, es seien aber „keine wirklichen Handlungen“ beschlossen worden.

Sein Stuttgarter Kollege, OB Fritz Kuhn (Grüne), freute sich zwar über die Erhöhung des Mobilitätsfonds. „Ohne eine bessere Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs wird es nicht gehen.“ Allerdings habe er bei der Umrüstung seines städtischen Fuhrparks festgestellt, dass derzeit kein einziger Hersteller reine Elektro-Busse anbiete. „Was die Automobilindustrie versäumt hat, werden wir nicht mit öffentlichen Busflotten ausgleichen können“, meint Kuhn. Der Gesundheitsschutz sei ein „extrem hohes Gut“, deshalb müssten die gültigen Grenzwerte unbedingt eingehalten werden.

Wir wollen keine Fahrverbote, das ist die politische Zielsetzung.

Angela Merkel, Bundeskanzlerin

Baden-Württembergs Ministerpräsident Wilfried Kretschmann ließ durchblicken, dass er ein bereits gesprochenes Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart womöglich anfechten wird, um Diesel-Fahrverbote in der schwäbischen Metropole zu verhindern. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) wiederholte seine Ablehnung einer „Blauen Plakette“, die Kommunen die Einrichtung von Fahrverbotszonen erleichtern würde. Merkel pflichtete ihm ausdrücklich bei.

Ein Drittel der Stickoxide aus ausländischen Motoren

Kanzlerin Merkel kündigte die Schaffung einer Koordinierungsstelle von Bund, Ländern und Kommunen an, „die definiert, was dort geschehen soll“. Bei der nächsten Automobilmesse IAA will sie auch ausländische Fahrzeughersteller ansprechen, damit diese sich endlich an den deutschen Bemühungen zur Senkung der Stickoxid-Belastung beteiligen. Zuletzt hatte die Universität Duisburg-Essen Zahlen veröffentlicht, wonach die Wagen deutscher Produzenten wie VW, Audi, BMW, Daimler die zulässigen Stickoxid-Grenzwerte um das Doppelte bis Vierfache überschreiten. Ausländische Autokonzerne aus Frankreich, Italien, Japan, Korea jedoch liegen um bis zum Elffachen über den Grenzwerten. Merkel hielt nach dem Diesel-Gipfel fest: Rund 35 Prozent der Stickoxid-Emissionen in deutschen Städten stammten aus Pkw ausländischer Fabrikate mit deutschem Nummernschild.

(BK)