In den Umfragen führen CDU und CSU - hier Angela Merkel und Horst Seehofer bei der Vorstellung des gemeinsamen Regierungsprogramms - deutlich vor der SPD. (Foto: Imago/Christian Thiel)
Wahlkampf

Die Entscheidung fällt am Schluss

Gastbeitrag Aus dem BAYERNKURIER-Magazin: Nach einem kurzzeitigen Hoch der SPD führt die Union wieder deutlich in allen Umfragen. Für CDU und CSU kommt es jetzt vor allem darauf an, die eigenen Wähler zu mobilisieren, analysiert Meinungsforscher Florens Mayer.

Es scheint, als habe der Bundestagswahlkampf, obwohl er noch gar nicht richtig begonnen hat, seine spannendste Phase bereits hinter sich. Als Martin Schulz Ende Januar seine Kandidatur für das Amt des Bundeskanzlers bekannt gab und seine Partei dadurch quasi aus dem Stand aus ihrem chronischen Umfragetief befreite, schien der Wahlkampf äußerst spannend zu werden. Der SPD gelang es in den folgenden Wochen, sich selbst – Martin Schulz wurde mit 100 Prozent der Delegiertenstimmen zum Parteivorsitzenden gewählt – und andere – innerhalb weniger Wochen verzeichnete die Partei mehrere Tausend Parteieintritte – zu begeistern.

Der Hype um den SPD-Kanzlerkandidaten, der sicherlich auch durch ein Bedürfnis nach frischem Wind in der Bundespolitik in Teilen der Bevölkerung ausgelöst wurde, wirkte elektrisierend. Positive Berichterstattungen und für die SPD positive Meinungsumfragen bestätigten sich wechselseitig. Im Februar entschied Martin Schulz die hypothetische Direktwahlfrage – für wen würden Sie sich entscheiden, wenn man den Bundeskanzler direkt wählen könnte? – deutlich für sich: 50 Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland hätten sich für ihn und 34 Prozent für Angela Merkel entschieden.

Vertrauen in die Union

Dabei gab es bereits damals auch Anzeichen dafür, dass es sich bei dem Schulz-Effekt eher um einen Hype als um eine politische Trendwende handeln könnte. So gab in derselben Befragung jeder Vierte zu Protokoll, Martin Schulz überhaupt nicht zu kennen beziehungsweise sich kein Urteil über ihn bilden zu können. Zudem lag die Union bei entscheidenden Kompetenzwerten vor der SPD. Selbst auf dem Höhepunkt des Schulz-Hypes im März trauten 50 Prozent der Befragten der Union und nur 24 Prozent der Befragten der SPD zu, die Wirtschaft in Deutschland nach vorne zu bringen. Auf dem Politikfeld der inneren Sicherheit fielen die Kompetenzwerte ähnlich deutlich zu Gunsten von CDU und CSU aus.

Umschwung im Saarland

Am 26. März kam der „Schulzzug“ dann schließlich abrupt zum Stehen. Anders als von vielen erwartet, fiel der Wahlsieg der CDU im Saarland sehr deutlich aus: Sie erreichte 40,7 Prozent der Stimmen – mehr als 40 Prozent hatten CDU und CSU zuletzt bei der Bundestagswahl 2013 erreicht.

Zum einen war die SPD im Saarland an Annegret Kramp-Karrenbauer gescheitert. Mit ihrer Arbeit als Ministerpräsidentin zeigten sich in der Woche vor der Wahl 76 Prozent aller Saarländer zufrieden bis sehr zufrieden. Insbesondere ihr erfolgreicher Einsatz für das Saarland im Rahmen der Verhandlungen über den Bund-Länder-Finanzausgleich wurde von den Wählern honoriert. Drei Viertel der Saarländer waren der Meinung, Frau Kramp-Karrenbauer habe die Interessen des Saarlandes erfolgreich in Berlin vertreten.

Der SPD fehlen die Themen

Zum anderen war die SPD im Saarland ein Opfer ihres eigenen Umfrageerfolgs geworden. Getragen von der Welle der bundesweiten Schulz-Euphorie lag die saarländische SPD eineinhalb Wochen vor der Landtagswahl bei 34 Prozent und damit nahezu gleichauf mit der CDU, die bei 35 Prozent lag. Die Linke lag in derselben Befragung bei 13 Prozent. Das nun rechnerisch mögliche Szenario einer rot-roten Koalition mobilisierte – so darf begründet vermutet werden – in der Schlussphase des Wahlkampfs die Anhänger der CDU, die zur politischen Mitte neigenden Wähler sowie die vielen Saarländer, die mit der politischen Arbeit ihrer Ministerpräsidentin sehr zufrieden waren.

Mit der Saarlandwahl endete der Höhenflug des Martin Schulz und für die SPD schloss sich ein Fenster der Gelegenheit. Sie hat es in dieser frühen Phase versäumt, die Zustimmung für Kandidat und Partei mit relevanten Zukunftsthemen zu untermauern. Wie seine Vorgänger setzte auch Martin Schulz auf das Thema soziale Gerechtigkeit. Doch dieses Thema eignet sich in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs nicht, um die Wähler der Mitte zu erreichen. So meinten etwa im Februar acht von zehn Befragten, dass ihre persönliche finanzielle Situation in einem Jahr genauso gut oder besser sein werde als ihre aktuelle Situation. Der Mitte Juli vorgestellte Zukunftsplan der SPD setzte zwar auf wichtige Themen, wie Bildung, Unterstützung für Familien, Investitionen und Digitalisierung, kam aber womöglich zu spät, um das sprichwörtliche Ruder noch einmal herumzureißen.

Zufriedenheit überwiegt

In Deutschland herrscht derzeit alles in allem eine positive Grundstimmung. Acht von zehn Deutschen beurteilen die aktuelle Wirtschaftslage in Deutschland positiv. Genauso viele geben an, mit ihrer eigenen finanziellen Situation sehr zufrieden oder zufrieden zu sein. Angesichts dieser Werte ist es verständlich, dass nur bei wenigen Deutschen so etwas wie eine Wechselstimmung aufkommt. Hinzukommt, dass CDU und CSU in den Augen der meisten Deutschen inhaltlich und personell gut aufgestellt sind. Bereits erwähnt wurden die starken Kompetenzwerte der Union auf den wichtigen Politikfeldern Wirtschaft und innere Sicherheit. Noch wahlentscheidender für die Union ist allerdings, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel von den Bürgern wahrgenommen wird. Immerhin war bei der Bundestagswahl 2013 Angela Merkel für vier von zehn Unionswählern das wahlentscheidende Motiv. Im Mai waren rund sieben von zehn Befragten der Meinung, die Politik von Angela Merkel habe dafür gesorgt, dass es den Deutschen wirtschaftlich gut geht. Genauso viele waren der Auffassung, Bundeskanzlerin Angela Merkel sorge dafür, dass es den Deutschen in einer unruhigen Welt gut geht. Viele Bürger sehen demnach in der Bundeskanzlerin eine Garantin für stabile und sichere Lebensverhältnisse in Deutschland. Martin Schulz ist dagegen für viele Menschen nach wie vor ein Unsicherheitsfaktor. Zwei Drittel der Wahlberechtigten geben an, nicht zu wissen, welche Politik Martin Schulz umsetzen will.

Die Grünen verlieren an Bedeutung

Von der bisher ausbleibenden Polarisierung zwischen den beiden Volksparteien könnten grundsätzlich die kleinen Parteien profitieren. Die Grünen kämpfen jedoch seit dem erneut beschlossenen Atomausstieg gegen die Bedeutungslosigkeit an. Im Mai waren sechs von zehn Befragten der Meinung, die Grünen seien heute nicht mehr so wichtig, weil sich auch die anderen Parteien um Umwelt- und Klimaschutz kümmerten. Hinzukommt, dass ihre Spitzenkandidaten keine Zugkraft entfalten konnten. Nur 16 Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland halten das Führungspersonal der Grünen für überzeugend. Ihr Verlierer-Image abgestreift, hat hingegen die FDP. Nach zwei äußerst erfolgreichen Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen steht sie nun auch auf der Bundesebene wieder gut da. Ausschlaggebend dafür ist vor allem der Parteivorsitzende Christian Linder, der zumindest in Nordrhein-Westfalen auf eine Zustimmung von 60 Prozent kommt. Während die Linke seit Jahren relativ stabil bei acht bis neun Prozent liegt, befindet sich die AfD nach vielen Skandalen und Personaldiskussionen auf dem Weg nach unten und es ist ungewiss, wie erfolgreich sie im September abschneiden wird.

Die Bundestagswahl ist keineswegs entschieden. Bekanntlich treffen rund 30 Prozent der Wähler ihre endgültige Wahlentscheidung erst in den letzten Tagen vor der Wahl oder sogar erst am Wahltag. Die hier aufgeführten demoskopischen Befunde weisen allerdings deutlich darauf hin, dass die Union derzeit sehr gut im Rennen um den Wahlsieg im September liegt. Die Erfolgsaussichten der Union hängen nun im Wesentlichen davon ab, keine Fehler mehr zu machen, die Geschlossenheit im eigenen Lager herzustellen und schließlich die eigenen Wähler in einem ausreichendem Maß zu mobilisieren.

Florens Mayer leitet das Berliner Büro des Politik- und Wahlforschungsinstituts dimap.